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Die hier gezeigten Feldpostbriefe aus der Zeit zwischen 1939 und 1942 wurden auf einem Dachboden in der Sybiraków-Straße in Lubin gefunden. Dort war vor dem Krieg die Windmühlenstr. 3, wo Elisabeth Siems geb. Langner zuletzt wohnte. An sie sind alle diese Briefe gerichtet. Als sie die Briefe erhielt, wohnte sie noch Schützenstr. 4b. Schon diese wenigen Tatsachen führen uns die persönlichen und die historischen Ereignisse dieser Zeit vor Augen.
Katarzyna Jakubiak geb. Konieczna aus Lubin bekam die Briefe von ihren Eltern und sandte mir die Abbildungen zur Veröffentlichung. Unser gemeinsamer Wunsch ist es, dass wir Nachkommen der Familien finden und mehr über das Schicksal aller Genannten erfahren.
Die erste Postkarte, die Elisabeth irgendwann im Jahr 1943 in ein Bündel Post einschnürte, war diese Postkarte vom September 1939.
Sie ist noch an Fräulein Liesel Langner gerichtet und zeigt auf der Vorderseite ein Liebespaar. Er in Uniform. Daneben der Satz "Bald komme ich wieder!"
Wichtige Teile des Textes fehlen. Aber jemand sendet "einen letzten Gruß aus Weißenfels... habe auf dich gewartet, aber vergebens." Der "Jemand" kannte Elisabeths Anschrift nicht und sandte die Karte in die "Siedlungsstr. ?". Obwohl das falsch war, kam die Karte an und Elisabeth hob sie zusammen mit den Feldpostbriefen ihres Mannes Erich Siems und ihres Bruders Hans Langner auf. |
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Um die Lesbarkeit zu verbessern, habe ich einige
Satzzeichen ergänzt, manche Schreibfehler behutsam
korrigiert, Abkürzungen ausformuliert und
im Zweifelsfall eine Entscheidung getroffen. H. T.
den 1.3.1940
Lieber Peter!
Deine lieben Briefe habe ich mit
dem größten Dank erhalten und wie
du aus meinem anderen Briefe ersehen
hast, habe ich nun auch die beiden Päckchen
glücklich erhalten, das letzte war etwas
zerschlagen, sonst war alles meist in Ordnung,
nur die Zigarren im Beutel waren et-
was lädiert. Ich hätte zu große Lust zu
Euren Geburtstagen zu kommen, denn bei
der Feier möchte ich gern dabei sein. Sie
wird ja nicht sehr groß werden. Leider
wird mit meinem Kommen nichts wer-
den, aber vielleicht bin ich zu meinem
Geburtstag bei Dir und dann feiern wir
Deinen noch einmal. Bist du ein-
verstanden? Ob Deine Mutter für mich
viel übrig hat, weiß ich ja auch
nicht, denn die Zigaretten hat mir ja
Vater mitgeschickt. Wenn ich wieder nach
Hause komme, werde ich mit ihnen
noch einmal in Ruhe sprechen. Vielleicht
sind sie unterdessen anderer Meinung
geworden. Oder bei mir ist auch der Gedulds-
faden gerissen. Die Tabletten kannst du
ruhig behalten, denn ich glaube nicht,
daß ich sie werde brauchen können und
wenn schon, da kann ich mir hier auch
welche geben lassen. Ein angenehmes
Gefühl ist es gerade nicht, wenn man
krank ist und man macht trotzdem
seinen Dienst weiter. Ich hätte mich
auch noch krank gemeldet, so war aber
der Sonntag dazwischen, wo ich meine
Hoffnung aufgebaut habe. Da konnte
ich mich richtig schonen und es ist
auch vorüber gegangen. Unkraut
verdirbt eben nicht! An das einsam sein
haben wir uns schon langsam gewöhnt.
Am meisten schaudert es uns Sonnabend
und Sonntag weil wir da vollkom-
men auf uns angewiesen sind. Nun
habe ich bei einem Brief von dir ein-
mal gelesen, daß du dich verschrieben
hast, denn dein Name ist doch jetzt anders.
