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hunderts war ihre Verkehrslage nicht ungünstig. Als in den
Jahren 1821-28 die große Berlin-Breslauer Kunststraße und
etwa gleichzeitig die Lüben-Liegnitzer Chaussee erbaut waren,
lag Lüben an einer der Hauptverkehrsadern der Monarchie und
zog aus dem starken Verkehr, der auf beiden Straßen herrschte,
seine Vorteile. Aber je mehr Eisenbahnen gebaut wurden, um
so prekärer gestaltete sich die Lage der Stadt. Die Stadtväter er-
kannten den Ernst der Situation und faßten am 2. März 1843 den
weitschauenden Beschluß, an dem damals ventilierten Bau einer
Eisenbahn von Liegnitz nach Glogau sich mit 30 000 rtl. zu betei-
ligen. Der Minister versagte aber dem Projekte seine Geneh-
migung, und damit war der Anschluß Lübens an das Eisenbahn-
netz in weite Ferne gerückt. Statt dessen kam der Bau der Lüben-
Rawitscher Chaussee aufs Tapet, welcher durch den Landtags-
abschied vom 30. Dezember 1843 ermöglicht worden war. Ein
Aufruf im Stadtblatt vom 1. August 1844 forderte zur Zeichnung
von Aktien auf, die Stadtverordneten erklärten sich bereit, seitens
der Stadt 15 000 rtl. zuzuschießen. Die Schwierigkeit lag hier in
der Überbrückung der Oder. Ohne Brücke wollte niemand bauen,
infolgedessen kam die Sache nicht vom Fleck. Erst als 1852 der
Staat den Bau der Brücke übernahm und für jede Meile der
Chaussee 8000 rtl. Beihilfe in Aussicht stellte, begann im folgenden
Jahre der Bau. Er kam für Lüben zu spät, um von erheblicher
Bedeutung zu werden. Die Stadt übernahm Aktien in Höhe von
9600 rtl. Im Jahre 1900 wurde die Straße an die Kreise über-
geben, nachdem die Aktien längst entwertet waren. Die Chaussee
änderte nichts an der Tatsache, daß der Verkehr unaufhaltsam an
der Stadt vorüberflutete; das bewies am besten der Rückgang des
Postverkehrs697). Bis 1850 waren am Lübener Postamte
zeitweilig 8-10 Beamte beschäftigt. Als in diesem Jahre Post-
direktor von Rüdiger abging, wurde das Amt in eine Post-
expedition und weiterhin in eine Postverwaltung umgewandelt,
erst am 1. Oktober 1871 ward es wieder Postamt. Bis zur Eröff-
nung der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn war die Zahl der
gewöhnlichen Postverbindungen beträchtlich: 16 tägliche Schnell-,
Personen-, Güter- und Reiseposten zwischen Berlin und Breslau,
sowie Lokalpersonen- und Karriolposten zwischen Lüben, Haynau,
Liegnitz und Raudten. Außerdem bestand ein überaus reger
Extrapost-, Kurier- und Estaffetten-Verkehr auf der Berlin-Bres-
lauer Strecke. Das alles hörte allmählich auf, der Postbetrieb
ging zurück und hob sich erst nach und nach aufs neue. Im Jahre
1843 wurde die Post vom Ringe in das Haus Polkwitzer Straße 3
verlegt, 1887 bezog sie ihr gegenwärtiges Heim, das der Staats-
sekretär von Stephan am 12. April 1892 besichtigte. Eine Tele-
697 Nach der "Chronik des Kaiserlichen Postamts in Lüben" im
Archiv des Amtes. |
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graphenstation wurde am 1.11.1861 eröffnet; bis zum Schluß
des Jahres gingen 24 Depeschen ein und 29 ab. Für das Jahr 1913
sind folgende statistische Daten über den Lübener Postverkehr zu
verzeichnen: Es gingen ein an Briefen, Postkarten, Drucksachen
usw. 1 013 300 Stück, an Paketen 13 237 Stück, außerdem 553
Pakete und 1669 Briefe mit Wertangabe; es wurden an Briefen
etc. aufgegeben 689 400 Stück, 31 716 Pakete, 387 Pakete und
1458 Briefe mit Wertangabe. - Es gingen ferner ein: 11 939
Postnachnahme-Sendungen und 1168 Postauftragsbriefe. Auf
Postanweisungen wurden eingezahlt: 1 563 796 Mark, ausgezahlt
1 171 295 Mark; auf Zahlkarten wurden eingezahlt: 3 519 064
Mark, auf Zahlungsanweisungen augezahlt: 1 177 544 Mark.
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Mehr und mehr ward es für die Stadt zur Lebensfrage,
Bahnverbindung zu erhalten. An Projekten war kein Mangel.
Im Jahre 1863 wurde die Linie Guben - Grünberg - Glogau -
Liegnitz stark befürwortet, aber die betreffenden Kreise vermochten
sich nicht zu einigen. Erneut tauchte der Gedanke an die Linie
Liegnitz - Lüben - Glogau auf. Die Breslau-Schweidnitz-Frei-
burger-Eisenbahngesellschaft war bereit, den Bau auszuführen.
Der Minister wollte jedoch die Konzession nur unter der Be-
dingung erteilen, daß die Linie bis Grünberg durchgeführt würde.
Dagegen wurde in Glogau stark agitiert, weil man eine Konkur-
renz gegenüber der seit 1844 bestehenden Sagan-Glogauer Bahn
befürchtete. Andrerseits fehlte es freilich auch an der Bereit-
willigkeit der beteiligten Kreise, Opfer für das Unternehmen zu
bringen. Man wollte auch in Lüben das erforderliche Terrain
nicht unentgeltlich hergeben. Am 9. März 1867 wurde endlich in
einer Konferenz der beteiligten Städte und Kreise der Bau der
Strecke beschlossen. Der Kreis Lüben gewährte 294 Morgen
Land im Werte von 30 000 rtl., die Stadt 20 Morgen für die
Bahnhofsanlage. Nachdem der Streit, ob die Linie über Polkwitz
oder Raudten geführt werden sollte, zugunsten Raudtens ent-
schieden worden war, übernahm die Freiburger Eisenbahngesell-
schaft am 27. Mai 1867 die Ausführung des Baues. Die Stadt
erwarb zur Herstellung des Bahnhofsplanum und der Zufahrts-
wege eine Reihe von Ländereien von Altstädter und Lübener Besitzern.
Sie konnte noch 1869 an Sachs & Gellin, Kulmiz und Destillateur
Lachmann Bauterrain abverkaufen. Der Bahnhof wurde 1869
fertig, und die Teilstrecke Liegnitz - Lüben konnte am ersten
Weihnachtsfeiertage 1869 eröffnet werden. Von dem großen
Moment nahm übrigens das Stadtblatt wenig Notiz; in der
"Schlesischen Zeitung" wird er von einem Liegnitzer Bericht- |