Das Haus meiner Urgroßeltern Stein in Gröditzberg














Das Haus meiner Urgroßeltern Stein im Jahr 1936

Dies war das Haus meiner Urgroßeltern Louise und Hermann Theodor Stein am Fuße des Gröditzberges, in dem meine Großmutter Gertrud ihre Kindheit und Jugend verlebte. Auf dem Bild sind ihre Mutter Louise Stein geb. Bunzel, ihre Schwester Elisabeth Fischer mit Ehemann und die Nichte Christa (Tochter der Schwester Emma Marklowsky) zu sehen. Christa ist nach dem Krieg in Gröditzberg geblieben und hat - so wurde erzählt - einen Polen geheiratet.

Dieses Foto vom Haus meiner Urgroßeltern schenkte mir Günter Bunzel, der Enkel eines Bruders meiner Urgroßmutter Louise, der 1929 in Gröditzberg geboren wurde und erst Ende der 1940er Jahre Polen verlassen durfte. Ihm gelang es deshalb, einige alte Fotos zur Erinnerung zu bewahren. Darunter auch das Haus der Steins und das Haus seiner Familie. Ich erfuhr erst im Jahr 2015 von seiner Existenz und durfte ihn erst da kennenlernen!


Die Bunzels besaßen dieses schöne Wohnhaus in Gröditzberg. Dazu gehörten ein Sägewerk und eine Stellmacherei. Das Foto, um 1933 aufgenommen, zeigt ganz rechts Günter Bunzel. Neben ihm seine Schwestern Ursel und Gretel. Links seine Tante Hedwig Standke geb. Bunzel und seine Eltern Klara geb. Lorenz und Gerhard Bunzel. Gröditzberg lag nicht im direkten Kampfgebiet des Krieges. Deshalb blieben viele Häuser erhalten und sind noch heute bewohnt!


Was aus dem Haus meiner Urgroßeltern geworden ist, wusste ich bis zum Frühjahr 2009 nicht. Damals lernte ich durch meine Website Piotr Kureń kennen. Völlig uneigennützig machte er sich auf den Weg nach Grodziec und entdeckte das Haus! Es war gut erhalten und bewohnt. Herr Adam Mazur, der seit dem Kriegsende darin lebte, lud Piotr ins Haus ein und erzählte ihm seine Geschichte. Mich hat das sehr berührt. Der Kontakt zwischen uns dreien zeigte, wie es sein sollte und sein kann zwischen Deutschen und Polen. Eines Tages wollte ich nach Grodziec fahren, um dem alten Herrn Adam Mazur die Hand zu reichen und dem jungen Piotr Kureń Glück für die Zukunft seiner Familie, seines Dorfes und seines Landes zu wünschen.


Das sind einige der Fotos, die mir Piotr Kureń schickte. Vom Umbau des Hauses in den 1930er Jahren habe ich Fotos. Aber dass das Haus noch so gut erhalten ist, war nicht zu erwarten. Es muss immerhin vor 1890 gebaut worden sein, denn meine Großmutter ist darin im Jahr 1892 geboren worden! Um sich zu legitimieren, übergab Piotr dem alten Herrn Kopien meiner alten Fotos. Er hält sie in der Hand. Und neben ihm steht Piotr Kureń. Im Jahr 2011 geht die Geschichte weiter!



Endlich im Sommer 2011 machte ich mich mit klopfendem Herzen auf den Weg! Jacek Hayder begleitete uns. Ob das Haus noch stehen würde? Ob Herr Adam Mazur noch darin wohnen würde? Nein, leider nicht. Sein Leben hat sich im Jahr 2010 vollendet. Aber das Haus steht noch! Herr Adam Mazur hat es dem Enkelsohn seines Bruders vererbt, der jetzt darin wohnt. Jacek und der gegenüber wohnenden Onkel des Jungen erreichten, dass ich das Haus betreten und mich umsehen durfte.

Was für ein glücklicher Zufall, dass 65 Jahre nach Kriegsende noch alles so existiert, wie es meine Urgroßmutter bis zuletzt erlebt hat! Natürlich denke ich auch, wie bescheiden muss das Leben von Herrn Adam Mazur gewesen sein, da bis zuletzt in den uralten Möbeln gelebt hat! Aber ich konnte dadurch in die Vergangenheit meiner Familie eintauchen!

Und das Tollste kommt noch! Plötzlich ging der junge Mann in sein Haus und schleppte die Fotokopien, die ich Adam Mazur hatte übergeben lassen und einen alten Stuhl an! Vier erwachsene Menschen freuten sich über alle Maßen über einen kaputten alten Stuhl! Nein, darüber, dass sich wildfremde Menschen eine solche Freude machen konnten! Inzwischen habe ich ihn restaurieren lassen und vom Fachmann erfahren, der Stuhl sei viel älter als 100 Jahre!

Die geflochtene Sitzfläche war irgendwann so kaputt, dass ein Tischler sie durch drei Bretter ersetzte. Und er hat, um sich den Auftraggeber der Reparatur zu merken, auf der Unterseite mit Kreide den Namen meiner Urgroßmutter STEIN vermerkt! Es gibt also keinerlei Zweifel, dass ich 65 Jahre DANACH ein Erinnerungsstück aus dem Haus meiner Urgroßeltern mit nach Hause nehmen konnte.


Noch einmal im Jahr 2017 gab es ein berührendes Erlebnis zu diesem Thema für mich!

Roland Brause, dessen Großeltern bis zur Flucht im gleichen Dörfchen, in Gröditzberg in der Nr. 65, gelebt hatten, fand im Fotoalbum seiner Großmutter Bilder meiner Großtanten Elisabeth Fischer und Emma Marklowsky und des Enkels Peter aus den Nachkriegsjahren. Die Frauen hatten in engem brieflichen Kontakt gestanden.

Schon das war eine große Überraschung und Freude für mich. Aber noch erstaunlicher war ein Foto, das Roland Brause in diesem Jahr 2017 in der Kirche zu Gröditzberg gemacht hat! Es zeigt den Grabstein meines Urgroßvaters!

"Hier ruht im Herrn, tiefbetrauert von den Seinen, der Postagent Hermann Stein, geb. den 19. April 1841, gest. den 14. Juli 1917, er folgte seinem am 8. Mai 1917 in Russland gefallenen lieben Sohne Fritz in die Ewigkeit nach. Die Liebe höret nimmer auf."

Herzlichen Dank allen Beteiligten:
Piotr Kureń, Adam Mazur, Mateusz und Grzegorz, Jacek Hayder und Roland Brause!