Gedenkseite für Felix Stern und Wolfgang Leppmann aus Raudten
Raudten














Felix Stern (1884-1941)*

Dr. Christian Honey bewahrt die Erinnerung an Felix Stern, den jüdischen Neurologen, der enge verwandtschaftliche Wurzeln in Raudten hatte. Seine Vorfahren waren die jüdischen Raudtener Mediziner Leppmann. Sein Großvater war der Neurologe Artur Leppmann (1854-1921). Nach Felix Sterns Suizid wurde seine Asche seiner Cousine Elise geb. Leppmann (1898-1963) in Raudten übergeben, wo sie als einzige Überlebende der Familie Leppmann ihre Kindheit verbracht hatte, nur 20 Kilometer von Sterns Geburtsort Glogau entfernt.

Sein Onkel war der Slawist und Historiker Wolfgang Leppmann (1902-1943). Auch er wurde in Auschwitz ermordet. Felix Stern hatte ihm wie seinem Bruder Josef Stern Obdach in seiner Wohnung in Berlin Küstriner Str. 42 geboten. Beide wurden bald darauf von den Nazis deportiert und ermordet.

Eine Cousine von Felix Stern war Elise geb. Leppmann (1898-1963) aus Raudten. Sie überlebte das Konzentrationslager Theresienstadt bis zu seiner Befreiung. Ihrem Vater Georg Leppmann hatte das Raudtener Gut Burglehn gehört. Im "Lübener Heimatblatt" wird einmal behauptet, er habe das Gut in den 1930er Jahren "verkauft". Wir alle wissen, was das in Wahrheit bedeutete.

Einmal mehr empfinde ich Scham darüber, dass die NS-Verbrechen in der Lübener Heimatzeitung nicht wenigstens angeprangert worden sind. Man ahnt, dass hier Täter und Mitläufer schwiegen... Und man ist entsetzt, dass es heute wieder Antisemiten gibt...

* Über das Todesjahr der Ermordeten gibt es widersprüchliche Angaben.

Felix Stern (1884-1941)

Gedenkblatt der Erinnerungsstätte Yad Vashem für

Wolfgang Leppmann (1902-1943 in Auschwitz)



Über die in Raudten alteingesessene jüdische Familie Leppmann fand ich ein Zeugnis in der "Allgemeinen Zeitung des Judenthums" vom 15. Februar 1858 auf S. 107

Preußen
Raudten in Niederschlesien,
im Januar 1858 (Privatmitteilung)
Seit Jahren schon fungieren an der Spitze der hiesigen Stadtverordneten-Versammlung 2 Israeliten, die Herren
Dr. med. Leppmann und Kaufmann M. Story, Ersterer in der Eigenschaft als Vorsitzender und Letzterer als Protokollführer.
Bei den im Januar jeden Jahres vorschriftsmäßig vorgenommenen Neuwahlen wurden dieselben, was auch im Laufe dieses Monats ebenfalls der Fall war, von ihren christlichen Kollegen stets einstimmig wieder mit diesen Ehrenämtern betraut.
Berücksichtigt man nun, daß hiesiger Ort nur 7 jüdische Familien zählt, so verdient gewiß dieser Fall um so mehr hervorgehoben zu werden, als dadurch die Überzeugung gewonnen wird, daß Fähigkeiten und Verdienste um die Kommune, ungeachtet noch herrschender Vorurteile, anerkannt werden.


Neben dem Artikel von Dr. Christian Honey fand ich eine Biografie Felix Sterns in dem Buch von Anikó Szabó "Vertreibung - Rückkehr - Wiedergutmachung", in dem das Leben und Sterben Hunderter jüdischer Professoren der Universität Göttingen festgehalten wurden. Hier eine leicht gekürzte Fassung daraus über Felix Stern.

Kurzbiografie STERN, FELIX
Geb.-Datum: 5.4.(?).1884 in Groß Glogau, Schlesien
Todesdatum: 1941 (Suizid) in Berlin
Religion: evangelisch
Ethnische Zuschreibung: jüdisch
Staatsangehörigkeit: deutsch
Ausbildung: bis 1902 Wilhelmgymnasium Berlin
Studium: 1902-1907 Univ. Berlin, 1908 Staatsexamen
Promotion: 1909 Univ. Freiburg
Habil.: 1915 Neurologie, Univ. Kiel
Karriere: 1910-1920 Assistent, später PDoz., Univ. Kiel
1920-1928 Oberarzt an der Göttinger Nervenklinik
1920-1931 nb. ao. Prof. Univ. Göttingen
1928-1933 Leiter der Nervenabteilung der ärztlichen Untersuchungsstelle, Kassel
1935-1941 Privatpraxis, Berlin, Fach: Neurologe
Letzte Tätigkeit: nb. ao. Prof., Med. Fak., Univ. Göttingen
Entlassung: 22.9.1933 nach § 3 des BBG.
Rückkehr nach Deutschland an die Universität: 1941
Suizid wegen drohender Deportation.
Felix Stern wurde 1884 in Groß Glogau geboren. Bis 1902 besuchte er das Wilhelmgymnasium Berlin und studierte anschließend an der dortigen Universität Medizin. An der Universität Freiburg promovierte er im Jahr 1909 und an der Kieler Universität, wo er seit 1910 als Assistent arbeitete, habilitierte er sich 1913 im Fach Neurologie. Seit 1920 lehrte er als nichtbeamteter Professor an der Göttinger Universität und war bis 1928 Oberarzt an der Göttinger Nervenklinik. Anschließend übernahm er die Leitung der Nervenabteilung der ärztlichen Untersuchungsstelle in Kassel.

Seine Position in Kassel mußte Stern 1933 aufgeben und am 22. September des Jahres wurde ihm nach § 3 des BBG aufgrund seiner "jüdischen Abstammung" die Lehrbefugnis entzogen. Daraufhin ging er nach Berlin und eröffnete eine Privatpraxis. Stern erhoffte sich Hilfe von der Academic Assistance Council (AAC), der späteren Society of the Protection of Science and Learning (SPSL) in England.

Bereits im Jahr 1933 hatte Stern seine Unterlagen nach London gesandt, doch fand die SPSL keine Beschäftigung für ihn. Als die Society dann vier Jahre nichts von Stern gehört hatte, schrieb Esther Simpson, die Sekretärin der Hilfsorganisation, an seinen ehemaligen Kollegen in Göttingen, den Physiker James Franck, der inzwischen an der John Hopkins Universität in den USA lehrte, ob er über Stern Auskunft geben könnte.

Doch weder Franck noch andere Wissenschaftler wußten etwas über seinen Verbleib. Nach 1945 mußte das American Joint Distribution Committee in Berlin feststellen, daß er nicht zu den Überlebenden der Jüdischen Gemeinde von Berlin gehörte.

So wurde angenommen, er wäre deportiert worden. Aber tatsächlich hatte Felix Stern, als die Deportation drohte, im Jahr 1941 Suizid begangen. Die Universität Göttingen hatte keine Kenntnis von seinem Tod, als sie für die britische Militärregierung die Listen der im Nationalsozialismus entlassenen Hochschullehrer zusammenstellen mußte.

Der Dekan der Medizinischen Fakultät, Hans Joachim Deuticke, bemerkte zur Rückkehrmöglichkeit von Stern: "Da Herr Stern seit Herbst 1929 keine bezahlte Stellung mehr innehatte, kommt seine Rückkehr nicht in Frage, allenfalls die Wiederherstellung seiner Venia legendi*."

* (durch die Habilitation erworbene) Berechtigung, an wissenschaftlichen Hochschulen zu lehren