Zuerst habe ich immer gedacht, mir könnte
es einmal passieren. Es ist ja schon län-
ger her, fällt mir aber erst jetzt ein.
Sei aber bitte nicht gleich böse darüber.
Sonst geht es mir gut, was ich auch von
dir hoffe. Sei herzlich gegrüßt und geküßt
von Deinem
Erich
Bis zum nächsten Urlaub!
Erich Siems erwähnt in nebenstehendem Brief, dass
Elisabeth als Absender eines ihrer Briefe "den falschen
Namen" verwendet hat. Vermutlich hat sie versehentlich
noch einmal ihren Geburtsnamen Langner geschrieben.
Das kann als Beweis gewertet werden, dass die Hochzeit
noch nicht lange zurückliegt und dass dieser Brief
trotz der Anrede mit "Peter" an Elisabeth gerichtet
ist, um damit vor den übrigen Wehrmachts-
soldaten seine Gefühle zu verbergen. Die große
Nähe und Vertrautheit, die aus dem Brief
sprechen, lassen keinen anderen Schluss zu.
Bruder Hans Langner gratulierte seiner Schwester
Elisabeth am 7.3.1942 zum "heutigen
Geburtstag". Dass Erich Siems in diesem Brief am
1.3.1940 sein Bedauern darüber ausdrückt, dass
er nicht zum Geburtstag kommen kann, ist
ebenfalls ein Hinweis darauf, dass dieser Brief an
seine Frau Elisabeth gerichtet ist. |
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Feldpost 9.3.1940
Frau Elisabeth Siems
Lüben in Schlesien
Schützenstr. 4b
Liebe Mutti!
Deinen lieben Brief habe ich heute
mit dem größten Dank erhalten und
mich auch riesig darüber gefreut. Habe
auch von Gertrud ein Päckchen mit
Zigaretten, einer kleinen Wurst
Bonbon, Abgerührte und ein kleines
Fläschchen Kirschwein erhalten. Daß ich
mich darüber gefreut habe, kannst Du
Dir ja vorstellen. Von Richard habe
ich bis jetzt noch nichts gehört, hoffe
aber immer auch bald ein Lebens-
zeichen von ihm zu erhalten. So
warm ist es natürlich noch nicht,
daß ich die Badehose schon gebrauchen
könnte, es wird aber so lang-
sam, dann will ich mich in die
Sonne legen und braun werden wie
ein Neger. Wenn ich werde in Ur-
laub kommen, wirst du mich wohl
nicht mehr wieder erkennen.
Vielleicht kannst du mir ei-
nen kleinen schwarzen Kamm
und ein bißchen Schuhkrem mit-
schicken, da wir hier die Sachen
so schlecht bekommen, gleich braucht
es noch nicht zu sein, denn vor-
läufig geht es noch eine Zeit. Nun
bin ich ganz platt, daß sich Martel
das Bein gebrochen hat. Manchmal
fällt man so unglücklich, daß
gleich das Schlimmste passiert. Ich
bedaure sie aufrichtig und wünsche
ihr eine gute Besserung.
Wie kommst du dir denn in der großen
Wohnung so allein vor? Ist es nicht
ein bißchen einsam? Du mußt dich
eben damit abfinden. Wenn ich
werde dann für immer zu Hause
sein, werden wir uns schon Ab-
wechslung machen und wenn
wir jeden Tag sollten uns un-
nötige Arbeit machen. Erst wird
das Versäumte einmal gründ-
lich nachgeholt, denn ich glaube bei
unserem jetzigen Leben haben wir
allerhand versäumt. Vielleicht klappt
es noch einmal mit meinem Urlaub.
Wenn nichts dazwischen kommt, rech-
ne ich mit Mitte April bis Ende.
