Die Familie des Pflegers Franz Marek
Schulrat Ludwig Martwig (1873-1955)














hinten, von links: Paul, Elisabeth (genannt Elsa), Josef, vorn: Waldemar, Anna, Gerhard, Franz Marek

hinten, von links: Paul, Elisabeth (genannt Elsa), Josef, vorn: Waldemar, Anna, Gerhard, Franz Marek

Franz (1885-1966) und Anna Marek (1889-1968) stammten aus Oberschlesien. Von den sechs Kindern der beiden Eheleute wurden vier in Rybnik geboren. Nach der Abstimmung in Oberschlesien 1921 mußte auch die Familie Marek ihre oberschle-sische Heimat verlassen und kam nach Leubus (Kr. Wohlau). Dort wurden die Söhne Ewald, der jedoch früh verstarb, und Waldemar geboren. Im Jahre 1925 zog die Familie Marek nach Lüben, wo Franz Marek an der Heil- und Pflegeanstalt als Pfleger tätig war.

hinten: Josef und Paul, davor Anna, ein Onkel, Josef, Elsa, vorn: Waldemar und Gerhard

hinten: Josef und Paul, davor Anna, ein Onkel, Franz, Elsa, vorn: Waldemar und Gerhard

Die ersten beiden Fotos stammen aus der Zeit, als die Familie noch in der Siedlungsstraße wohnte, wo den Pflegerfamilien modernste Wohnungen mit Garten und Laube zur Verfügung standen. Die sieben Beamtenhäuser wurden von den Lübenern "die sieben Kurfürsten" genannt.

Im Jahre 1937 baute Franz Marek in der Hindenburgstraße 31 kurz vor dem Bahnübergang vor der Heilanstalt ein Haus für seine Familie.

Mareks Haus in der Hindenburgstr. 31

Mareks Haus in der Hindenburgstr. 31

Franz und Anna Marek auf ihrem Grundstück

Franz und Anna Marek auf ihrem Grundstück
Das Glück schien eine Weile vollkommen... Die Familie war tiefgläubig und gestaltete ihr Leben nach den Regeln des katholischen Glaubens. Waldemar, der jüngste Sohn besuchte die katholische Volksschule, die älteren Söhne erlernten Berufe, Elsa lernte schneidern...

Dann brach der Krieg in die Idylle des Familienlebens ein. Die vier Söhne wurden eingezogen. Einzige Sorge der Angehörigen war, dass sich eines Tages alle gesund wieder daheim einfinden würden. Aber das völlig Unerwartete geschah. Man verlor zum zweiten Mal die Heimat und alles Geschaffene.

Beim Einmarsch der sowjetischen Armee jedoch kam Franz Marek seine Herkunft aus Oberschlesien auf unerwartete Weise zugute! Er beherrschte den dort gesprochenen schlesischen Dialekt, eine Mundart des Polnischen. In den letzten Kriegstagen hielt er sich mit einigen Kranken in den Gängen der Heizungskanäle unter dem Gelände der Heilanstalt auf. Als die Russen dort eindrangen, klärte er sie auf, dass sich um eine psychiatrische Einrichtung mit den entsprechend Kranken handelte. Seitdem wurde Franz Marek zum Dolmetscher und Verbindungsmann zwischen den verbliebenen Deutschen und der neuen sowjetischen Besatzungsmacht, später den polnischen Behörden. Als sich die Kriegshandlungen beruhigten, erhielt Franz Marek den Befehl, die herumlaufenden Kranken zu sammeln und sich ihrer anzunehmen. Später wurden Sammeltransporte zusammengestellt, um die übriggebliebenen Kranken nach Deutschland-Ost-und-West zu bringen.

Seine Arbeit bewahrte ihn nicht vor dem Verlust seines Eigentums. Er und seine Frau, beide fast 60 Jahre alt, mussten ihr Häuschen verlassen und mit anderen Deutschen in ein Haus am Windmühlenberg einziehen. In dieser Zeit kümmerte sich Franz Marek um vieles, was mit dem Kriegsende in Verbindung stand. Dazu gehörten Berge von Post, die über deutsche Kriegsgefangene in aller Welt informierte, meist waren die Angehörigen nicht mehr da. Er versuchte mit viel Geschick, diese Informationen weiterzuleiten oder wenigstens aufzuheben, um sie später Angehörigen zu übergeben. Aus Trümmerhaufen holte er Papiere hervor, wie Versicherungsunterlagen, Grundstücksakten, Personalunterlagen. Franz Marek nahm einfach alles, was er fand und für wichtig hielt, zunächst erst einmal an sich und half später, die Eigentümer zu finden und die Papiere zu übergeben.

Immer wieder bat Franz Marek vergeblich darum, in sein Haus einziehen zu dürfen. Eine Zeitlang durften er, seine Frau und Tochter Elsa im Haus von Drogerie Senftleben (an der Ecke neben Zigarren-Thomas) in der Liegnitzer Straße Nr. 2 wohnen. Die Söhne waren aus Kriegsgefangenschaft nach Deutschland entlassen worden. Lubin war jetzt Teil Polens. Dorthin durften sie nicht "zurück". Und die Eltern durften Polen nicht verlassen. Der Krieg hatte die Familie zerrissen.

Was einigen Lübenern als Verrat erschien, war doch nur der Lauf der Welt... Elsa verliebte sich in Bronek Kostka und Anfang der 1950er Jahre heirateten die beiden. Diese Verbindung trug dazu bei, dass Familie Marek wieder in ihr selbsterbautes Haus - jetzt ul. Marii Skłodowskiej-Curie 33 - einziehen durfte. Es steht noch heute! Und gehört immer noch den Nachkommen von Franz und Anna Marek! Bis 1989 war dieses Haus Anlaufstelle für unzählige ehemaliger Lübener, die Hilfe brauchten, um sich zu verständigen, um Dokumente zu erlangen, um Antworten auf ihre Fragen zu bekommen.

Mareks Haus um 1970
Nach dem Ende des kommunistischen Systems konnte auch Elisabeth Kostka, inzwischen Witwe, zu ihren beiden noch lebenden Brüdern Waldemar und Josef nach Deutschland umsiedeln. Herzlichen Dank den drei Geschwistern Marek für die Mitwirkung an dieser Website. Leider können aus der Lebensgeschichte der Familie hier nur kurze Ausschnitte gebracht werden. Aber auch sie machen deutlich, was geschehen ist und welche Schicksale diese Generation zu bewältigen hatte.