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Raudten [1939]
Stadt, Kreis Lüben, 15 km, Post Raudten, 1901 Einwohner, 506 Haushalte, Flurgröße 1266 ha, 5 Ratsherren, hauptamtlicher Bürgermeister Joachim Butz, Fernsprecher Raudten 141, Landratsamt, Finanzamt, Versicherungsamt, Landkrankenkasse, AOK Lüben / Regierungsbezirk, Versorgungsamt Liegnitz / Arbeitsamt Liegnitz, Nebenstelle Lüben / Landgericht, Arbeitsgericht Glogau / Amtsgericht Steinau an der Oder / Standesamt, Schulgemeinde, Gendarmeriebezirk Raudten / nächster Personen-, Güterbahnhof Raudten 1 km. Vorhanden: Elektrisches Stromverteilungsnetz, 1 Volksschule
Aus: Alphabetisches Verzeichnis der Stadt- und Landgemeinden im Gau Niederschlesien mit den dazugehörigen Ortsteilen, Kolonien, Siedlungen usw., Kurt-Gruber-Verlag Wirtschaft Recht, Dresden, 1939
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Raudten [1913]
Stadt (mit Blockstation, Molkerei und Ziegelei): Kreis Amtsgericht Steinau (Oder) 17 km; Post Amtsbezirk Standesamtsbezirk evangelisches Kirchspiel katholisches Kirchspiel Raudten (Bezirk Breslau) Ort; Eisenbahnstation Raudten Süd 0,5 km; 1406 Einwohner
Raudten-Schmohl [1913]
Stadtteil von Raudten; [84 Einwohner]
Raudten Hauptbahnhof [1913]
[Queißen]: Kreis Steinau (Oder) 19 km; Post Raudten (Bezirk Breslau) Bahnhof; [146 Einwohner]
Raudten Südbahnhof [1913]
[Raudten]: Kreis Steinau; Post Raudten Ort 0,5 km; [7 Einwohner]
Raudten-Burglehn [1913]
Rittergut: Kreis Amtsgericht Seinau 18 km; Post Standesamtsbezirk evangelisches Kirchspiel katholisches Kirchspiel Raudten (Bezirk Breslau) Ort 1 km; Eisenbahnstation Raudten Süd 0,5 km; Amtsbezirk Alt Raudten; 91 Einwohner
aus: Alphabetisches Verzeichnis sämtlicher Ortschaften der Provinz Schlesien, Verlag Wilhelm Gottlieb Korn, Breslau 1913
Karte der Zugehörigkeit zum Kreis Steinau vor 1932
Raudten in einem Nachschlagewerk von 1845
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Gesamtansicht Raudten, ca. 1737. Kolorierter Kupferstich aus "Scenographia Urbium Silesiae" von F. B. Werner, bei Homanns Erben.
Raudten 1898: Rudolph's Hotel, Panorama der Stadt, Evangelische Kirche, Rathaus (damals noch Rathhaus geschrieben!)
1918 Steinauer Straße, Markt Westseite miit Fremdenlogis Ernst Gantke, Evgl. Kirche, Markt, Schloss Burglehn
Raudten 1921: Ring, Schloss Burglehn, Evangelische Kirche, Steinauer Straße, Ring
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Raudten
Die Stadt Raudten wurde in einem Tale angelegt, das im Norden und Süden von einer breiten Hügelkette umschlossen wird. Zwei Bäche fließen durch die Niederung, von denen der eine von Eisemost, Pilgramsdorf und Polach kommt und der andere von Koslitz und Jauschwitz. Unterhalb der Stadt Raudten vereinigen sich beide Bäche und nehmen das Alt-Raudtener Wasser auf. Kurz vor der Vereinigung der beiden Bäche erhebt sich ein Plateau, auf dem die neue Stadt erbaut wurde. Nach drei Seiten zu war die Stadt durch Sumpfniederungen gegen feindliche Angriffe geschützt, an der vierten Seite wurde das Schloß Burglehn erbaut, so daß die Stadt ringsum gesichert war. Das Schloß wurde überdies mit einem breiten Wallgraben umgeben.
In der Mitte des für die Stadt bereit gestellten Geländes wurde der rechteckige Markt abgesteckt. Von den Marktecken gingen zunächst je zwei Straßen nach dem Süde- und Nordtor, zwei weitere Straßen führten nach Osten und eine nach Westen. Die Stadt dehnte sich aber bald weiter aus. Es wurden außerhalb der Schutzgräben Wohnhäuser erbaut, wodurch die Vorstädte entstanden, die man Glogauer, Steinauer und Polkwitzer Vorstadt nannte.