Dann werden wir es uns erst ein-
mal gemütlich machen! Meinst Du
nicht auch? Von dem Kinostück "Das
Kind der Wüste" habe ich schon viel
gehört und möchte es doch gern selbst
einmal sehen. Bei uns ist es aber
zu umständlich und dann weiß
man nicht, was immer gespielt
wird. Da fährt man eben so ins
Blaue hinein, da kommt es auch
vor, daß man das Stück schon ge-
sehen hat. Natürlich muß man
dann auch vorlieb nehmen. Aber
Ostern bin ich wieder im Urlaub. Da
werden wir uns das Leben
so gemütlich wie möglich
machen. Sonst geht es mir gut, was
ich auch von Dir hoffe. Hat sich Groß-
mutter in Liegnitz gut erholt?
Hoffentlich hat es ihr auch gefallen.
Nun sei herzlich gegrüßte und geküßt
von Deinem Erich
Viele Grüße an Großmutter und Eltern.
Auf ein baldiges Wiedersehen!
In einigen Briefen redet Erich seine junge Frau mit "Mutti" an!'
Der Inhalt beweist schnell, dass es kein Brief an seine Mutter ist.
Offenbar hat auch die Anrede "Peter" zu Irritationen geführt.
Noch schlimmer als ein Liebesbrief an eine Frau war offensichtlich
unter den Wehrmachtsangehörigen die Vermutung, Erich schriebe
Liebesbriefe an einen Mann. So entschied sich Erich für die
schreckliche Anrede "Mutti". Was für ein Männlichkeitswahn! |
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Belgien den 12.5.1940
Mein geliebter Peter!
Nun habe ich Zeit Dir auch ein paar Zeilen zu
schreiben. Wie Du siehst, ist dazu noch dies ein Feiertag und zwar
geschieht das Schreiben auf einer Treppe, mit etwas gutem
Willen geht auch das. Mir geht es tadellos, was ich auch
von Euch hoffe. Wegen mir brauchst Du Dir keine Gedanken
zu machen, denn es ist alles halb so schlimm wie Ihr
vielleicht denkt. Du brauchst mir vorläufig nichts zu schreiben
und zu schicken, da es doch nur unnötig Platz wegnimmt.
Sei herzlich gegrüßt von Deinem Erich
Viele Grüße an Alle.
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Frankreich den 3.6.1940
Lieber Peter
Möchte Dir schnell ein paar Zeilen
schreiben. In kurzer Zeit schicke ich 126 RM
nach Hause. Davon sind 70 RM für Dich
und die anderen 56 RM mußt Du nach
Liegnitz schicken und zwar an die
Adresse: Fritz Fellmann Groß Beckern über
Liegnitz. Solltest Du an einem Sonntag
gleich nach Erhalt des Geldes nach Liegnitz
fahren, so könntest Du auch das Geld
persönlich abgeben. Onkel Fritz würde
gern mit Dir hinfahren. Nun möchte
ich Dir noch mitteilen, daß ich am 1.6.
zum Obergefreiten befördert wurde. Es
ist ja nicht viel, aber der Mensch freut
sich. Mit dem Geld ging es nicht anders,
da zu wenig Postanweisungen vor-
handen sind. Gib mir bald Bescheid, wenn
das mit dem Geld in Ordnung ist. Nun
sei herzlich gegrüßte und geküßt von Deinem
Erich
Viele Grüße an alle. |
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Feldpost
Stempel: Groß Born 10.3.1941
Lager Westfalenhof
Frau Elisabeth Siems
Lüben i. Schlesien
Schützenstr. 4b
Absender:
Unteroffizier Erich Siems
Feldpostnummer 07859
O. U. den 9.3.1941
[O. U. = Ohne feste Unterkunft!]
Meine geliebte Mutti!
