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Gedenken an Johann Heermann, Kirchenlieddichter aus Raudten
in Auszügen aus Lübener Heimatblatt 2/2011
"Alle Raudtener, die durch die evangelische Schule in Raudten gegangen sind, haben von unserem bekannten Kirchenlieddichter Johann Heermann, der in Raudten im Jahr 1585 geboren wurde, gehört. Im evangelischen Gesangbuch ist von ihm zu lesen: "Er war Pfarrer in Köben/Oder, heimgesucht von Schrecken des Krieges und Bedrängnissen der Gegenreformation. Nach einem bewegten Leben starb der bedeutendste Liederdichter zwischen Luther und Gerhardt im Jahre 1647 in Lissa (Polen).
Seine unruhige Lebensgeschichte, sein immenser Fleiß, denn er hinterließ mehrere hundert Kirchenlieder, sollten uns Verpflichtung sein."
Im Mai 2010 fand in Nassau wieder unser Heimatkreistreffen statt. Auch die Raudtener Gruppe versammelte sich an ihrem Treffpunkt. Lothar Marsch berichtete davon, dass Johann Heermann in Raudten geboren und aufgewachsen ist. Er schloss seine Ausführungen mit der Feststellung: "Johann Heermann ist der berühmteste Sohn Raudtens!"
In unserer Diskussion waren wir uns einig, dass dieser Tatsache Rechnung getragen werden muss, und beschlossen, dass eine Gruppe nach Raudten/Rudna fahren sollte. Man könnte eine Gedenktafel anfertigen lassen, auf der in Deutsch und Polnisch geschrieben steht: "Zum Gedenken an Johann Heermann, geboren 1585 in Raudten, gestorben 1647 in Lissa (Polen), deutscher Kirchenliederdichter. Gestiftet von ehemaligen Bewohnern der Stadt Raudten." Diese steinerne Tafel müsste dann an unserer ehemaligen evangelischen Kirche angebracht werden. |
Gerd Paeßler initiierte eine Geldsammlung, um die Kosten für das Projekt zu decken. Und dies ist uns gelungen. Inzwischen beauftragte Lothar Marsch einen Steinmetz in Offenburg/Baden, der sich zu der Herstellung der Gedenktafel bereiterklärte.
Nun ging es um die Frage: Werden die Polen gestatten, dass wir in ihrer jetzigen Kirche, die dem orthodoxen Glauben geweiht ist, eine evangelische Gedenktafel aufhängen? Es wurde uns erlaubt, die steinerne Tafel links neben dem Eingang, etwa zwei Meter vom Haupteingang entfernt, befestigen zu lassen! Dort ist sie gut zu sehen und zu lesen. Am Nachmittag des 20. November 2010 wurde die Gedenktafel in Rudna/Raudten unter großer Anteilnahme der Bevölkerung enthüllt. Wir Raudtener waren sehr beeindruckt. Später soll noch ein kleines kupfernes Dächlein über der Tafel angebracht werden, um sie besser vor dem Regen zu schützen...
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Die Einweihung der Gedenktafel am 20.11.2010 |
Zum Gedenken an Johann Heermann
* 1585 in Raudten † 1647 in Lissa
Deutscher Kirchenlieddichter. Gestiftet von ehemaligen Bewohnern der Stadt Raudten
* Ku pamięci * Johann Heermann
* 1585 w Raudten (Rudna)
† 1647 w Lissa (Leszno) -
niemiecki poeta -
twórca Pieśni kościelnych
byli mieszkańcy miasta Raudten
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Reinhard Fitzner, Pfarrer i. R., besuchte 2013 Raudten und entdeckte die Tafel mit dem inzwischen angebrachten Kupferdach. Ihm gilt ein herzliches Dankeschön für die beiden aktuellen Fotos. |
..Das Hauptereignis dieses Tages fand am Nachmittag im neu erbauten Kulturzentrum von Rudna statt: Eine Gedenkfeier zu Ehren Johann Heermanns, die von den polnischen Einwohnern Rudnas gestaltet wurde.
