Karl Hermann Paul von Bredow (22.10.1893-9.8.1914)
Dr. Heinrich Brörken















Einem der sinnlos im ersten Weltkrieg geopferten jungen Männer aus Lüben - Karl von Bredow (22.10.1893-9.8.1914)- kann hier dank einem jungen Belgier gedacht werden! Am 26.10.2013 sandte Patrick Bailly aus Habay-la-Neuve (Belgien) mir Dokumente über den Tod des 20jährigen Dragoner-Leutnants Karl von Bredow aus Lüben, der am 9.8.1914 in der Nähe von Habay starb.
Leider steht mir kein Foto des jungen von Bredow zur Verfügung. Ich ersetze es durch das Gruppenfoto von vier jungen Dragonern, das der Lübener Fotograf Härttwig 1914 aufgenommen hat. Was für Kinder sie noch sind! Das Leben war ihnen noch ein Spiel wie späteren Generationen Ferienlager und Landschulheim; Kaserne anstelle von Jugendherberge; Pferde und Waffen gaben das Gefühl von Unbesiegbarkeit; Offiziere und der Traum von einem Mädchen motivierten zum Heldenmut.
Karl von Bredow war einer der ersten Toten des 1. Weltkrieges auf deutscher Seite. Millionen sollten es bis zum Ende werden. Und am Ende folgte ein weiterer Weltkrieg!

Hier die Dokumente mit einem herzlichen Dank an den Einsender und für Abschrift und Übersetzung an Peter Mietke!

1. Der Totenschein

Der Tod des Lübener Dragoners Karl von Bredow

"Im Jahr 1914, am 10. August um 10.00 Uhr vormittags, sind vor uns, Bauchux, Emile, Stellvertreter des Bürgermeisters und ziviler Staatsbeamter der Gemeinde von Habay-la-Neuve, Kanton Étalle, Provinz Luxemburg, erschienen: Grevisse, Francois, Alter 69 Jahre, Garde-Champêtre (Feldwächter), wohnhaft in Habay-la-Neuve, und Dupont, Edouard, Alter 56 Jahre, Garde-Champêtre wohnhaft in Habay-la-Neuve.
Jene haben uns erklärt:
Von Bredow, Charles Hermann Paul, deutscher Soldat im Alter von 20 Jahren, neun Monaten und 17 Tagen, geboren in Oldenbourg [Geburtsland fehlerhaft als Schweiz angegeben], wohnhaft in Stechow Kreis Westhavelland, unverheiratet, rechtmäßiger Sohn des Ehepaars von Bredow, Paul und Louise von Langermann und Erlenkamp, wohnhaft in Stechow, ist gestern, am Neunten dieses Monats um 7.00 Uhr abends, hier in der Gemeinde im Hause des Roten Kreuzes, verstorben.
Die Genannten haben das uns oben Erklärte und in dieser Akte Aufgeschriebene, nachdem es verlesen wurde, unterzeichnet. Unterschriften: Grevisse, Francois, Dupont, Edouard, Bauchux, Emile"

2. Artikel aus einer Zeitschrift
Von Bredows Kreuz bei Haut d‘Etalle

Es gab einmal ein kleines Denkmal, das dem Andenken an einen deutschen Soldaten gewidmet war, der im August 1914 in Habay verstarb. Dieses Kreuz befand sich in der Bahnhofstraße in Habay-la-Neuve auf Höhe des jetzigen Gebäudes "Väter der Heiligen Familie". Es ereignete sich tatsächlich in den ersten Tagen nach der deutschen Invasion, wie man später in Habay aufklären konnte.
Am Sonntag, dem 9. August 1914, erschienen gegen 17 Uhr ein Offizier und ein Soldat auf dem Grand Place in Habay. Mit gezogenem Revolver erteilte der Offizier einem Mann den Befehl, sie zum Bürgermeister zu führen. Auf dem Platz vor der Mairie (jetzt Café am Dreieck), wohin der Bürgermeister beordert worden war, um mit ihnen zu sprechen, wurden sie von drei französischen Kürassieren an der Einmündung der Paradies-Straße überrascht. Die beiden Deutschen drehten sogleich auf halben Wege um und nahmen den Bahnhofsweg, dicht gefolgt von den Franzosen. Letztere, immer zu Pferde, legten an, um zu schießen. Der deutsche Offizier wurde am genannten "Haute Etalle " schwer verwundet. Er wurde zum Roten Kreuz "Rosenkranz" gebracht, wo er kurze Zeit später starb. Dieser Offizier hieß Charles Herman Paul von Bredow, er war 20 Jahre, 9 Monate und 17 Tage alt und in Oldenburg [fehlerhaft Preußen zugeordnet)] geboren. Während die deutschen Truppen das Dorf anschließend besetzten, errichteten sie ein Denkmal zur Erinnerung an diesen Soldaten. Es wurde nach dem Krieg von den Dorfbewohnern zerstört.