Deinen lieben Brief habe ich heute mit dem größ-
ten Dank erhalten und mich sehr darüber gefreut. Ich
freue mich, daß Du nun Dein Kostüm fertig hast und
vor allen Dingen, daß es Dir auch gefällt. Was
die Prüfungen belangt, so geht es schon noch, denn Du
mußt auch die Umstände berücksichtigen, nun sieh
nur zu, daß Du das Kleid noch gemacht bekommst,
damit Du für den Sommer auch noch etwas hast. Ich
denke, für einige Zeit bist Du nun versorgt. Wenn
die Uhrmacher keine Zeit haben, so kannst du sie eben
nicht machen lassen. Vielleicht geht es doch einmal
in Liegnitz, so schlimm ist es doch damit nicht, denn
sie muß nur gründlich gereinigt werden. Mit der Klei-
derkette ist es ja auch komisch, wie kommt sie denn
in den Hutbeutel? Wenn ich sollte zu Margot ihrer
Konfirmation gerade zu Hause sein, wäre es ja fabel-
haft. Ich habe nur die eine Befürchtung, daß dann
eventuell aus unserer Reise nichts werden wird!
Hoffentlich bist Du mir deshalb nicht böse, denn ich
habe auch nicht früher daran gedacht.
Daß Du auf den letzten Monat fast 7 RM mehr
bekommen hast, wundert mich ja sehr. Bei den nächsten
gibst Du mir immer wieder Bescheid. Wenn Du mir noch
einmal etwas schickst, so lasse die Apfelsinen ruhig
draußen und esse sie selbst, denn ich bin doch nicht
so toll darauf. Nun habe ich auch vom Alfred
das Päckchen erhalten, da kann man doch einmal
sehen, wie verschieden sie gehen. Ich hoffe, daß Du noch
gesund bist, was ich auch von mir sagen kann. Sei
recht herzlich gegrüßte und geküßt von Deinem
Erich und [unleserlicher Kosename]
Eben bekomme ich noch einen Brief von Dir,
so kann ich ihn noch gleich beantworten. Nun bin ich
ja froh, daß meine Uhr wieder in Ordnung ist.
Auch ich würde mich freuen, wenn ich zu Deinem
Geburtstag bei Dir sein könnte. Leider ist es aber
nun nicht so die Möglichkeit, denn in 3 Tagen ist
ist es ja soweit. Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute.
Wenn nun Ernst wieder zur Großmutter kommt, so scheint
ja alles in Ordnung zu sein. Ich möchte Dich sehr bitten,
kümmere Dich um nichts. Wenn Du Dir Mühe gibt, so
so kannst Du schon einigermaßen vernünftig schreiben,
genauso ist es mit den Fehlern.
Auf ein baldiges Wiedersehen. |
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Im Felde, den 22.6.1941
Liebe Mutti!
Nun habe ich in den letzten 3 Tagen eine ganze Menge Post von Dir erhalten, wofür ich Dir auch auf das Herzlichste danke. Wenn Du mir auch manchesmal Un-
recht getan hast, so nehme ich es Dir nicht einmal
übel, denn Du hast ja auch Deinen Ärger. Wenn ich Dich
bitten möchte, so schicke mir doch in Abständen einmal
ein paar Zigaretten, denn hier bekommt man doch keine.
Sonst darfst Du mir nicht böse sein, wenn Du von
mir sehr wenig Post erhältst. Sonst geht es mir sehr gut,
was ich auch von Dir hoffe.
Sei recht herzlich gegrüßte und geküßt von
Deinem Erich
Viele Grüße an Alle. |
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Im Felde, den 29.6.1941
Liebe Mutti!
Deinen Brief nebst dem Zeitungsausschnitt
vom 20.6. habe ich mit dem größten Dank erhalten.
Gewiß habe ich auch die Zeitungen erhalten, ich
denke, daß es nicht so wichtig ist, um Dir auch
das mitzuteilen, denn meistens denke ich nicht
mehr daran.
Bei Euch scheint sich ja manches ereignet
zu haben! Eine neue Werkhalle und die ganzen
Auszeichnungen, da kann man ja stolz darauf
sein. Ich gönne es auch jedem, denn verdient hat
es sich beinah jeder. Schmidt Paul krank - tu von
mir die herzlichsten Glückwünsche ausrichten.
