Barbara Campanini (1721-1799)
Barschau














Barberina,  im Arbeitszimmer Friedrichs II. im Berliner Stadtschloss

Das gräfliche Campaninische Fräuleinstift zu Barschau
von Ernst Schroeckh

Still und verträumt lag au der nördlichen Kreisgrenze "im schönsten Wiesengrunde" das kleine Dörflein Barschau. Als der Schreiber dieser Zeilen 1931 dort ansässig wurde, gehörte ein Auto, das sich einmal dahin verirrte, noch zu den von jedermann beäugten Dingen. Elektrisches Licht gab es noch nicht, und eine Chaussee führte etwa 1 km südlich am Dorfe vorbei. Die "Polkwitzer Kleinbahn", die alle Tage zweimal "durchbrauste", war die Verbindung zur großen Welt. Das Postauto hielt zweimal täglich am Pilgramsdorfer Straßenkreuz und die Buch-Erna mußte bei Wind und Wetter dort ihren Posten beziehen.
"Kein Klang der (damals schon) aufgeregten Zeit drang noch in diese Einsamkeit!" Und doch - "an schönen Sommertagen, wann lau die Lüfte wehn", sahen wir manchen Wandersmann, manche Schulklasse und nicht zuletzt unseren lieben Gustav Zingel mit seinem Gesangverein
am Himmelfahrtstage bei uns zu Gaste. Nicht allein die Stille war es,
die den Wandersmann lockte.

Unser Dörflein war durch das Campaninische Fräuleinstift bekannt geworden. Was mir nun aus der Geschichte davon in Erinnerung geblieben ist, soll hier festgehalten werden. Vorausschicken muß ich, daß über die Person der Barberina, die Gründerin der Stiftung, mehrere pikante Romane geschrieben worden sind, die den historischen Sach-verhalt arg entstellen. Nur ein Buch, das sachlich blieb, ist mir in die Hände gekommen. Nach diesem, dessen Inhalt ich in der Ortschronik kapitelweise festgehalten hatte, berichte ich.

Zunächst einiges über die Person der Stifterin. Barberina Campanini wurde 1721 als zweite Tochter eines Schuhmachers in Parma (Italien) geboren. Der Vater hatte an der Erziehung seiner Töchter kein Interesse. Der Trunk war sein Lebens-zweck. Um so mehr aber war die ehrgeizige Mutter darauf bedacht, aus ihren Töchtern etwas zu machen. Frühzeitig entdeckte sie die tänzerische Begabung ihrer zweiten Tochter und schickte sie auf eine Ballettschule nach Florenz.
Die talentierte Schülerin fand großherzige Gönner, und so konnte Barberina nach abgeschlossener Ausbildung sich an die Oper nach Paris verpflichten, gehörte doch ein gutes Ballett damals zu jeder Oper. Der König, Fürsten und Kardinäle lagen Barberina zu Füßen und überhäuften sie mit Reichtümern. Als ihr der Boden in Paris zu heiß wurde, ging sie auf etwa ein Jahr nach London. Doch Paris lockte, Paris war für sie der Inbegriff des Lebens geworden.

Dieser zweite Aufenthalt in Paris sollte eine gründliche Wende in ihrem Leben bringen. Friedrich der Große hatte in Potsdam seine Oper gebaut. Sein Ehrgeiz suchte nach den besten Kräften dafür. Von seinem Pariser Gesandten erfuhr er von dem Talent der Barberina. Sein Befehl an diesen lautete, unverzüglich mit der Barberina einen Vertrag für Potsdam abzuschließen. Eine fürstliche Gage lockte Barberina, und sie schloß ab. Doch bald überkamen sie Bedenken. Sie verspürte keine Lust mehr, nach dem so korrekten Preußen zu gehen, zog es lieber vor, von Paris nach Venedig zu fliehen, und glaubte sich dort sicher. Doch sie hatte nicht mit dem Eigenwillen Friedrichs gerechnet. Die Republik Venedig hatte zu dieser Zeit gerade zwei Gesandte nach London unterwegs. Als diese preußisches Gebiet durchreisten, ließ Friedrich sie kurzerhand festsetzen. Venedig bekam die Aufforderung, Barberina auszuliefern, erst dann würden die Gesandten wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Was blieb Venedig übrig, als nachzugeben. So reist Barberina 1744 unter Begleitung einer preußischen Husareneskorte über Wien - Breslau nach Potsdam.

Schloss Barschau zur Zeit Barberinas

Schloss Barschau zur Zeit Barberinas

Von 1744-1746 war sie nun in Potsdam au der Oper tätig. Oft war sie in Gesellschaft des Königs. Er liebte ihre geist-sprühende Unterhaltung und wie sie zu parieren verstand. Was über das persönliche Verhältnis der beiden in Romanen gesagt wird - man will sie als Maitresse des Königs wissen - ist dichterische Freiheit und geschichtlich nicht bewiesen.

