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Klein Krichen [1939]
Gemeinde, Kreis Lüben, 7 km, Post Lüben, 242 Einwohner, 59 Haushalte, 583 ha, 4 Gemeinderäte, Bürgermeister Willy Scholz, Fernsprecher Klein Krichen 528 (öffentlich), Landratsamt, Finanzamt, Amtsgericht, Versicherungsamt, Landkrankenhaus, AOK Lüben / Regierungsbezirk, Landgericht, Arbeitsgericht, Versorgungsamt Liegnitz / Arbeitsamt Liegnitz, Nebenstelle Lüben / Standesamt Groß Krichen / Schulgemeinde Lerchenborn / Gendarmeriebezirk Brauchitschdorf / nächster Personen-, Güterbahnhof Lüben 7 km. Vorhanden: Elektrisches Leitungsnetz, 1 Rittergut.
Aus: Alphabetisches Verzeichnis der Stadt- und Landgemeinden im Gau Niederschlesien mit den dazugehörigen Ortsteilen, Kolonien, Siedlungen usw., Kurt-Gruber-Verlag Wirtschaft Recht, Dresden, 1939 |
aus: Amtliches Landes-Adressbuch der Provinz Niederschlesien für Industrie, Handel, Gewerbe, Verlag August Scherl, Breslau, 1927 |
Klein Krichen [1927]
Dorf Kreis Lüben Regierungsbezirk Liegnitz 230 Einwohner Gemeindevorsteher Scholz Eisenbahnstation Güterladestelle Lüben Entfernung 7 km Arbeitsgericht Lüben Landgericht Elektrizitätswerk Liegnitz Post Braunau
Beier, August, Gastwirt, Haus Nr. 7
Dehmel, Wilhelm, Bauunternehmer, Haus Nr. 29
Kluge, Agnes, Müllerei, Haus Nr. 28
Kosch, Reinhold, Tischlermeister, Haus Nr. 4
Ritter, Karl, Schmiedemeister, Haus Nr. 23
Rothe, Gustav, Tischlermeister
Wandelt, Oskar, Gastwirt |
aus: Alphabetisches Verzeichnis sämtlicher Ortschaften der Provinz Schlesien, Verlag Wilhelm Gottlieb Korn, Breslau 1913 |
Groß Krichen [1913] Dorf + Rittergut und Klein Krichen [1913] Dorf + Rittergut (mit Vorwerk): Kreis Amtsgericht Eisenbahnstation katholisches Kirchspiel Lüben 6 + 7 km; Post Amtsbezirk Standesamtsbezirk Groß Krichen; evangelisches Kirchspiel Groß Krichen und Lerchenborn; 381 + 211 und 146 + 116 Einwohner
Klein-Krichen in Nachschlagewerken von 1789 und 1845
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Schloss Klein Krichen im Jahr 1904. Dank an Tomasz Mastalski!
Schloss Klein Krichen im Jahr 1935
Dorfstraße Klein Krichen
Tillmann's Gasthof zur goldenen Krone und Kolonialwarenhandlung
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Zu Hause in Klein-Krichen
Klein-Krichen liegt abseits der großen Straßen, kein Zug, kein Autobus fährt dorthin. Nach Lüben sind es 8, ins Nachbardorf Lerchenborn 3 km und nach Kotzenau fast 24 km. 26 Höfe und das Dominium machen das Dorf aus, Wohnhäuser, Viehställe und Wirtschaftsgebäude ziehen sich an der Dorfstraße entlang.
Das Gut, das mein Großvater 1872 erwarb, liegt einen Steinwurf vom Dorf ab. Der große Hof, zu dem etwa 450 ha Feld, Wald und Grünland sowie die im Dorf gelegene Schäferei gehören, wird von dem in der schlesischen Barockzeit errichteten Schloß beherrscht. Aus einem halb so großen Haus aus ganz alter Zeit war es zu Beginn des 18. Jahrhun-derts in dieser Form gebaut worden. Meine Mutter hatte es 1926 stil-gerecht erneuern lassen.