Post bekomme ich auch sehr wenig von
Dir, aber wie ich hörte, soll für Euch Postsperre
sein, was für mich nicht gerade sehr angenehm
ist, denn ich möchte vor allen Dingen recht viel
Zigaretten. Hoffentlich kommen sie auch bald?
Möchte jetzt aufhören, denn sonst regnet mir
der ganze Brief noch voll. Sonst geht es mir
gut, was ich auch von Dir hoffe. Die herzlichsten
Grüße und Küsse sendet Dir
Dein Erich
Viele Grüße an Alle.
[Links am Rand:]
Was hier für Straßen sind,
kannst Du Dir nicht vorstellen.
Dazu ein Staub wie in Afrika. |
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Rußland, den 23. Juli 1941
Liebe Mutti!
Deinen lieben Brief mit den Zigaretten
habe ich heute mit dem größten Dank erhalten.
Es war auch wieder höchste Zeit, denn gestern
Abend habe ich die letzte geraucht. Von Alfred und
Franz habe ich auch welche bekommen. Ich staune
überhaupt, wo Franz immer die vielen her-
nimmt. Denn manchmal kommen in der Woche
gleich 2 Päckchen an. Was ist nun aus dem
Photo geworden? Bei Gelegenheit könntest Du
auch einmal die Schachtel Nivea Creme
schicken, ebenso einige Kuverts, denn sonst
kann ich Dir nicht mehr schreiben. Und das
möchtest Du doch bestimmt auch nicht. Die
Steuerkarte von mir wirst Du ja in der Zwi-
schenzeit an die Standortgebührnisstelle Hirsch-
berg i. Rsgb. geschickt haben? Denn bis jetzt
habe ich darüber noch keine Nachricht von Dir!
Wie notwendig ich eine Uhr gebrauche, kannst
Du Dir gar nicht vorstellen. Nach Möglichkeit
lasse doch meine machen, damit ich wenigstens
dann eine habe.
Heute habe ich wieder einmal so richtige
Sehnsucht nach Dir, denn wie schön wäre es,
ich wäre jetzt bei dir und du würdest mich
bemuttern und verwöhnen. Die Zeit kommt
aber auch einmal, dann haben wir
aber recht viel nachzuholen! Sonst geht es mir
noch sehr gut, was ich auch von Dir hoffe.
Die herzlichsten Grüße und Küsse sendet Dir
Dein Erich
Viele Grüße an Alle
Der Krieg verhindert, dass sich zwischen den beiden eine wirkliche Liebesbeziehung und Ehe entwickeln kann. Immer mehr wird Elisabeth für Erich tatsächlich zum Mutterersatz. Ein einziges Mal erwähnt er kurz seine Sehnsucht. Meist teilt er Elisabeth seine Wünsche und Bitten für Postsendungen mit. Was für eine verlorene Generation! |
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Erichs Handschrift in diesem Brief unterscheidet sich sehr von der der oben abgebildeten Briefe. Zwei Jahre schrecklichster Kriegserlebnisse haben Erich Siems verändert. Er bittet in jedem Brief um Zigaretten und träumt davon, dass ihn seine junge Frau "bemuttert und verwöhnt". Was für ein Leben...
Rußland, den 24.1.1942
Liebe Mutti!
Du wirst Dich schon lange gewundert
haben, daß Du von mir in der letzten Zeit kei-
ne Post mehr erhalten hast. Umstände und
Zeit waren so knapp, daß es mir unmöglich
war, auch nur eine Zeile zu schreiben.
Gesundheitlich geht es mir noch sehr
gut, was ich auch von Dir hoffe.
Die Kälte war ja die erste Zeit auch ein bis-
chen sehr streng, denn um die 40 ° haben wir
manchen Tag gehabt. Jetzt haben wir uns aber
schon ganz gut daran gewöhnt.
