Meine Urgroßmutter Louise Karoline geb. Bunzel (1860-1942)














Meine Urgroßeltern, Hausbesitzer und Postagent Herrmann Theodor Stein und dessen Ehefrau, Louise Karoline geb. Bunzel, lebten in Ober Gröditz am Fuße des Gröditzberges in Schlesien. Sie besaßen dort ein kleines Häuschen. Ihr Einkommen verdankte die Familie einer Postagentur und einer kleinen Landwirtschaft. Später nahm man in das ausgebaute Haus auch Sommergäste auf.

Louise Stein, geb. Bunzel, wurde am 17. November 1860 geboren. Das älteste Foto, das es von ihr gibt, zeigt eine junge Frau in einer dunklen und reich bestickten Bluse, die mit einer Brosche am Kragen hochverschlossen ist. Ihre langen dunklen Haare sind in der Mitte gescheitelt und streng nach hinten gebunden. Sie schaut den Betrachter nicht an. Ihr Blick und ihre schmalen Lippen zeigen, dass sie eine willensstarke selbstbewusste Frau war. Sie ist meine Urgroßmutter, die Mutter von Gertrud Moch geb. Stein, meiner Großmutter.

Louise Stein geb. Bunzel (1860-1942)

Louise Stein im Jahr 1938 vor ihrem Haus. Der Ortsname wechselte im Verlaufe der Zeiten von Gröditz über Ober Gröditz zu Gröditzberg!

Das Foto zeigt, wie die Familie ihren Lebensunterhalt verdiente. Im Sommer nahm man Sommergäste auf. Hier links Frau Ebermann aus Dresden mit ihrem Sohn Wolfgang.

Über dem Hauseingang mit der Nr. 60 lesen wir "Frisör". Das war schon das moderne Wort für die Arbeit des Barbiers Karl Marklowsky (rechts), des Ehemanns von Emma und Vater von Christa (beide neben ihm).

77 Jahre, nachdem dieses Foto in Gröditzberg gemacht worden ist, gelangte es zu mir! Es zeigt die Familie von Hermann Bunzel, dem Bruder meiner Uroma Louise, an seinem 70. Geburtstag!

Es ist im Besitz von Günter Bunzel, dem Enkel von Hermann, der sowohl meine Urgroßmutter als auch meine Großeltern noch kennengelernt hat!

Günter hockt auf diesem Foto vom 22.9.1938 als Neunjähriger neben seinem Großvater. Meine Urgroßmutter Louise steht - leider etwas verdeckt - als zweite von links hinter einer Tochter von Hermann.

Es ist eine unglaubliche Erfahrung, nach so viel Jahren plötzlich jemanden zu entdecken, der die eigenen Vorfahren noch gekannt hat!

Gäste des 80. Geburtstages von Louise Stein im Jahr 1940

Stehend von links: Elly Marklowsky, Trautel Handke, Christa Marklowsky, Herbert Handke, Charlotte Marklowsky, Hans Marklowsky, Hermann Fischer, Konstantin Moch, Emma Marklowsky geb. Stein, Elisabeth Fischer geb. Stein, versteckt hinter ihr Ursula Moch. Sitzend von links: Gertrud Moch geb. Stein, Minna Handke, Louise Stein geb. Bunzel, ihr Bruder Hermann Bunzel.

An ihrem 80. Geburtstag im Jahr 1940 wurde ein Foto der ganzen großen Familie aufgenommen, das die Zeiten überdauert hat. Auf dem Bild sitzt die Jubilarin in der Mitte. Meine Mutter, ihre Enkeltochter, versteckt sich hinten rechts. Sie war die Jüngste der Großfamilie und fühlte sich unter all den Älteren offensichtlich genauso unwohl wie junge Leute heute an einem 80. Geburtstag.

Rechts ist eine kleine Ecke des Hauses zu sehen, in dem die Steins und ihre Kinder ihr Leben verbracht haben. Auf einem anderen Foto ist die Hausnummer zu sehen. Im Jahr 2011 fand ich das Häuschen so vor, wie es zu Zeiten meiner Urgroßmutter war. Darüber habe ich eine Extraseite gemacht.