La croix Von Bredow au Haut d'Etalle
Il s’agissait d’un petit monument dédié à la mémoire d’un soldat allemand mort à Habay le août 1914. Cette croix était située rue de la Gare à Habay-la-Neuve. à hauteur de l’actuel batiment des Pères de la Sainte Familie. C’est en effet quelques jours après l’invasion allemande que des éclaireurs firent leur apparition à Habay.
Le dimanche 9 août 1914 vers 17 heures un officier et un soldat arrivèrent à Habay, sur la Grand-Place. Sous la menace du revolver. l’ officier intima l’ordre à un homme de les conduire au Maire. Arrivés sur la place de la mairie (café du triangle actuellement) oú le bourgmestre qui avait été demandé venait pour leur parler, ils furent surpris par trois dragons français qui débouchèrent de la rue du Paradis. Les deux Allemands firent aussitôt demi-tour et prirent le chemin de la gare, talonnés par les Français. Ces derniers, toujours á cheval, se mirent á tirer. L’officier allemand fut grièvement blessé au lieu-dit “Haut d’Etalle”. Il fut emporté á la Croix-Rouge du Rosaire oú il mourut quelques temps aprés. Cet officier s’appelait Charles Herman Paul Von Bredow, il était âgé de 20 ans, 9 mois et 17 jours et né à Oldenbourg, [Prusse]. Lorsque les troupes allemandes occupèrent le village par la suite, elles firent édifier un monument à la mémoire de ce soldat. Il fut détruit après la guerre par les gens du village.
3. Zeitungsartikel vom 13.8.1914

Ein weiterer Artikel, der sich auf die Ereignisse am 9. August 1914 in Habay-la-Neuve bezieht, erreichte mich Anfang 2016. Erschienen ist er am 13. August 1914 in der belgischen Zeitung "Le Patriote". Herzlichen Dank an den Forscher Patrick Bailly und für die Übersetzung an Peter Mietke!

"WIE SICH DIE BELGIER UM IHRE VERWUNDETEN GEGNER KÜMMERN"
Hier ein Fall von Tausenden. M. de Pitteurs, Senator, beschwor in einem Telefonat den Kriegsminister im Namen der Humanität, schnellstens ein Fahrzeug des Roten Kreuzes mit Verbandsmaterial nach Habay la-Neuve zu schicken, wo sich eine Anzahl verwundeter Deutscher befände, die wegen mangelnder Krankenversorgung zu sterben drohten.
Daraufhin wurden schnellsten Ärzte und Schwestern mit Verbandsmaterial geschickt. Ein Leutnant und mehrere Dragoner waren aufgrund der Schwere ihrer Verletzungen nicht transportfähig. Unsere Ärzte und Krankenschwestern blieben bei unseren verwundeten Feinden, die nach Brüssel gebracht wurden, als es ihr Zustand erlaubte."
„Der Patriot“ vom 13. August 1914


4. Lübener Heimatblatt 13-19/1964

Welche Überraschung, als ich in Ausgaben des Lübener Heimatblattes aus dem Jahr 1964 die Kriegserinnerungen eines Zeitzeugen fand, der an den Tod des jungen Karl von Bredow erinnerte!

Eingeleitet werden die Erinnerungen durch Dietrich von Reinersdorff, damals Rittmeister und Chef der 5. Schwadron des Dragoner-Regiments von Bredow:

