Die 'Klößelglocke' auf dem Kirchdach
Innenraum der Evangelischen Kirche














Aus dem mächtigen Dach der Evangelischen Kirche ragt ein kleines Glockentürmchen. Welche Bewandtnis es damit - neben dem riesigen freistehenden Glockenturm - auf sich hatte, erzählt Konrad Röhrich im folgenden Artikel. Vorweg sei dazu erklärt, dass 'Klößel' der liebevolle schlesische Dialektausdruck für Klöße ist. Die Endung -el drückt dabei weniger eine Verkleinerung aus als vielmehr die liebevolle Beziehung des Sprechers zum Dargestellten. Dazu gehörten auch Worte wie Muttel, Vatel, Häusel und viele andere mehr, die inzwischen mit den letzten Sprechern dieses Dialekts ausgestorben sind.

Die 'Klößelglocke' der Evangelischen Kirche

Die Klößelglocke

Wenn das Bild der Heimat unseren Nachkommen erhalten bleiben soll, sei auch die Legende von der Klößelglocke nicht vergessen. Auf dem Dach der evangelischen Pfarrkirche zu Lüben befand sich ein kleines Türmchen mit einer Glocke darin. Zu der Zeit, als die Glocken auf dem hohen Turm noch durch Läuteknaben geschwungen wurden, diente dieses Glöckchen als Zeichen, daß es an der Zeit war, die großen Glocken zum Läuten zu bringen.

Begann der Pastor mit dem Vaterunser, so ließ der Küster das Glöckchen erklingen und alsbald warfen sich die Knaben im Glockenturm in die Seile. Da ließen die drei großen Glocken: "Ehre sei Gott in der Höhe", die zweite: "Friede auf Erden" und die dritte: "Den Menschen ein Wohlgefallen" ihr ehernes Lied über die Lindenstadt ertönen.

Zu der Zeit war es noch Sitte, daß die ganze Familie des Sonntags zur Kirche ging und nur eines abwechselnd daheim blieb, um das Mittagessen zu bereiten. Radio gab es noch nicht, das die genaue Zeit ansagte, und die Uhren gingen nicht immer genau; so kam es vor, daß die Familie heimkam und die unvermeidlichen Sonntagsklöße waren nicht fertig - oder gar zerkocht, und das war für die Hausfrau unangenehm.

Da hatte eine kluge Hausfrau herausgefunden, daß es an der rechten Zeit war, die Klöße einzulegen, wenn das kleine Glöckchen auf dem Kirchdach erklang, und sie gab am nächsten Sonntag den Auftrag, just zu dieser Zeit die Klöße einzulegen, und siehe, es klappte gut! Als sich dies mit der Zeit herumsprach, wurde dieses Glöckchen das "Klößelglöckchen" genannt. Ob es wohl heute noch in unserer Heimatstadt erklingt?

Konrad Röhrich, Mallmitz in LHB 10/1963

Die 'Klößelglocke' der Evangelischen Kirche Die 'Klößelglocke' der Evangelischen Kirche