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 O. U. (Ohne feste Unterkunft) 20.2.45
 Meine liebste Mama, Ursel, Lottel und Kinder!
 Nun sind wir seit gestern in Streckenbach Kreis Jauer.
 Wir sind nicht mehr Volkssturm, sondern Wehrmacht!
 Wir sind auch eingekleidet und sind bei der 10.
 Panzer-Grenadier-Division. Unsere vorläufige
 Feldpost-N° = 65617B. Ob Post zu uns gelangt, ist schwer
 zu sagen. Nun bin ich schon seit über 4 Wochen weg
  und was habt Ihr und ich während dieser Zeit erlebt.
 Man darf gar nicht daran denken, was wir alles
 verloren haben. Deine und meine Arbeit liebste Mama,
 war alles umsonst, wie haben wir zusammen ge-
 arbeitet und Erfolg gehabt und nun ist alles vor-
 bei. Meine größte Sorge gilt natürlich Euch und mag
 alles verloren sein, die Hauptsache wir kommen
 wieder zusammen. Ich träume fast jede Nacht von
 Dir, liebste Mama und habe auch diese Nacht mit Dir
 gesprochen. Was machen die Kinder, hoffentlich ist
 alles munter. Ich bedaure nur, daß ich meine
 letzten Sachen auch den Russen lassen mußte, aber besser
 so, als wenn ich jetzt in Gefangenschaft erst wäre, denn
 viele kommen dort nicht mehr raus. Ich hatte nur
 noch, was ich anhatte. Der ganze Rucksack, Wäsche,
 Schreibmaschine, Mantel, Schuhe und 50 Cigarren.
 Ich hatte in Koitz ein Paar Gummistiefel erwischt und
 diese hatte ich an. Gestern habe ich ganz alte Schnürschuhe
 bekommen. Noch nicht mal rasieren konnte ich mich,
 da dieser auch weg war. Hermann hat mir einen
 gegeben. Ich freue mich, daß ich noch einmal in Gröditz
 war, wo mögen die Ärmsten nun sein. Wir
 liegen hier in der Schulstube mit 11 Mann mit
 Stroh. Die Bewohner sind auch fort. Deine Anny
 Schulz klagte mir auch ihr Leid, daß Anton so häß-
 lich gegen sie ist. Hatten auch Flüchtlinge aus Krotoschin.
  Wenn nur die ganze Sache zu Ende ginge, denn
 schlechter kann es uns nicht mehr gehen. Keine Heimat
 und noch obdachlos. Liebste Mama, versuche jetzt
 mit einem Briefe an mich, denn ich warte sehn-
 süchtig auf Deine lieben Zeilen. Wie habe ich mich
 in Görlitz gefreut "Mein lieber Mann ist eingezogen." *
 Für heute tausend Grüße und Küsse Dir liebste Mama,
 an Ursel, Lottel und Kinder. Wie geht es Ursel?
 Was macht Schorsch? |  
| * "Mein lieber Mann ist eingezogen." Dieser Satz gibt wieder, was Großvater auf einer Postkarte seiner Ehefrau an Anny Schulz las, die er in Görlitz auf der Suche nach seinen Angehörigen aufgesucht hatte. Durch diese Karte erfuhr er, dass seine Familie nach Taucha geflüchtet war. (Siehe Feldpostbrief Nr. 3) Zu lesen, dass seine Frau so liebevoll von ihm schrieb, muss ihn sehr bewegt haben. |  
 
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