Beitkau
Das kleine Dorf liegt 2 km nördlich von Raudten auf einer breiten Hügelkette. Die sandigen Höhen hatten sich am Ende der Eiszeit gebildet, als die Gletscher tauten. Zu dem Ort führen keine ausgebauten Verkehrsstraßen. Er ist nur durch Feldwege mit den Nachbardörfern verbunden. 2 km nordöstlich liegt Klein-Gaffron, zu dem Beitkau gehört. Queißen befindet sich 2 km und Kammelwitz 5 km östlich, Kreidelwitz (seit 1937: Lindenbach) 2 km westlich.
Der Feldweg von Raudten nach Beitkau beginnt an der Kreidelwitzer Chaussee kurz hinter der Weißen Scheune und steigt bis zur Stadtgrenze ohne Krümmung allmählich an. Er war beidseitig mit Obstbäumen bepflanzt, die von der Stadt zur Erntezeit verpachtet wurden. Im Frühling boten die blühenden Kirschbäume einen herrlichen Anblick. Während der Kirschenernte konnte man ungestört die köstlichen Früchte abpflücken, wenn der Pächter am anderen Ende der Allee war. Sie schmeckten besonders gut! Hinter der Stadtgrenze schlängelt sich der Weg ohne Bäume durch die Felder zu dem abseits gelegenen Beitkau.
Nicht weit von Raudten lag rechts am Wege der Pestberg, der zu unserer Zeit eine große und tiefe Sandgrube war, in der es sich herrlich spielen ließ, aber auch gefährlich, wenn der Sand ins Rutschen geriet. Aus der Grube durfte sich jeder Raudtener Bürger kostenlos Sand für den eigenen Bedarf holen. Wir wissen von unserem Raudtener Geschichtsforscher Pastor Hermann Söhnel, daß hier während der Pestzeiten die Kranken bis zu ihrem qualvollen Tod abgeschlossen leben mußten. Diese Quarantäne sollte eine Ansteckung verhindern. Nahrungsmittel für diese bedauernswerten Menschen wurden in der Nähe der Weißen Scheune hingelegt, die sie sich erst holen durften, wenn sich die von der Seuche noch nicht befallenen Überbringer entfernt hatten.
Hinter der Stadtgrenze lag rechts des Feldweges in den Äckern ein romantisches kleines Gebüsch mit Quellen, in dem wir Jungen gern spielten, weil uns hier niemand störte.
Zu unserer Zeit bestand das Dörflein aus einem Vorwerk, vier Bauernwirtschaften, einem Häusler, und gehörte zum Gutsbezirk Klein-Gaffron. Das Vorwerk besaß der jeweilige Eigentümer des Rittergutes Klein-Gaffron. Es war aber wirtschaftlich unabhängig. Nach dem Schlesischen Güteradreßbuch von 1921 besaß damals das Vorwerk der Rittergutsbesitzer Rittmeister a. D. Siegfried von Brauchitsch auf Klein-Gaffron, der es an Balthasar von Frankenberg-Lüttwitz verpachtet hatte. Später erwarb die Schlesische Landgesellschaft mbH in Breslau die Güter, wie man aus dem Güteradreßbuch von 1937 entnehmen kann.
Das Vorwerkgut umfaßte 256 ha (= 1024 preußische Morgen) Land. Davon waren ca. 380 Morgen Acker, 120 Morgen Wiesen, 24 Morgen Weide und 452 Morgen Wald. Garten und Hof machten den Rest der Fläche aus. Bis 1945 war Herr Treffer als Vogt (Verwalter) auf dem Vorwerk. Er fiel bei den Kämpfen um Klein-Gaffron. Außer ihm wohnten noch einige Landarbeiter auf dem Gut. Einer von ihnen war Herr Kurzke. Die Wirtschaften gehörten den Bauern Oskar Pfeffing, Wilhelm Scheu, der auch als Hausschlachter auf den umliegenden Dörfern tätig war, Richard Schneider und Wilhelm Schulz. Ferner wohnte noch der Gepäckträger Otto Henschel in Beitkau. Vermutlich war er auf dem Bahnhof Raudten-Queißen beschäftigt.
Die evangelischen Einwohner von Beitkau gingen nach Klein-Gaffron in die Kirche und in die Schule, die katholischen nach Queißen. In Klein-Gaffron war auch die Försterei und die Brennerei. Standesamt und Amtsbezirksbehörde (Landpolizeibehörde) befanden sich im 5 km entfernten Kammelwitz. Postalisch gehörte Beitkau zu Raudten. Auch die Milch und die Kartoffeln, die nicht als Speise- und Futterkartoffeln Verwendung fanden, wurden nach Raudten in die Molkerei und in die Kartoffelflockenfabrik geliefert.
Heute gibt es das Vorwerk nicht mehr. Der Ort ist ein kleines Dorf mit fünf selbständigen Bauern.
Leo Beyl, LHB 2/1985