In das Jahr 1746 fällt wieder eine Entscheidung in Barberinas Leben. Der Sohn des Großkanzlers Cocceji ist von der bezaubernden Schönheit der Barberina (wer ihr Bild im Schreibzimmer Friedrichs II., im Raum 6 des Berliner Stadtschlosses, gesehen hat, wird ihm recht geben) so hingerissen, daß er ihr auf offener Szene einen Heiratsantrag macht. Barberina fällt dadurch beim König in Ungnade, er und der Großkanzler vorweigern die Genehmigung zur Eheschließung. Die Liebenden aber finden einen katholischen Priester, der sie traut. Wer es tat, wann und wo die Trauung stattgefunden hat, ist nie bekanntgeworden. Die beiden zürnenden Gewaltigen verbannten den jungen Ehemann als Regieruugspräsidenten nach Glogau. Dort lebte das junge Paar im Schloß an der Oder. Der junge Mann fand jedoch nach einigen Jahren Gefallen an einer Glogauer Bäckersfrau und vergaß, daß da im Schloß seine Frau weilte - und wartete. In dieser Zeit durchlebte Barberina eine innere Umwandlung.

Sie beschloß, ihre Ehe zu lösen und in die Einsamkeit zu gehen. Nach ausgesprochener Scheidung erwarb sie mit ihrem für die damalige Zeit recht beträchtlichen Privatvermögen die drei Rittergüter Porschütz (Kr. Glogau), Barschau und Polach (Kr. Lüben). Diese Güter sind niemals ein Geschenk Friedrichs gewesen, wie manche Schriftsteller sagen. Barberina wählte als Wohnsitz Barschau, ein Renaissanceschloß in einem nach dem Vorbild von Versaille angelegten Park.

Ihr Wunsch, in den Gräfinnenstand erhoben zu werden, wurde ihr von Friedrich II. trotz mehrfacher Gesuche nicht erfüllt. Erst unter dessen Nachfolger kam sie an das Ziel ihrer Wünsche. Sie versprach dafür, da sie kinderlos geblieben war, ein Fräuleinstift für verarmte schlesische Adlige in ihren Besitzungen zu errichten. "Der Tugend eine Zuflucht" wählte sie als Leitspruch der Stiftung. Das Wappen trug m. W. eine Lilie und einen Reiher auf viergeteiltem blauem Grund. In den Satzungen war alles bis aufs kleinste geregelt. Kleidung, Nahrung, Taschengeld waren genau festgesetzt. Besucher durften im Schlosse weder bewirtet noch beherhergt werden. Männern war der Zutritt überhaupt verboten. Für Gäste waren Räume im Gutshause vorgesehen. Es sollten je neun katholische und neun evangelische Damen Aufnahme finden. Die Äbtissin sollte im Wechsel katholisch oder evangelisch sein. Die Stiftsdamen waren. verpflichtet, Seidenraupenzucht zu treiben. Diese Einrichtung hat sich bis in unsere Tage gehalten, während die anderen Bestimmungen im Laufe der Zeit immer mehr gelockert wurden.

An die Seidenraupenzucht erinnerten noch etwa 100 Maulbeerbäume am Gräditzer und Hochkircher Weg und am Schaftrieb. In den letzten Jahrzehnten lebte nur noch die Äbtissin in Barschau, die übrigen Stiftsdamen konnten ihren Wohnsitz frei wählen und erhielten aus den Einkünften der Rittergüter und des Stiftsforstes eine kleine Rente.

Ernst Schroeckh, in Lübener Heimatblatt 8/1954

Messtischblatt der Gemarkung Barschau



Aus der Stiftungsakte des Campaninischen Stifts in Barschau



Geographische,

naturhistorische und technologische

Beschreibung

des

souverainen Herzogthums

Schlesien.



Von

Johann Adam Valentin Weigel,

Evangelisch-lutherischem Prediger, Mitgliede der Gesellschaft
naturforschender Freunde in Berlin, der naturforschenden zu
Halle, und der ökonomisch-patriotischen des Fürstenthums Schweidnitz.





Fünfter Theil.

Die Fürstenthümer Liegnitz, Wohlau und Glogau.

Berlin, 1802.

In der Himburgischen Buchhandlung.