Ende Juli 1914 befand sich das 4. Dragoner-Regiment von Bredow auf dem Marsch von Lüben nach dem Truppenübungsplatz bei Posen. Als die 5. Schwadron am 29. Juli 1914 aus ihrem letzten Marschquartier, einem großen Gutshof, auszurücken im Begriff stand, traf der Befehl des Regiments ein, im Quartier zu bleiben und dort weitere Befehle abzuwarten. Nach alledem, was in den Zeitungen über die Zuspitzung der außenpolitischen Lage gestanden hatte, war es nicht schwer, die Ursache für diese plötzliche Maßnahme zu erraten. Nach einigen Stunden gespannten Wartens traf dann auch der Befehl zur Verladung des Regiments auf Bahuhof Posen und zum Rücktransport in die Garnison Lüben ein. Die ganze Deutsche Wehrmacht wurde in den Zustand der "drohenden Kriegsgefahr" versetzt.
Am 1. August 1914 traf der Mobilmachungsbefehl ein mit der Angabe, daß der 2. August 1914 der 1. Mobilmachungstag sei. An diesem Sonntag fand von 11 bis 12 Uhr auf dem Reitplatz der großen Kaserne ein evangelischer Feldgottes dienst mit anschließender Abendmahlsfeier statt, an der auch die Angehörigen der Soldaten teilnahmen. In der Nacht vom 3. zum 4. August begann die Verladung des Regiments und der Abtransport ins Aufmarschgebiet an der Westgrenze.
Die von mir geführte 5. Schwadron fuhr als letzte am 4. August 1914 um 6.32 Uhr von Lüben ab.
Die Fahrt quer durch das geliebte und nun bedrohte deutsche Vaterland über Glogau - Cottbus - Eilenburg - Weißenfels -Bebra - Kassel - Gießen - Koblenz nach Trier wird jedem, der sie mitgemacht hat und noch heute unter uns weilt, unvergeßlich sein. Das ganze deutsche Volk in allen seinen Gauen und allen seinen Schichten, das sich von Feinden umklammert und bedroht fühlte, war damals in Begeisterung und opferfreudiger Vaterlandsliebe aufgeflammt und zeigte sich überall, wo man auch hinkam, so einmütig entschlossen, daß uns Dragonern warm und leicht ums Herz wurde und wir mit Mut den kommenden Ereignissen entgegengingen.
Natürlich war der Abschied von den geliebten Angehörigen schwer gewesen, und es gehörte eine große, tiefe Vaterlandsliebe und viel Gottvertrauen dazu, um den Trennungsschmerz mit dem ungewissen Ausgang zu überwinden.

Dietrich von Reinersdorff, Lübener Heimatblatt 13/1964



Es folgen Auszüge aus den Erinnerungen des Dragoners Richard Hübner, der Karl von Bredow kannte:

Gegen 11 Uhr erreichten wir Martelange, wo viel Volk auf der Straße war und uns finster anstarrte. Auf meine Frage an einen Einwohner, ob feindliche Truppen hier gesehen worden seien, erwiderte er, daß am Tage vorher 60 französische Kürassiere durchgeritten seien.
Es erschien uns wenig glaubwürdig. Mit schußbereiten Pistolen und Karabinern im Arm, nebeneinander reitend, bahnten wir uns einen Weg durch Volksmenge, froh, daß wir unbehelligt blieben. Hinter Langendorf ritten wir dann im Schritt, nach allen Seiten Ausschau haltend. Gegen l Uhr waren wir der bewußten Höhe heran und sahen einem Waldrand einen Mann mit einer Lanze winken. Durch Fernglas stellte ich fest, daß es unsere Kameraden waren.
Um 5 Uhr ritt Leutnant von Bose mit uns in Fauvillers ein. Es war ein kleines Städtchen, der Markt mit Gras bewachsen, machte einen friedlichen Eindruck. Sicherungen wurden ausgestellt und die Pferde gefüttert. Um 6 Uhr nachmittags kam die Schwadron an. Neue Sicherungen ausgestellt und Spähtrupps entsandt.
Bevor wir Alarmquartier bezogen, sagte Graf Königsmarck in humorvoller Weise zu Fahnenjunker Graf Bredow, er solle mit dem Gefreiten Schwarz mal ein Stückchen vor die Stadt reiten und sich 'mal etwas umsehen. Lächelnd rief er ihm noch nach: "Sie haben ja in diesem Krieg noch nichts getan!"
Beide Kameraden kamen nicht mehr wieder, sie konnten auch in der Nacht nicht gefunden werden. Am andern Morgen, als es hell wurde, fanden wir beide einige Kilometer vor der Stadt in einem Gebüsch tot auf. Von Franktireuren waren sie hinterrücks ermordet worden*. Pferde, Waffen und Sattelzeug waren weg. Die beiden Kameraden hatten sich zu weit vorgewagt.
Dieser herbe Verlust zeigte uns nun schnell den Ernst des Krieges an...

Richard Hübner, Lübener Heimatblatt 14-19/1964
* Die Beschreibung der Todesumstände stimmt nicht mit den offiziellen Dokumenten überein. Kriegsgegner sind wohl in den seltensten Fällen zu objektiver Berichterstattung fähig. H. T.