Quelle: Heimatkalender Lüben 1942, S. 80
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Raudten 1905 Evangelische Kirche, Rathaus, Katholische Kirche, Schützenhaus, Hauptbahnhof, Ernst Fischer's Gasthof zu den drei Linden, Schloss Burglehn, Kaiserliches Postamt, Villa Seupel Bau- und Zimmermstr.; obere westliche, östliche, untere westliche Ringseite |
Raudten 1908 Polkwitzer Straße, Glogauer Straße, Obere Schlossstraße, Gesamtansicht, Marktplatz, Rathaus, Katholische Kirche, Evangelische Kirche, Gesamtansicht |
Raudten 1940: Katholische Kirche,Ring, Rathaus, Evangelische Kirche
1909 Oberglogauer Straße in Raudten.
Mit der aufschlussreichen Bitte der Verfasserin: " Leisten Sie doch meinem Mann etwas Gesellschaft, dass ihm nicht so langweilig wird." Allerdings ist die Karte an einen Herrn gerichtet! Also keine falschen Vermutungen!
Spaziergang durch Raudten
Eine Luftaufnahme mag den Vorteil haben, daß das in der Erinnerung schon stark verlorengegangene Gesamtbild unseres Städtchens neu vor uns ersteht. Man muß das Bild lange betrachten und geht tief in Gedanken versunken durch die einzelnen Straßen und überall begegnet einem lieb Vertrautes. In der linken oberen Ecke ist die Straße vom Bahnhof kommend sichtbar, die dann nach Brodelwitz abbiegt. Deutlich sind die beiden Villen zu erkennen.
Wir wandern stadteinwärts und kommen an den Häusern Lömker und Dr. Oltersdorf vorbei. Hier biegt die Steinauer Straße nach Mlitsch (Lüben und Steinau) und Altraudten ab. Schließlich sieht man auch die weit ausgedehnte Gärtnerei Gürich (später Jaschke). Hinter dem katholischen Friedhof führt die Straße zum Schmohl. So sind wir auch schon am Postamt angelangt und sehen die katholische Kirche vor uns, nachdem wir noch einen Blick zur Stadtmühle gerichtet haben.
Die Einbahnstraße bringt uns zum Ring, dem Mittelpunkt des Stadtbildes mit dem Rathaus, welches in der Wetterfahne die Jahreszahl 1771 trägt. Bei Möbel-Fiebig grüßt uns der hohe Zwiebelturm der evangelischen Kirche. Von dort aus - wie von Schneidermeister Drescher - kann man die Promenade mit dem Kriegerdenkmal erreichen.
An der evangelischen Kirche sehen wir deutlich die Johann-Heermann-Schule. Die schönen Kastanien boten den Schulkindern an heißen Tagen ein schönes schattiges Dach. Am Wagenplatz vorbei kommen wir zur Glogauer Straße, die dann nach Köben und Glogau abzweigt. Sichtbar sind noch die Wirtschaftsgebäude der Landwirtschaft Pfarr.
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Wir gehen zurück und kommen bei den beiden Reimanns (Schlossermeister und Friseur) vorbei und begeben uns zum Großsand, wo das Kindergartengebäude errichtet wurde und in Richtung Schützenhaus das neue Schulhaus.
An den Hinterhäusern des Ringes entlang überqueren wir die Polkwitzer Straße und gelangen auf das Burglehn. Schloß Burglehn ist auf dem Bilde noch dicht mit Bäumen bewachsen. Viele kennen Schloß Burglehn nur noch als RAD-Lager. Quer durch Burglehn streifen wir den evangelischen Friedhof und gelangen auf den Schmohl (auf dem Bilde oben rechts). Dort führt der breite Spazierweg hinter dem evangelischen Friedhof in Richtung Schmohl. Leider ist im Bilde die entstandene Fliederweg-Siedlung nicht enthalten.
Raudten, du bist zwar nur winzig, lieber bist du mir doch als manche Großstadt.
Georg Haase in LHB 8/1953 |
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Schloss Burglehn 1909
Schloss Burglehn 1910
Schloss Burglehn 1927
Luftaufnahmen:
Dieses Luftbild beschrieb Georg Haase als "Spaziergang durch Raudten" im Raudtener Rundbrief Nr. 8 vom 1.11.1952.