Louise Stein brachte sechs Kinder zur Welt und zog sie groß: Emma, Elisabeth, Gertrud, Fritz, Ludwig und Wilhelm. Dafür erhielt sie bei der ersten Verleihung dieser NS-Auszeichnung im Jahr 1939 - mit 79 Jahren - das Mutterkreuz in Silber. Wer wollte es ihr verübeln, wenn die ganze Familie stolz auf die Leistungen ihrer "Muttel" war und die Auszeichnung für wohlverdient hielt?! Zwei Söhne verlor Louise Stein in den beiden Weltkriegen. Die Töchter blieben ihrer Mutter zeitlebens eng verbunden.

Auf dem Foto rechts: Louise Stein, ihre beiden Enkelinnen Charlotte und Ursula und ihre Tochter Gertrud. Auf der Rückseite des Fotos hat meine Großmutter vermerkt: Zur Erinnerung an Muttels Besuch im September 1940.

Louise Stein, Charlotte Köpping, Ursula Moch, Gertrud Moch

Auf wundersame Weise ist eine Postkarte meiner Urgroßmutter erhalten geblieben. Louise Stein bedankt sich am 27.11.1942, zehn Tage nach ihrem 81. Geburtstag, für die Glückwünsche und hofft, das nächste Jahr möge den langersehnten Frieden bringen:

Louise bedankt sich für die Glückwünsche zu ihrem 81. Geburtstag

Frau Hilde Hartmann, Kranichfeld/Thüringen, Am Anger 3
Gröditzberg, den 27.11.1941

Liebe Hilde u. Gernot!
Vielen Dank sage ich Euch für die guten Wünsche zu meinem Geburtstag. Du hattest mir schon zum 17. Okt. gratuliert, immer noch der 17. November. Ja, ja du liebe Hilde, schon 81. Gottlob geht es mir; helfe Emma noch. Haben jetzt Mutter und Kind bei uns. Emma ist bei der NSV beschäftigt. Wo steckt dein lieber Walter? Grüße Ihn bitte von uns. Nächstes Jahr machst du mit Gernot eine Reise nach Schles. Es war doch immer so schön bei Steins. Nur gut, daß es dem lieben Herbert wieder besser geht. Schreibe ihm. Nun möchte uns 1942 den langersehnten Frieden bringen. Seid herzlich gegrüßt u. einen Guten von Eurer alten Tante Luise, Onkel Karl und Tante Emma.

Ich wünsch mir sehr, dass die Nachfahren der genannten Personen Kontakt zu mir aufnehmen und wir klären könnten, in welchem Verhältnis die Personen zu den Steins standen. Heidi T.

Gertrud Moch, Louise Stein, Ursula Moch, Erich Jungfer

Auf die Rückseite schrieb Gertrud Moch: Der letzte Sonntag im Juni 1942 mit unserer lieben Muttel.
Louises Wunsch, das Jahr 1942 möge den langersehnten Frieden bringen, erfüllte sich anders, als sie ihn gemeint hatte.


Todesanzeige

"Ein treues Mutterherz hat aufgehört zu schlagen. Nach einem arbeitsamen Leben entschlief sanft heute nacht unsere liebe gute Mutter, Schwester, Schwiegermutter, Oma u. Uroma, Frau Luise Stein, geb. Bunzel, Inhaberin des silbernen Mutterkreuzes im 82. Lebensjahre. Ihr ganzes Leben war erfüllt von selbstloser Liebe.
Im Namen der Trauernden Karl Marklowsky und Frau Emma geb. Stein sowie 9 Enkel und 13 Urenkel. Gröditzberg, den 16. Juni 1942 - Beerdigung Freitag nachmittag"

Danksagung im Lübener Stadtblatt vom 22.6.1942

"Danksagung! Statt Karten! Für die vielen Beweise aufrichtiger und mitfühlender Teilnahme, die uns durch Wort, Schrift und die herrlichen Kranzspenden anläßlich des Heimgangs unserer lieben Mutter Luise Stein entgegengebracht wurden, sprechen wir allen unseren tiefempfundenen Dank aus. Lüben, den 22. Juni 1942. Im Namen aller Hinterbliebenen Familie Moch"