Aber daneben gibt es in diesem fast rein evangelischen Dorf weder Kirche noch Schule. Beide befinden sich in Lerchenborn. Zingel-Gustav, jedem Lübener ein Begriff, hat früher einmal dort Orgel gespielt und Unterricht gehalten.
Auf 18 Bauernhöfen, keiner wohl über 20 ha groß, wird ausschließlich Landwirtschaft getrieben. Die Klein-Krichener Bauern können sich sehen lassen. Sie holten aus dem bestimmt nicht besonders guten Boden durch ihre Tüchtigkeit und ihren unermüdlichen Fleiß staunens-werte Ernten heraus. Acht andere Stellenbesitzer haben einen Neben-erwerb oder sind Handwerker. Auch sie verfertigen oder verkaufen nicht alles, was das Dorf braucht. Es gibt keinen Friseur oder Schnei-der, sondern nur Tischler, Schmied und Schuster. Etwas abseits vom Dorf klapperte bis zu ihrem Abbruch eine alte Windmühle. Zwei Gast-häuser sorgen für die durstigen Kehlen.
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Gräfliches Schloss, August Beier's Gasthof zur goldenen Krone, Beier's Schmiede
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Einen kleinen, später vergrößerten Kolonialwarenladen gab es seit langem. Aber noch vor zwei Jahrzehnten kam alle Dienstage das mit zwei kleinen Schimmeln bespannte "Lebensmittelgeschäft im Planwagen" von Sabitz herüber. Die Post war ebenfalls früher in Groß-Krichen oder Braunau gewesen. Nein, etwas Besonderes gab es eigentlich nicht in Klein Krichen!
Heute wissen wir Klein-Krichener es besser. Wir finden, daß es für uns nirgendwo eine schönere Heimat geben kann. Der liebe Gott hatte seinen Tuschkasten tüchtig herangenommen, als er unser Dorf malte: Grün ist die Hauptfarbe, grün die Wiesen um das Dorf herum, grün die schönen großen Bäume und Alleen, grün der Wald, zu dem sich die Feldmark hinzielt. Daneben das Bunt der Bauerngärten, das Sandbraun der tief ausgefahrenen Feldwege und Sandgruben, das Rot der sauberen Ziegeldächer und dazu das nicht immer einladende Dunkelgrau der vier kleinen Teiche. |
Gasthof zur goldenen Krone
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Aber Grün bestimmt die Landschaft. Mich beeindrucken immer die vielen von West nach Ost verlaufenden Alleen. Den Hasenberg hinauf zieht die mit Apfelbäumen bestandene Landstraße von der mächtigen Gruppe der "sieben Kastanien" auf Kotzenau zu. Vom Krähteich nimmt eine Eschenallee ihren Anfang. Den Gutsgarten verbindet ein Eichenweg mit dem Wald. Am Kanal, dem breiten, hinter dem Schloß verlaufenden Graben, den kriegsgefangene Russen zur Zeit der Schlesischen Kriege ausgehoben haben sollen, führt die berühmte schöne Tannenallee auf der einen, die Kastanienallee auf der anderen Seite in die Tiefe des Parks hinein.
Weiter nach Norden aber beendet der sandige Bierweg, der mit seinen Sauerkirschen durch die 100 Morgen Spargelland nach Braunau führt, die stolze Reihe der sechs Alleen.
Sie gehen alle in den Wald hinein, an dessen Ostrand sich Klein Krichen anlehnt. Er ist ein Teil des großen Forstgebietes, das sich von Liegnitz und Haynau her nach Norden in den Lübener Kreis zieht. Dorthinein, in einen dunklen Urwald, mögen sich einmal die ersten deutschen Siedler hineingerodet haben, als sie diesen Teil unseres Landes in Kultur nahmen.