Seit dem 31.12. habe ich von Dir auch
keine Post mehr erhalten. Bis jetzt warte ich
immer noch auf das Weihnachts-
päckchen, aber einmal muß es ja auch an-
kommen!
Hast Du denn den Brief erhalten, wo-
rin ich Dir mitteilte, daß ich am 15.11.
verwundet worden bin? Ebenso, daß ich
am 23.12. das E.K. II. Klasse erhalten habe,
mit der Verwundung war es nicht sehr schlimm.
Fleischwunde am linken Unterschenkel und
einen Kratzer über dem linken Auge, hat
gar nicht lange gedauert, bis es geheilt war.
Nun liebe Mutti will ich schließen
in der Hoffnung, daß wir uns gesund
bald wiedersehen. Die herzlichsten Grüße
und Küsse sendet Dir
Dein Erich
Viele Grüße an Alle.
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Rußland, den 20. Juli 1942
Nr. 80
Liebe Mutti!
In einem herrlichen Lager will ich Dir auch
schnell einige Zeilen schreiben. Gesundheitlich geht
es mir noch sehr gut und hoffe, daß es auch
bei Dir der Fall ist. Am 1.9.42 bin ich zwei
Jahre Uffz. (Unteroffizier). Dann wirst Du ungefähr ... RM (Reichsmark)
mehr Gehalt bekommen. Es kann auch
die Möglichkeit bestehen, daß es noch ein
bisschen dauert, gib mir doch bitte darüber
Bescheid. Es kann die Möglichkeit bestehen,
daß Du nach Erhalt dieses Briefes etwas
länger warten mußt, damit Du Dich nicht
gleich wunderst und Dir Sorgen machst.
Nun möchte ich Dir noch mitteilen, daß
ich am 18. Juli 1942 das E. K. 1. Klasse
erhalten habe. Die Urkunde lege ich mit
bei. Was machen denn meine Bilder?
Im letzten Brief habe ich eine Marke für
ein 1000 g-Päckchen mit hineingelegt.
Jeden Monat bekommen wir eine. Wenn
ich könnte eine Abgerührte (Rührkuchen) bekommen,
wäre ich Dir sehr dankbar. Die herzlich-
sten Grüße und Küsse sendet Dir
Dein Erich und Vati
Viele Grüße an alle.
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Man braucht nicht viel Fantasie um sich vorzustellen, warum die Feldpostbriefe von Erich Siems eines Tages endeten und warum die Briefe im Januar 1945 in Lüben zurückblieben. Jahrzehnte später erlauben Katarzyna Jakubiak geb. Konieczna und ihre Eltern die Veröffentlichung der Briefe und das Erinnern an ihre Verfasser und die Empfängerin! Dank an sie!
Ich habe versucht, mehr über das Schicksal von Erich Siems und Elisabeth Langner in Erfahrung zu bringen. Erste Recherchequelle war die Website des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.. Dabei musste ich feststellen, dass zwei Erich Siems gefallen sind, die als Verfasser der Feldpostbriefe in Frage kommen:
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Nachname: Siems I
Vorname: Erich
Dienstgrad: [Feldwebel]
Geburtsdatum: 3.5.1914
Geburtsort: [Lüben]
Todes-/Vermisstendatum: 1.1.1945
Todes-/Vermisstenort: Frisches Haff u. Nehrung |
Nachname: Siems II
Vorname: Erich
Dienstgrad: Gefreiter
Geburtsdatum: 6.1.1912
Geburtsort: Lüben
Todes-/Vermisstendatum: 2.12.1942
Todes-/Vermisstenort: Feldlaz. 290 Now-Gorki |
Die ausführliche Beratung und Quellenunterstützung von Stefan Nowack, Geschäftsführer des Vereins zur Bergung Gefallener in Osteuropa e. V. trug zur Klärung bei. Es ist kein Zweifel mehr möglich, dass Erich Siems I der Verfasser der Feldpostbriefe ist.