In der Mitte die Polkwitzer Straße. Sie mündet in die Kirchstraße und führt bis zur evangelischen Kirche. Links dahinter das Kriegerdenkmal in der Hermann-Söhnel-Anlage. Vorn nach rechts der Rinnersdorfer Weg. Dahinter der evangelische Friedhof. Dahinter das Gut mit Schloss Burglehn. Rechts führt die Bahnhofstraße zum Bahnhof Raudten/Queißen. Links oben ein Zug der Kleinbahn, der Polkwitzer!
Nach rechts unten Steinauer Straße. An ihrer Einmündung zum Ring die katholische Kirche. Rechts die evangelische Kirche, etwas links davon die evangelische Volksschule. Rechte obere Ecke Söhnelplatz mit Kriegerdenkmal. Vorn unten in der Mitte die Stadtmühle. Zwischen Stadtmühle und katholischer Kirche die katholische Volksschule. Links unten in der Ecke Schloss Burglehn, zuletzt RAD-Lager. Am Rand links die Haupt-Volksschule.
Das alte Raudtener Rathaus
Unser Rathaus war das Wahrzeichen des im Zentrum der Stadt gelegenen Marktes, wir nannten ihn Ring. Jedes Raudtener Kind wußte, daß das Rathaus auf Befehl des "Alten Fritz" erbaut worden war, wozu der König selbst den Bauplan hatte entwerfen lassen. Man erzählte, daß sich Friedrich der Große seinerzeit oft im Barschauer Stiftsgut aufgehalten habe, weil sich dort die berühmte Tänzerin Barbarina Campanini befand. Als das Rathaus in Raudten fertiggestellt war, soll der Alte Fritz, von Barschau kommend, den Bau besichtigt haben. Schon an der Ringecke soll er ausgerufen haben: "Das soll ein Rathaus sein? - Ein Taubenhaus habt ihr hingestellt!" Mit diesen mißbilligenden Worten gab er seinem Pferde die Sporen und ritt davon. Eine Erklärung für den unbefriedigenden Rathausbau wurde darin gesucht, daß der Bauherr in seine eigene Tasche gewirtschaftet haben soll.
Um das Rathaus, das in seiner Wetterfahne die Jahreszahl 1771 aufwies, spinnen sich mancherlei Gedanken und Erinnerungen. Allgemein bekannt ist, daß sich im Erdgeschoß der Ratskeller befand. Hier fanden sich die Ratsherren nach anstrengenden Sitzungen zum Dämmerschoppen zusammen. Aber auch für die Bürgerschaft war der Ratskeller eine gern aufgesuchte Gaststätte. Rechts vom Eingang zum Rathaus befanden sich in früheren Zeiten auch noch Gefängniszellen im Erdgeschoß. Hier wurden fragwürdige Bettler oder sonstige Landstreicher "eingebuchtet", bis sich die Richtigkeit ihrer Angaben erwiesen hatte. Aber mitunter waren auch "schwierigere Fälle" dort zeitweise hinter "schwedischen Gardinen", bis sie zu weiteren Verhandlungen vor die hohe Justiz nach Steinau oder Glogau weitergeleitet wurden. Bisweilen schliefen sich auch nächtliche Radaumacher dort ihren Rausch aus. In späteren Jahren verschwanden die Gefängniszellen, und es entstanden freundliche Geschäftsräume der Stadtsparkasse. Im ersten Stock des Rathauses befanden sich die Verwaltungsräume des Magistrats und das Standesamt. Für die äußere bürgerliche Ordnung im Stadtbereich sorgte Stadtwachtmeister Willi Sturm. Einige Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war um das Rathaus eine schöne Grünanlage gepflanzt worden, die sorgsam gepflegt wurde. Die Rathausfenster wiesen alle reichen Blumenschmuck auf. Bei Festlichkeiten von Vereinen und Verbänden war unser Rathaus oft genug der Mittelpunkt. Bei dem alljährlich stattfindenden Pfingstschießen war hier stets die Proklamation des Schützenkönigs. Vor dem Rathaus stand dann die Rednertribüne, von der in feierlicher Form der König proklamiert wurde. Und da das Pfingstschießen zu einem wahren Volksfest geworden war, nahm die ganze Einwohnerschaft daran teil.
