August Neugebauer und Mathilde geb. Vennemann aus Klein Krichen
Gemeinde Kleinkrichen














Meine Vorfahren kommen aus Klein-Krichen und dem Umland. Wir haben eine umfangreiche Familiendokumentation. Ich weiß nicht, was Sie interessieren könnte, aber wir können einiges zur Verfügung stellen und bieten den Kontakt an für Menschen, die unsere Familiengeschichte interessiert. Ich sende auch einen Aufsatz seiner Enkelin aus dem Jahr 1939 über ihn mit. Mit herzlichen Grüßen. Kristina Breit



August Neugebauer und Ehefrau Mathilde im Jahr 1896



August Neugebauer und Ehefrau Mathilde im Jahr 1921

Aufsatz seiner Enkelin Elsbeth Neugebauer aus dem Jahr 1939

Elsbeth Neugebauer, den 15. Februar 1939
Mein Großvater
Mein Großvater heute.
Sein Aussehen.
Seine Gesundheit.
Mein Großvater als junger Mann.
Seine Kindheit und Wanderzeit.
Sein Heim und Haus in Sterkrade.
Seine Verdienste in Sterkrade.
Kleine Geschichten aus dem Leben meines Großvaters.

Mein Großvater wurde am 12. Januar dieses Jahres 99 Jahre alt. Wer ihn sah und nicht wusste, wie alt er war, hielt ihn für einen 70 jährigen Mann. Er war immer und ist es auch heute noch, klein von Gestalt und ein wenig korpulent. In seinem Gesicht kann man Runzeln entdecken. Sein Haar, das nur noch spärlich auf seinem Haupte ist, ist schneeweiß. Die gleiche Farbe hat auch der kleine Schnurrbart, den er über der Oberlippe trägt. Seine Hände haben heute einen rosigen Schimmer. Sie sind ebenfalls mit Runzeln bedeckt. Man kann die kleinen roten Äderchen unter der Haut sehen.

Mein Großvater erfreute sich bis im Vorjahre im August einer sehr guten Gesundheit. Er nahm an allen Geschehnissen regsamen Anteil und erzählte gern aus seiner Kindheit. Des Nachmittags kam sein Freund Mergen, und sie unterhielten sich dann über gemeinsam erlebte Geschichten. Früher spielten sie auch zusammen 66, doch musste dieses wegen der verringerten Sehkraft aufgegeben werden. Alles ist jetzt fast unmöglich, seit mein Großvater einen Schlaganfall erlitt. Des Nachts spricht er im Schlaf so laut, dass alle aufwachen. Am Tage erkennt er

jetzt nur noch wenige. Zu diesen gehört die kleine Ursula. Sie ist die Tochter meiner Base. Wenn Ursula: "Guten Morgen, Opapapa!" ruft, erkennt er sie sofort und sagt dann: "Ach, guten Morgen meine liebe, kleine Ursula." - Er war immer ein guter Redner. Beim Richtfest des Bauunternehmers Herrn Fritz Klein in Sterkrade hat er als 97jähriger noch eine selbsterdachte Rede fließend gehalten. Einige Tage später, als sein Sohn zu ihm sagte: "Vater, da hast du ja noch einen schöne Richtfestrede gehalten, die müsste man eigentlich aufschreiben", diktierte er demselben die Rede Wort für Wort.

Er ist in Schlesien geboren. Sein Vater war Schäfergroßknecht bei einem Gutsbesitzer. Den ersten Hosen entwachsen, ging er zur Schule, wo noch mit Gänsekielen geschrieben wurde und die Eltern das Schulgeld, in der Woche 10 Pfennig, noch selbst aufbringen mußten. Großvater wollte zuerst den Beruf seines Vaters erlernen. Besann sich aber später anders und trat mit 21 Jahren in die Zimmermannslehre ein. Während seiner Wanderzeit durchreiste er fast alle Gaue Deutschlands. Die Kriege 1864, 1866, 1870-71 konnte er zu seinem größten Kummer nicht als Soldat mitmachen, obwohl er sich auf die Zehen gestellt hatte, wurde er als "zu klein" wieder nach Hause geschickt.

Weil sein Lehrer ihm viel vom Rhein erzählt hatte, wollte er diesen auch einmal sehen. Auf diese Weise kam er nach Sterkrade, wo wir heute wohnen Er kam gerade an einem Kirmestag nach Sterkrade. Weil er ein Mensch war, der Frohsinn liebte, ging er, so, wie er war, in seinen Zimmermannshosen auf die Kirmes. Im Jahre 1871 machte er sich selbständig und gründete sein Heim in der Bahnhofstraße. Es ist ein einstöckiges Haus, welches er heute noch bewohnt. Neben dem Hause im ersten Stockwerk liegt die Werkstatt. Im Erdgeschoß befanden sich die Ställe für die Gänse und Schweine. Seiner Ehe entsprossen 14 Kinder, von denen drei in einer Woche durch die Diphterie

ihm entrissen wurden. Im übrigen war er ein tüchtiger Fachmann, der in seinen Meisterjahren über vierzig Gesellen ausbildete. Mein Großvater hat sich am öffentlichen Leben rege beteiligt. Er war langjähriges Gemeinschaftsmitglied, Kreisdeputierter, Vorsitzender der Armenverwaltung, Mitglied der Schuldeputation und der Handelskammer in Düsseldorf. Er ist Mitgründer des Männergesangvereins "Frohsinn", dessen Nachfolger der Männergesangverein "Sängerbund" ist. Der Sängerbund bringt ihm auf seinem Geburtstag ein Ständchen. Im Jahre 1869 half er mit, die heutige Turnerschaft Sterkrade aus der Taufe zu heben. Als Belohnung für die gut ausgeführten Zimmerarbeiten beim Bau des Johanniter-Hauses in Sterkrade bekam er im Jahre 1896 das allgemeine Ehrenzeichen vom Prinzen Albrecht von Preußen überreicht. An allen größeren Bauten in hiesiger Gegend wie Kapuzinerkloster, Herz-Jesu-Kirche, Christus-Kirche, Kirchturm Sandbergheide, Töchterschule, Gymnasium usw. hat mein Großvater mit seinen Gesellen die Zimmerarbeiten ausgeführt.

Wenn mein Großvater aus seinem Leben kleine Geschichten erzählte, hörten wir Kinder sehr gerne und mit voller Aufmerksamkeit zu. Die Geschichte "Von dö dumme Jung" erzählte er am liebsten. Diese Geschichte war folgendermaßen: Eines Abends unterhielt sich mein Großvater, der klein war und recht zierlich aussah, mit Herrn Rentmeister, welcher einen stattlichen Bart und somit ein ehrwürdiges Aussehen hatte. Bald kam das Gespräch auf die Politik, und Herr Rentmeister sagte zum Großvater die fast klassischen Worte: "Wat verstehst du schnüffels Jung denn davon." "Wir wollen den "schnüffels Jung" man festnageln, wann bist du denn geboren?" - Darauf erwiderte Herr Rentmeister feierlich: "Ich bin am 14. Januar 1840 geboren" Mit einem überlegenen Lächeln entgegnete dann mein Großvater: "Dann bin ich ja noch 2 Tage älter als du schnüffels Jung!"

Zum Schluß wünschen wir unserem Großvater noch einen schönen Lebensabend. Elsbeth Neugebauer, 15. Februar 1939


2021 zur Verfügung gestellt von seiner Ur-Enkelin Kristina Breit