Begründungen:
- Erich Siems will Elisabeths Geburtstag (7.3.) mit ihr "nachfeiern". Es ist unwahrscheinlich, dass er dies erst neun Monate später tun will. Wahrscheinlicher ist, dass er im Mai bei ihr sein will.
- Siems II fällt als Gefreiter. Erich Siems schreibt am 3.6.1940, dass er zum Obergefreiten befördert worden sei. Laut Vermisstenbildliste des DRK, über die der VBGO e.V. verfügt, ist Siems I als Feldwebel vermisst. In dieser Vermisstenbildliste wird zwar kein Foto gezeigt, jedoch der Geburtsort Lüben i. Schles. genannt. Warum dies auf den Seiten des Volksbunds fehlt, ist unbekannt.
- Das entscheidende Wissen besitzt Stefan Nowack jedoch über die Feldpostnummer 07859, die mehrfach auf Siems Briefkuverts genannt wird. Stefan Nowack schreibt: Die FPN gehörte zum Grenadier-Regiment 232. Dieses Regiment wurde ab 23.11.1940 auf dem Truppenübungsplatz Groß Born aufgestellt, den Erich Siems in seinem Brief vom 10.03.1941 erwähnt. Das Gren. Rgt. 232 gehörte zur 102. Infanterie Division. Diese Inf. Div. war 1941-1943 in Mittelrussland (Rshew, Orel und Gomel) eingesetzt. 1944 im Raum Pripjet, Brest-Litowsk, Bug, Narew und 1945 in Ostpreußen, wo Siems I seit März 1945 bei Braunsberg vermisst ist. Die Feldpostnummer auf Siems Brief, die dazugehörige Einheit und der Eintrag in den Vermisstenbildlisten des DRK zu dieser Einheit stimmen überein.
Für die intensiven Recherchen über Erich Siems danke ich Stefan Nowack sehr herzlich. Seine Hinweise haben mich überzeugt, auch wenn einige Fragen ungeklärt bleiben. Auf einem Foto in der Lübener Heimatzeitung von 1957 ist ein Erich Siems abgebildet. Dort erfahren wir, dass er von Beruf Maler war und 1932 am Freiwilligen Arbeitsdienst teilgenommen hat. War er Erich Siems II?
In einer Adressliste in einem Lübener Heimatblatt von 1959 wurde angegeben, dass Elisabeth Siems geb. Langner in Mönchröden lebte und Alfred Siems in Chemnitz! Als Vorkriegsadresse wurde für beide die Windmühlenstr. 3 in Lüben angegeben! Wer war Alfred Siems? Erichs Vater? Oder sein Bruder? Ob Elisabeth jemals Kinder hatte? Gibt es Nachfahren, die ihr Schicksal kennen?
Einen neuen Ansatz bietet Horst Klemz, dessen Großvater Paul Kühn aus der Bahnhofstr. 30 zusammen mit Alfred Siems in russischer Kriegsgefangenschaft war. Paul Kühn verstarb in Gefangenschaft, Alfred Siems kam nach Chemnitz! Horst Klemz will versuchen, mehr über diese Zeit im Leben seines Großvaters und über Alfred Siems zu erfahren. Wir drücken ihm die Daumen!
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Abschließend möchte ich die Ergebnisse meiner Recherchen, die nun dem anderen Erich Siems (II) aus Lüben zuzuordnen sind, hier wiedergeben:
Demnach ist er, der am 6.1.1912 in Lüben geboren wurde, am 2.12.1942 in Russland gefallen. Er hat seine letzte Ruhestätte auf dem Soldatenfriedhof in Korpowo gefunden. (Lage in Russland)
Auf einer russischsprachigen Website fand ich eine ausführliche Dokumentation über die Bergung der sterblichen Überreste der Gefallenen beider Seiten auf dem riesigen Schlachtfeld des Kessels von Demjansk, über die einfachen Gräber für die Toten der sowjetischen Armee und den würdig gestalteten Deutschen Soldatenfriedhof (youtube-Video mit Ton), der vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge errichtet wurde.
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