Für die Kinder war das Rathaus etwas Besonderes. Die vier Rathausecken wurden zum Versteckspiel ausgenutzt. Wenn dann an den warmen Sommerabenden die Bürger des Ringes vor ihren Häusern auf Bänken oder Stühlen saßen, atmete alles eine friedliche Stille, nur das fröhliche Treiben der Kinder war vernehmbar.
Georg Haase, in LHB 5/1954
Rathaus Raudten, im Hintergrund Evangelische Kirche, Fleischerei Alfred Reimann, Sattlerei Franz Hirsch |
Raudten hat ein neues Rathaus -
Ob's Friedrich II. heute wohl besser gefallen würde?
Mit großem Interesse habe ich den Neu- bzw. Nachbau des Raudtener Rathauses verfolgt. Die Dokumentation kann ich allerdings nur anhand von Fotografien vollziehen. Im Frühjahr 1995 konnte man beobachten, daß das alte Fundament des Rathauses freigelegt wurde. Vergleicht man das alte Bild von 1910 mit dem heutigen Aussehen, so stellt man fest, daß der Eingangsgiebel um eine Etage höher gezogen wurde. Das Dachgeschoß ist ausgebaut und der Eingang, ursprünglich nur mit einem Torbogen versehen, hat jetzt drei. Die Fassade ist auch heute mit Quaderputz versehen. Der "Alte Fritz", auf dessen Anordnung und teilweise persönlicher Förderung das Rathaus damals gebaut wurde, hätte heute vielleicht mehr Gefallen daran gefunden. Das alte Bauwerk war nach des Königs Geschmack zu mickrig. Gerd Paeßler, LHB 2/1998 |
Rathaus Raudten im Jahr 2010. Dank an Piotr K.! |
Raudten etwa von der Brodelwitzer Chaussee aus. Links katholische, rechts evangelische Kirche. Dank an Horst Sauer für die Abbildung!
Erst in der Fremde haben manche Raudtener erkannt, welch sauberes, schönes Städtchen das kleine Raudten war. Die Einbahnstraßen, das neugeschaffene Freibad, die schöne Turnhalle mit Sportplatz und die neuen Siedlungen, sowie die neuerbaute Schule werden gewiß allen Raudtenern in Erinnerung bleiben. Die älteren Raudtener werden sich besonders gern an das alte Schloß Burglehn erinnern, ehe der Wallgraben verschüttet wurde. Dabei erinnern wir uns noch der Winterfreuden, da auf diesem Wallgraben der Schlittschuhlauf für alt und jung in vollem Gange war.
Unsere älteren Landsleute konnten uns so manche Sage erzählen, die von einer Generation auf die andere überging. So die Erzählung von der "Räderwiese" - die Verbindung der Stadt nach dem Schmohl. Auf dieser Wiese soll einst die Tochter eines alten Raubritters des Schlosses Burglehn, die sich zur christlichen Religion bekannt hatte, gerädert worden sein.
Raudten mit seinen drei Bahnhöfen ist als Eisenbahnknotenpunkt bekanntgeworden. Für den Ortsfremden war es allerdings oft nicht leicht, sich hier zurechtzufinden. Oft kam es vor, daß Reisende, die zum Städtchen Raudten wollten, zum "Hauptbahnhof" fuhren und somit in Raudten-Queissen landeten. Dann hieß es den halbstündigen Weg zurück zu wandern. Die Polkwitzer Kleinbahn, deren "Bimmeln" in Raudten nicht mehr wegzudenken war, hatte ihre Haltestelle in Raudten-Stadt und war für einen Ortsfremden überhaupt nicht auffindbar.
M. F. in LHB 6/1953
War M. F. vielleicht Margarete Friedrich (1903-1982), die Schwester der Wirtin des Gasthofs zum goldenen Löwen Eleonore Fiebig?!
Ost-Süd-Seiten des Rings von links: Schnittwaren Markus Jakob, Hotel Goldener Löwe, Evangelische Kirche, Möbelhaus Paul Fiebig, Bäckermeister Max Laufer, Apotheke Karl Grundmann, Damenhüte Paul Hühner, Haushaltwaren C. Wagner
Nördliche Ringseite: Fleischer Wiersing, Schuhmacher Fiebig, Elektromeister Ecke, Lebensmittel Georg Haase, Schneider Drescher, Konditorei Knefeli. Danke Piotr K.!
Evangelische Kirche und evangelische Volksschule Raudten im Jahr 1913
1912 Evangelische Friedhofskapelle in Raudten
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