Aber die anderen Wege führen vom Dorf her ins Feld hinaus. Die Feldmark liegt vorwiegend nach Oberau oder Groß-Krichen zu, an dessen Grenze sie "Hinter-Klein-Krichen" heißt. In ihr erinnern die Flurnamen noch an das im 30jährigen Kriege zerstörte und verlassene Kätzendorf. Mit leichtem Gruseln trieben wir Kinder uns am Katzersee herum, um vielleicht doch noch Zeugnisse jenes verschwundenen Dorfes aufzufinden. Auch die Schwedenschanze bei Lerchenborn erinnert an jenen schrecklichen Krieg, über dessen Wüten in unserer Lübener Heimat einmal im Heimatblatt geschrieben werden sollte. |
Schloss Klein Krichen
Oskar Rieger, der Kutscher vom Gut Klein Krichen
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Ich weiß nicht, ob die alten Klein-Krichener besonders tierlieb gewesen sind. Aber unsere Flurnamen haben immer wieder mit Tieren zu tun. Am Igelteich liegt die Igelwiese. Unweit des Hasenbergs befinden sich Rehtränke, Finkenberg und Wolfswinkel. Aber auch andere Namen sind schön und wohlklingend wie der Herzerberg, der Eichberg, der Reiterberg, das Mühlfeld, die Mooshütte, die Ziegelwiese, die Peterei oder gar "Friese-Karlen-sein-Pusch". Ging man auf Braunau zu am Höllengrund vorbei, so traf man am Ausgang nach Lüben auf den Galgenberg. Uns allerdings berührte sein unangenehmer Name nicht, er gehörte schon in die Groß-Krichener Gemarkung. |
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In dieser Umgebung liegt unser liebes Dorf. Hier wurden die Klein Krichener geboren, hier lebten und hier starben sie. Als sie vor gut 60 Jahren eine eigene Schule bekommen sollten, sagten sie, das sei nicht nötig. Sie alle und ihre Eltern seien ja auch nach Lerchenborn gelaufen. Dorthin gingen sie fleißig zur Kirche, tauften ihre Kinder dort und wurden auf dem dortigen Friedhof begraben. So bestand eine besonders enge Verbindung zu diesem Nachbardorf.
Es gab auch einen Kriegerverein Klein-Krichen-Lerchenborn (nicht etwa umgekehrt).
Wir hatten eine Klein-Krichener Freiwillige Feuerwehr mit eigenem Spritzenhaus. Dagegen fehlte es, ohne daß es jemals unangenehm auffiel, an so "neumodernen" Einrichtungen wie Gesangverein, Schützenbund, Sportverein oder Sportplatz. Aber die ganz Alten waren noch zum Lichten gegangen.
Und natürlich lebten auch in Klein-Krichen ganz ausgesprochene Persönlichkeiten, die aber kaum außerhalb der Dorfgrenzen bekannt waren. Doch mag mancher vom alten Meister Kosch oder vom Horn-Schuster, vom Liebig-Karle und der selbstlosen Kranken-schwester Marie gehört haben. Die Klein-Krichener Bauern und Landarbeiter stellten keine hohen Anforderungen an das Leben, das sie in eine zwar schöne, aber harte, anspruchsvolle Landschaft hineingepflanzt hatte. Sie waren ungemein fleißige, gemüt-volle und gute Menschen. Für sie gab es weder Achtstundentag noch freies Wochen-ende. Aber sie waren mit ihrem Los, ihren Nachbarn und ihrem Heimatdorf zufrieden. Und so waren sie, wie es mir rückblickend vorkommt, glückliche, dankbare Menschen.
1914/18 - der 1. Weltkrieg hatte 11 Männer aus dieser Gemeinschaft genommen, die ihrem Gedächtnis einen schlichten Stein setzte. Niemand von uns weiß genau, wieviel Klein-Krichener der 2. Weltkrieg verschlang, der schließlich das Ende der ganzen Gemeinde bringen sollte.
Dr. Wichard Graf von Harrach in LHB 17/18/1956 |
Kriegerdenkmal Klein Krichen
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