|
Mein Weg zurück nach Lüben
Mein Name ist Paul Schubert. Ich bin Kanadier und, wie einer von zehn meiner Landsleute, ein stolzer Nachkomme deutscher Vorfahren. Auf dieser Website können Sie die Geschichte meines Urgroßvaters, Paul Wucherpfennigs finden, der 1882 die Freiwillige Feuerwehr Lüben gründete. Mein späterer Großvater Georg Hermann Paul war damals 3 Jahre alt.
Nachdem ich davon hier auf lueben-damals.de las, habe ich auch entdeckt, dass ich aus einer langen Linie von Meister-Schornsteinfegern komme, dass meine Lübener Familienmitglieder in Kirche, Politik und Kultur aktiv waren und im Deutsch-Französischen Krieg und im Ersten Weltkrieg dienten. (Wenn Sie alle Erwähnungen der Wucherpfennigs auf dieser Website lesen wollen, geben Sie in das Suchfeld auf der Startseite den Namen ein!) Mein Weg zu meinen Entdeckungen war lang und verschlungen. |
Meine Großeltern emigrierten 1907 nach Kanada. Sie arbeiteten hart, um ein Stück Wildnis im nördlichen Saskatchewan in anbaufähiges Ackerland umzugestalten. Nach mehreren Jahren waren sie stolze Landbesitzer. Leider war ihre Ehe nicht von Dauer. Georg verließ 1915 seine Frau, ihre sechs Kinder und die Landwirtschaft. Man vermutete, dass er in die USA gegangen war. Auf jeden Fall hörte man niemals wieder von ihm.
Meine Großmutter, eine starke und stolze Frau - ursprünglich aus Bayern - arbeitete unermüdlich, um für ihre Kinder zu sorgen und die Familie zusammenzuhalten. Verständlicherweise wurde Georg zum Tabuthema für die ganze Familie. Es war eine Angelegenheit von großer Scham. Er wurde zum Familiengeheimnis und Lügen wurden erzählt, um die ganze Sache zu vertuschen.
Mein Vater, der jüngste der Geschwister (geboren 1912), hatte keinerlei Erinnerungen an seinen Vater. Und wie seine Brüder und Schwestern wusste er nicht, was aus ihm geworden ist. Auch über die Herkunft seines Vaters oder der Familie aus Deutschland hatte er absolut keine Ahnung. Inzwischen gibt es viele Nachkommen von Georg Wucherpfennig. Aber noch vor einer sehr kurzen Zeit wussten wir so gut wie nichts über ihn. |
Georg H. P. Wucherpfennig (1879-1924) |
Meine Reise zurück nach Lüben begann 2011 mit einer einfachen Internet-Suche. In einem Moment bloßer Neugier tippte ich "Georg Wucherpfennig" ein und drückte "Eingabetaste". Ohne mehr Bemühung als das und zu meinem größten Erstaunen wurde ein Hauptteil des jahrhundertalten Geheimnisses über meinen Großvater sofort gelöst. Auf meinem Bildschirm erschien, wie eine Erscheinung, eine Fotografie aufgenommen 1920: Georg mit einer zweiten Frau in Chicago.
Das Foto war vor kurzem in einen Stammbaum eingetragen worden, von einem Urenkel dieser zweiten Familie, die im nordwestlichen Teil der Vereinigten Staaten lebt. Ich setzte mich sofort mit ihm in Verbindung und war glücklich zu erfahren, dass er ebenso wie ich daran interessiert war, Informationen auszutauschen. Keiner von uns hatte von der Familie des anderen gewußt oder dass unsere beiden Familien in irgendeiner Weise verbunden waren. Allmählich erfuhr ich, was mit Georg geschehen war, nachdem er Kanada verlassen hatte. Aber leider warf diese Entdeckung nicht mehr Licht auf seine Ursprünge in Deutschland. Er starb 1924, und seine zweite Familie wußte nicht mehr als ich über sein früheres Leben. Mein neu gefundener Freund und Vetter und ich entschlossen uns, zusammenzuarbeiten, um Georgs Vergangenheit aufzudecken, eine Aufgabe, die sich schwieriger als vorausgesehen erwies.
Von einem frühen Punkt in unserer Forschung schien es mir, dass es etwas Seltsames im Verhalten von Georg gab. Ich fing an zu vermuten, dass er es während seiner Zeit in Nordamerika absichtlich vermieden hatte, seine Vergangenheit zu enthüllen. Er hatte überraschend schnell seinen eigenen Familiennamen Wucherpfennig abgelegt und den Nachnamen meiner Großmutter "Schubert" angenommen. Er behielt diesen Namen sogar, nachdem er sie verließ. Schubert, nicht Wucherpfennig, ist der Name, den er seiner zweiten Familie gab. |
Auf offiziellen Dokumenten, die verlangten, seine Herkunfts- oder Geburtsstadt anzugeben, schrieb er stets nur "Germany". Sogar auf seiner Sterbeurkunde, die von seiner zweiten Frau bezeugt wurde, wurde seine Geburtsstadt mit "unbekannt" angegeben. Seltsam, dass eine Frau nicht den Geburtsort ihres Mannes kennen sollte. Warum das alles?
