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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 268/269
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eine Kanalisation fehlte, konnten nur in den neueren Stadtteilen
die einzelnen Häuser an die Wasserleitung angeschlossen werden.
Das Brunnensystem blieb bestehen, und "die Wasserfrage" war end-
gültig noch nicht gelöst. Indes wurde eine andere Frage je länger
je brennender, die der Kanalisation. Die tiefen Rinnsteine mit
ihren üblen Gerüchen im Sommer und ihren breiten Eisflächen
im Winter paßten nicht mehr in die aufstrebende Stadt. Die
Parallelstraße, welche 1889 von der Stadt übernommen worden
war, wurde 1892 kanalisiert, die Bahnhofstraße 1893/94; am 14.
Januar 1898 faßten die städtischen Körperschaften den Beschluß,
die innere Stadt zu kanalisieren. Bürgermeister Vorwerk erlebte
nicht mehr die Durchführung des für die Stadt bedeutungsvollen
Projekts, er starb plötzlich am 1. Oktober 1898. Die Entwässe-
rungsanlage, deren Kosten durch eine Anleihe von 90 000 Mark
gedeckt wurden, erfuhr in den nächsten Jahren noch manche Er-
weiterungen, sodaß nunmehr fast die ganze Stadt dieser Wohltat
teilhaftig geworden ist. Die Vervollkommnung der Wasserleitung
war hinfort nur eine Frage der Zeit. Unter der Ägide des neuen
Stadtoberhauptes
ward sie rasch und zielbewußt durchgeführt. Am
26. Februar 1904 wurde die Errichtung eines Wasserhebewerks
beschlossen, nachdem eine ergiebige Quelle erbohrt worden war.
Abermals mußten die Lübener Bürger die Wühlarbeit in den
Straßen erdulden, aber sie konnten auch von der alten Oberauer
Straße das Emporwachsen des Wasserturmes ansehen, der ein
neues Wahrzeichen der Stadt wurde; und am 15. November 1906
sprudelte zum ersten Male das Wasser in den Häusern in über-
reicher Fülle und unerreichter Güte. Das Rohrnetz besitzt jetzt eine
Länge von 13 022 Meter und das Werk liefert rund 150 000
Kubikmeter Wasser im Jahre. Gewiß kostete die Anlage Geld,
viel Geld, ca. 230 000 M., aber sie beginnt bereits kleine Überschüsse
abzuwerfen, ganz abgesehen von dem idealen Gewinne, den sie in
hygienischer und wirtschaftlicher Beziehung für die Stadt bedeutet. Ein Schmerzenskind blieb lange für Magistrat und Bürger-
schaft die Straßenbeleuchtung. Das Stadtblatt schnitt
1843 die Sache an. Die Beleuchtung sei völlig unzureichend, ein-
mal würden die Öllaternen erst um 7 Uhr angezündet und dann
brännten sie so schlecht, "daß man selbst in nächster Nähe den
eigenen Bruder nicht erkennt". Derselbe Faden, nur in etwas
gröberer Nummer, wurde in einem "Eingesandt" der Liegnitzer
"Silesia" vom 14. Dezember 1846 weitergesponnen, als sich bei
einem abendlichen Brande der Mangel an ausreichender Straßen-
beleuchtung geltend gemacht hatte. Dort hieß es: "Die Stadt
will unter allen Umständen sparen. Vor 6 oder 1/2 7 Uhr abends
werden die Laternen nicht angezündet, denn so lange dauert es,
ehe der einzige Bediente herumkommt. Die Lampen brennen bis
9 höchstens 10 Uhr und allerhöchstens, d. h. wenn sich die Flasche
des Bedienten bei einer Lampe verschluckt hat, bis 11 Uhr. Um
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10 Uhr ist jedoch gewöhnlich alles finster, und in jetziger Zeit so
finster, daß man keine Hand vor den Augen sieht. Bis hierher,
heißt es, und nicht weiter; nun kann jeder die Augen in die Hand
nehmen und sehen, wie er durch die holperichten und schmutzigen
Gassen der Stadt Lüben kommt. - Auf unsere Nachtwächter, alt
und klein an der Zahl, dürfen wir uns nicht verlassen, denn diese
ruhen ebenso gern wie wir nach des Tages getragener Last".
Der im Jahre 1848 gegründete Bürgerverein forderte sehr
energisch Beleuchtung der Straßen bis 3 Uhr nachts, aber sein
Ruf verhallte, wie mancher andere. Erst nach zwei Jahrzehnten
kam die Hilfe. Der bevorstehende Bau einer Eisenbahn nach
Lüben nötigte die Stadtväter am 21. Januar 1867 den Beschluß
zu fassen, eine Gasanstalt zu errichten696). Als Standort der
Anlage wurde der Lazarettgarten gewählt. Am 1. Dezember 1867,
einem Sonntage, wurde der Betrieb eröffnet. Zur Feier des
Tages brannten nicht bloß die 45 Straßenlaternen, sondern an
jeder Marktecke und am Rathause Illuminationsgegenstände,
Kronen, Sonnen, Sterne u. dergl. Wenn auch nicht die ganze
Stadt, so doch der Ring schwamm in einem Meer von Licht, und
alles war von der neuen Errungenschaft sehr befriedigt. Aber
vorerst war das neue Licht teuer, eine Reihe von Konsumenten
kehrte wieder zum Petroleum zurück, bis die städtischen Behörden
den anfänglich recht hohen Preis - 26 Pf. pro Kubikmeter -
ermäßigten. Wiederholt wurde die Anstalt erweitert, so 1887, wo
ein neuer Gasbehälter aufgestellt und das Werkstättengebäude
errichtet wurde, die Kosten beliefen sich auf 44 000 Mark. Da das
Werk allmählich an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit anlangte,
mußte 1908 eine abermalige Erweiterung stattfinden, die zirka
81 000 Mark kostete. Aber nunmehr stand die Gasanstalt so gut
wie neu da. Mit den neusten Öfen und Apparaturen versehen,
vermochte sie bis 3500 Kubikmeter Gas in 24 Stunden zu erzeugen,
während sie früher im gleichen Zeitraum nur 1400 Kubikmeter
liefern konnte. Im Jahre 1913 ward ein dritter Gasbehälter er-
richtet, sodaß das Werk auf Jahre hinaus allen Anforderungen
gewachsen sein dürfte. Am Anfange seines Bestehens zählte man
45 öffentliche und 178 private Flammen, im Jahre 1909: 129
öffentliche und 3546 private, die Gaserzeugung stieg von 52 290
Kubikmeter im Jahre 1868 auf über 300 000 im Jahre 1908. Aber
dem Werke droht ein gefährlicher Konkurrent, das elektrische Licht.
Die Überlandzentrale streckte ihre Fangarme aus; und seit dem
20. Dezember 1920 strahlt Lüben in neuem Glanze.
Es gab eine Zeit, wo die Verkehrsverhältnisse der
Stadt ernste Sorgen bereiteten. In der ersten Hälfte des 19. Jahr-

696 Näheres hierüber in der von der Verwaltung der städtischen
Gas- und Wasserwerke im Januar 1909 herausgegebenen anziehenden
Broschüre "Das Städt. Gaswerk zu Lüben".