Muttel Pauline Tilgner (1880-1973)
Erinnerungen von Arnold Weidner














Pauline Tilgner 1956

Muttel Tilgner

Wenn man dem kleinen Frauchen, Pauline Tilgner auf der Straße begegnete, lachte es einen aus den hellen Augen unter dem stets blütenweißen Kopftuch so fröhlich an, daß einem das Herz warm wurde. Viele der Lübener werden sich noch der Muttel Tilgner erinnern, die jetzt im 77. Lebensjahr steht und ihren Lebensabend in Tauchritz, üb. Görlitz, Kolonie Birkenwald, verbringt.

Pauline Tilgner hat in vielen Hausern die große Wäsche gewaschen, daneben aber war sie ungemein sachkundig in Gartenangelegenheiten. Ich selbst habe dies in den letzten Kriegsjahren zu meinen Gunsten oft erfahren dürfen. Wenn ich zu ihr sagte: "Muttel Tilgner, im Gemüsegarten ist mal wieder ein Beet abgeerntet und müßte umgegraben werden", so ließ sie sich das nie zweimal sagen.

Sie erschien stets noch vor Tau und Tag und hatte sehr schnell das Beet hergerichtet. Wie aber strahlte sie, wenn ich ihr erklärte, es müßten wieder Heinzelmännchen an der Arbeit gewesen sein. Selbst heute noch, nach 12 Jahren, gedenke ich dankbar des guten Rübensirups, den sie unermüdlich in ihrem großen Waschkessel rührte, wenn man ihr die Rüben lieferte. Und weiter erinnere ich mich noch der leckeren Mohnstrietzel, die sie zu den Feiertagen buk und von denen sie freigebig herschenkte, trotz der schweren Zeiten. Sie pflegte zu sagen, der Spaten und das Waschgerät müsse man ihr einmal mit ins Grab geben, die seien nun eben ihr Handwerkszeug, das sie niemals missen wolle.

Pauline Tilgner 1953

Nun lebt sie in der Nähe von Görlitz. Über das Land sieht an klaren Tagen das Riesengebirge zu ihr herüber, so wie sie es einst in Lüben vom Windmühlenberge gesehen hat. Stete Erinnerung an die verlorene Heimat. Noch immer ist sie fleißig und findet auch hier im Garten ihre Arbeit. Und wie mir geschrieben wurde, redet sie vor sich hin mit den Menschen aus Lüben, während sie fremdes Gartenland rodet und gräbt. Sie sollte schon längst die Arbeit aufgegeben haben, aber sie kann sich von ihr und dem geliebten Viehzeug, das sie wie einst daheim wieder um sich hat, ihren Ziegen, nicht trennen. Das Bild stammt aus ihrer jetzigen "Heemte" und ist vor etwa drei Jahren gefertigt worden. Wie sehr würde sie sich freuen, nun hierdurch von Heimatfreunden einen Kartengruß zu erhalten, der ihr zeigte, daß sie bei ihren Lübenern nicht vergessen ist.

Zoe Droysen

Lübener Heimatblatt 23/1956