Im Mittelpunkt dieser Veranstaltung standen je ein wissenschaftlicher Vortrag über die theologischen Aspekte im Liedgut des Dichters sowie über den historisch-kulturellen Kontext seiner Schriftstellerei. Umrahmt wurden die Wortbeiträge durch die Bühnenfassung einer dramatisierten Szene über die Umstände der Geburt von Johann Heermann in der damals unwirtlichen Zeit in Raudten, wo Krankheit und oft auch der Tod Gast am Bett fast jeder Wöchnerin waren. Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Rudna hatten dieses Szenario eingeübt und für ihr begeisterndes Spiel viel Beifall von den Zuschauern erhalten. Schließlich brachte eine Sängergruppe von Rudnaer Bürgern zwei der bekanntesten Kirchenlieder Johann Heermanns zu Gehör, von denen einige Strophen auch im deutschen Originaltext vorgetragen wurden. Den Abschluss der Feierstunde bildete die Dankesrede, die Lothar Marsch im Namen der deutschen Besucher hielt. Inge Müller, LHB 2/2011 |
Auszüge aus der Ansprache von Lothar Marsch:
… "425 Jahre nach der Geburt des deutschen Dichters Johann Heermann, der vor allem ein Kirchenliederdichter war, haben wir allen Grund, einmal in seiner Geburts- und Heimatstadt Raudten seiner in aller Öffentlichkeit zu gedenken.
Es ehrt Sie, liebe Rudnaer Bürger, in meinen Augen ganz besonders, dass Sie es gewagt haben, einem deutschen Dichter diese Feierstunde zu widmen. Dass Sie darüber hinaus durch Ihr ganz persönliches Mitwirken diese Feierstunde gestalten und durch die Einladung führender Fachleute aus Literatur und Theologie auf ein wissenschaftliches Niveau gehoben haben, hätte eigentlich eine eigene Würdigung verdient. Auch dafür möchte ich Ihnen ein herzliches Wort des Dankes sagen.
Mir drängt sich aber in diesem Zusammenhang die Frage auf, warum ich selbst in meiner Lebenszeit nach meiner Erinnerung bisher noch nie eine solche Ehrung für Johann Heermann erleben durfte. War dazu z. B. im Jahre 1935, als seines 350. Geburtstages zu gedenken war, nicht Anlass genug?
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Lothar Marsch und Danuta Adamska |
Erlauben Sie mir daher einen kurzen Rückblick aus eigener Perspektive: Ich bin im Jahre 1934 in die damalige Johann-Heermann-Schule eingetreten, die seinerzeit eine gemäß der preußischen Verfassung konfessionell gebundene evangelische Volksschule war. Auf unserem Stundenplan stand daher auch evangelischer Religionsunterricht. Dieser wurde aber meines Wissens schon 1937 nach Errichtung des neuen Schulgebäudes, das den Rudnaer Schülerinnen und Schülern noch heute als Unterrichtsgebäude dient, ersatzlos gestrichen. Auch der Name Johann Heermann tauchte dann im Zusammenhang mit unserer Raudtener Schule nicht mehr auf. Das war sicher kein Zufall!
Die Bemühungen zur "Umerziehung des deutschen Volkes" durch die damaligen nationalsozialistischen Machthaber, die Deutschland von 1933 bis 1945 regierten, war meiner Meinung nach der Grund. Denn natürlich lag es nicht im Interesse dieses militaristischen und kriegslüsternen Regimes, einen Dichter zu feiern, der in seinen Gedichten und Kirchenliedern immer wieder den Krieg verdammt und den Frieden gepriesen hatte. Ja, der auch dazu aufgerufen hatte, Waffen zu zerstören, unter denen er und seine Zeitgenossen im Krieg so sehr gelitten hatten, wo man gerade begann, neue Waffen und noch fürchterlichere als damals zu schmieden.
Einen solchen Dichter zu ehren war in den Augen der Nazis nicht opportun, und so ist auch die Hintanstellung und das absichtliche Verschweigen bzw. Vergessen seiner Person und seines Werkes in damaliger Zeit zu erklären. Davon Gott sei Dank befreit, dürfen wir aber heute Johann Heermann feiern und sagen: Johann Heermann war als Raudtener Bürger wohl der bisher größte Sohn dieser Stadt…
Wie Sie aus dem Programm entnehmen können, wird im Anschluss an diese Feierstunde eine Gedenktafel von Johann Heermann an der Stadtkirche St. Katharina enthüllt, die gestiftet wurde von 21 ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Raudten. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Bürgermeister Władysław Bigus und Herrn Stadtpfarrer Sławomir Kondratiuk für die freundliche Genehmigung dafür.
Ein Name ist heute noch viel zu wenig genannt und überhaupt noch gar nicht richtig gewürdigt worden! Liebe Frau Adamska, diese Feierstunde verdanken wir vor allem Ihrer Initiative und Ihrem bewundernswerten Organisationstalent. Sie haben dafür gesorgt, dass der heutige Tag zu einem Meilenstein in der deutsch-polnischen Versöhnung und Verständigung in Rudna geworden ist. Nehmen Sie daher hiermit stellvertretend für alle ehemaligen Raudtener Bürgerinnen und Bürger meinen herzlichsten Dank entgegen."
Siehe auch Georg Thiel, Pilgramsdorfer Lehrer und Verfasser der Johann-Heermann-Novelle "Der silberne Kronreif".
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