Nach fast zwei Jahren der Suche, ich war schon so weit, das Projekt aufzugeben, kontaktierte mich mein Forschungspartner aus den USA mit Nachrichten, dass er ein Dokument gefunden habe, auf dem Georg "Lübesse" als seinen Geburtsort in Deutschland erwähnt hatte. Das Dokument war eine Sterbeurkunde für die als Säugling verstorbene Tochter seiner zweiten Familie. Ich war natürlich sehr aufgeregt über diese Nachricht und setzte mich sofort mit dem Standesamt dieser Stadt in Mecklenburg-Vorpommern in Verbindung. Meine Aufregung wurde zur Enttäuschung, als mir gesagt wurde, dass dort keine Spur von Georg in den Aufzeichnungen zu finden sei.
Ich warf noch einmal einen genaueren Blick auf die Urkunden über seine Tochter. Zu meiner Überraschung fand ich, dass es zwei separate Sterbeurkunden gab! Auf einer war klar und deutlich "Lübesse" geschrieben... Aber auf der anderen stand unbezweifelbar deutlich der Ortsname "Lüben"! Wieder mit großer Aufregung und Vorahnung setzte ich mich in Verbindung mit dem Standesamt für das einzige Lüben, das ich in Deutschland finden konnte: Lüben bei Wittingen. Wieder war ich enttäuscht zu hören, dass keine Datensätze über meinen Großvater gefunden werden konnten. Doch die Beamtin, die mir antwortete, war ein äußerst fleißige und hilfsbereite Dame. Sie bemerkte, dass ich vielleicht im falschen Land suchte. Mir wurde eine kurze Geschichtsstunde gegeben und schließlich wurde ich auf Lubin in Polen hingewiesen. Sie schlug auch vor, dass ich vielleicht den Namen Wucherpfennig auf einer Website namens Lueben-damals.de suchen sollte!
Dort - hier auf dieser Website - fand ich die Geschichte meines Urgroßvaters! Sogar in der bekannten Chronik des Pastors Konrad Klose wird er zweimal erwähnt! Ich wusste gleich, dass es mein Urgroßvater war, weil die Heiratsurkunde meiner Großeltern aus dem Jahr 1904 zeigte, dass Georgs Vater Paul hieß und dass er Schornsteinfeger war. Endlich Erfolg!
Mit der Kenntnis der Wurzeln meines Großvaters in Lüben, bin ich imstande gewesen, andere Quellen zu nutzen, einschließlich der Archive in Polen und Deutschland, um ein besseres Verständnis für meinen Großvater und seine Familie zu entwickeln.
|
Geburtsurkunde von Georg Wucherpfennig |
Ich glaube, dass die Wucherpfennigs eine gute und ehrenhafte Familie waren. Jedoch ist dieses Bild etwas schwierig damit zu versöhnen, was ich speziell über Georg erfahren habe. Ich weiß jetzt den Grund, warum er Deutschland verlassen, und vielleicht auch, warum er seine Vergangenheit verborgen hat. Der "Öffentliche Anzeiger" berichtet im Februar 1902 aus Kiel, dass mein Großvater - kurz vor seinem Prozeß wegen einer Anklage wegen Diebstahl - aus dem Polizeigewahrsam entkam. Er flüchtete sofort nach England, wo er meine Großmutter kennenlernte und heiratete, bevor sie beide nach Kanada emigrierten. Diese Geschichte bewahrte er bis zu seinem Tod als sein Geheimnis.
Aber sie ist in keiner Weise außergewöhnlich, besonders nicht im Vergleich mit den tragischen und weltbewegenden Ereignissen, die Lüben und seine Bewohner während des letzten Jahrhunderts überwältigten. Sie ist mir natürlich wichtig, weil es die Geschichte meiner Vorfahren ist, und weil es mich und meine Kinder mit einem Ort verbindet, von dem ich bis vor kurzem nicht gehört hatte, und mit einer Geschichte, die ich immer noch kennenlerne.
Ich möchte allen Familienforschern Mut machen, bei Schwierigkeiten nicht aufzugeben. Meine Recherchen beweisen, dass es - besonders im Internetzeitalter - möglich ist, die Wurzeln unserer Familien zu finden. Meine aufrichtige Anerkennung für die Gestalterin dieser ausgezeichneten Website, die mir eine unschätzbare Hilfe gewesen ist!
Mit freundlichem Gruß aus Ottawa, Kanada, Paul Schubert
(P. S. Ich gebe diesen Dank gern zurück, denn Paul Schubert hat eine Enkelin meiner Urgroßmutter Louise Stein ausfindig gemacht, von der ich nur wusste, dass ihre Eltern in den 1950ern von Gröditzberg nach Kanada ausgewandert waren! Was für ein schönes Ergebnis unserer Zusammenarbeit! Heidi)
|
|
|