Obergläsersdorf und die Familie Raabe
Im 19. Jahrhundert prägte die Gutsbesitzerfamilie Raabe die Geschicke Obergläsersdorfs für über 60 Jahre.
Im Jahr 1833 erwarb der vermögende Textilkaufmann und Schönfärber Christian Gottlieb Raabe (1767-1835) aus Löwenberg (Schlesien) von Graf Clairon d'Haussonville das Schloss und die gesamte Gutsherrschaft Obergläsersdorf und Boeckey. Verheiratet war Christian Gottlieb Raabe mit Caroline Henriette Raabe geb. Liebig (1787-1876). Beide entstammten alten schlesischen Familien von Gutsbesitzern und hohen Staatsbeamten.
Christian Gottlieb Raabe hatte jedoch nur kurz Freude an seinem Gut. Er starb knapp zwei Jahre nach dem Kauf. Nach seinem Tod erbte sein Sohn Hermann Christian Ernst Raabe (1812-1883) den gesamten Besitz. Er war verheiratet mit Luise Auguste Amalie Andreae, Tochter eines Rittergutsbesitzers und Regierungsbeamten der Finanzverwaltung aus Liegnitz (1818-1876).
Ihr Sohn, der an der damals frisch gegründeten Forstakademie Tharandt ausgebildete Oskar Raabe (1840-1907) übernahm Obergläsersdorf und Boeckey nach dem Tod seines Vaters. Vorher war er bereits als Amtmann und Pächter auf Boeckey eingesetzt worden.
In Oskar Raabes Zeit fiel neben einem Ausbau der forstlichen Nutzung auch der Aufbau einer Gutsbrauerei. Ebenso trugen eine Brennerei und eine Stärkefabrik zum wirtschaftlichen Ertrag Obergläsersdorfs bei. Zu dieser Zeit umfasste die gesamte Gutsherrschaft insgesamt 3749 Morgen Land (davon 1715 Acker, 364 Wiesen, 1660 Wald, 10 Wasser).
Er heiratete, der familiären Tradition folgend, Julie Raabe, geb. Neumann (1849-1883), die Tochter des Rittergutsbesitzers auf Kummernick, Robert Julius Neumann. Sie starb mit nicht einmal 34 Jahren im Jahr 1883 in Obergläsersdorf.
Oskar und Julie Raabe hatten vier Kinder, die auf Boeckey das Licht der Welt erblickten, die Söhne Ernst und Fritz sowie die Töchter Clara und Toni. Clara Raabe heiratete den Görlitzer Amtsarzt Sanitätsrat Dr. med Carl Scholz, Toni den preußischen Oberst Hubert von Fischer-Treuenfeld. Nachfahren der Familien der beiden Töchter leben noch heute.
Das Schicksal der Söhne Ernst und Fritz ist ungeklärt. Ernst Raabe fiel vermutlich als Unteroffizier der deutschen kolonialen Schutztruppe in Kunjas im damaligen Deutsch-Südwestafrika. Der passionierte Jäger Oskar Raabe kam Presseveröffentlichungen zu Folge 1907 bei einem Jagdunfall mit seinem Gewehr ums Leben und wurde in Lüben beerdigt.
Um 1896/97 gingen Schloss und Gutsherrschaft Obergläsersdorf und Boeckey an einen Zwischenerwerber namens Paul Fuhrmann-Karring über. Unklar ist uns bis heute, warum die Familie das Schloss verkauft hat. Eine Gerücht erzählt, dass das Schloss samt Familienvermögen verspielt worden sei. Genaues ist uns darüber aber nicht bekannt. In diese Zeit fällt ein Großbrand auf Obergläsersdorf, der etliche Wirtschaftsgebäude des Gutes (Brennerei, Speicher, Ochsenstall, Scheune) zerstörte oder schwer beschädigte. Das Schloss blieb weitgehend unversehrt.
Der gesamte Besitz wurde im Jahr 1899 an die Familie des Grafen von Ballestrem veräußert, die in den folgenden Jahren Schloss und Rittergut umfangreich erweiterten und umbauten. In meiner Familie existieren noch einige Ölgemälde und Fotos von Schloss und Familie aus dieser Zeit, von denen ich die folgenden Abbildungen zur Verfügung stelle.
Ekkehard Muntschick, Urenkel von Clara Scholz geb. Raabe, 2012