Barschau gehört zu dem von der Gräfin Barbara von Campanini 1789 auf ihren Gütern Barschau, Polach im Steinau-Raudtenschen Kreise des Fürstenthums Wohlau, und Porschütz im Glogauer Kreise, errichteten Preußisch-Schlesischen adeligen Fräulein-Stifte, für 10 katholische und 10 protestantische, ohne die Äbtissin, die wechselweise von der katholischen und protestantischen Confession seyn soll. Da eine dergleichen wohlthätige Stiftung in unsern Zeiten eine Seltenheit, und, wo ich nicht irre, in Schlesien die einzige in dieser Art ist; so erlaube ich mir einen Auszug aus der Stiftungs-Acte der wohlthätigen Stifterinnen mitzutheilen:

Das Schloß zu Barschau ist der Sitz dieser Stiftung. Die zeitige Äbtissin bewohnt die erste, und die vier im Stifte wohnenden Canonissinnen die zweite Etage. Diese Canonissinnen sollten jederzeit von der Religion der Äbtissin seyn. Sie wohnen nur drei Jahre in dem Stifte, nach deren Verlauf werden andere nach der Anciennität aufgenommen. Die außer dem Stifte lebenden erhalten das festgesetzte Jahrgeld von 150 Thalern. Die Äbtissin erhält jährlich 200 Thaler, und die im Stifte wohnenden Fräulein zur Kleidung 100 Thaler.

Zum Ehren-Curator hat die Stifterin den jederzeit in Schlesien dirigierenden Staats- und Finanz-Minister ernannt, und wenn damit eine Veränderung vorgehen sollte, so geht alsdann die Ehren-Curatel an den ersten Staatsbeamten vom Cameral-Fache in Schlesien über. Der Ehren-Curator trägt, der Stiftungs-Acte gemäß, ein mit Brillanten besetztes Kreuz und das Ordenszeichen, reich gestickt, auf der linken Seite der Brust.

Die Oberin hat den Titel Äbtissin, die Fräulein von Schlesisch adeliger Canonissinnen. Der adelige Administrator, der auch das Ordenskreuz trägt, hat den Titel eines Propstes. Er wird unter Aufsicht des Herrn Ehren-Curators wechselweise von den Ständen der Fürstenthümer Glogau, Liegnitz und Wohlau erwählt, und soll ein in diesen Fürstenthümern nicht allzuweit von Barschau ansässiger und wirtschaftskundiger Stand seyn, der die Verwaltug und Oberaufsicht dieser Stiftung übernehmen will. Er behält, wenn er seine Pflichten erfüllt, dieses Amt auf seine ganze Lebenszeit, und erhält für seine Bemühung jährlich 300 Thaler. Er führt ein richtiges Verzeichnis ber die Aufnahme der Stifts-Damen und deren angetretene und endigende Residenzen; er hat die Verwaltung der Stiftsgüter unter sich, muß jeden Monat die Wirtschafts- und Haushaltungsrechnungen von den Beamten abnehmen, und Sorge tragen, daß der Aufwand die richtige und bare Zahlung der Jahrgelder nie hindere. Er bewahrt die Casse, dazu auch die Äbtissin, ohne deren Beysein keine Zahlung geschehen kann, einen besonderen Schlüssel hat, auf dem Schlosse zu Barschau; legt alle Jahre, an Johannis, Deputirten der drei Fürstenthümer die auch von der Äbtissin unterschriebene Rechnung ab. Legt er sein Amt nieder, oder stirbt er; so wird das Ordenskreuz an den Landschafts-Director derjenigen Fürstenthums-stände, an welchem die Wahlreihe ist, zurückgegeben.

Die adeligen Personen der Stiftung tragen täglich auf der linken Brust, an einem honiggelben Bande mit


silbernem Rande, ein weißes achtspitziges emailliertes Kreuz, in dessen vier Flügeln sich vier schwarz gekrönte Schlesische Adler, und in der Mitte in einem runden blauen Schilde der Wahlspruch der Stiftung: Virtutis Asylum, mit goldenen Buchstaben, und auf der Rückseite der Namenszug der Stifterin C. B. C. unter einer gräflichen Krone befinden

Die Äbtissin trägt außerdem an Ceremonien- oder Festtagen über die rechte Schulter, gegen die linke Seite herabhangend, mit einer reichen Epaulette, das mit Brillanten besetzte Ordenskreuz, und auf der linken Brust das reichgestickte Ordenszeichen. Die im Stifte wohnenden Fräulein tragen im Hause ein lichtgraues Kleid mit selbstbeliebigen Accessoirs; außer dem Stifte aber können sie sich nach Gefallen kleiden. Familientrauer besteht bloß in schwarzen Bändern, tiefe Hoftrauer aber in einem schwarzen Flor auf dem Kopfzeuge, und einem Flor am linken Arme. Jedes Fräulein, die aufgenommen zu werden wünscht, muß

  1. Sechzehn jahre alt, gesund, und mit keiner unheilbaren Krankheit behaftet seyn.
  2. Ihr Großvater muß von Schlesischem Adel seyn, und schon das Schlesische Incolat erhalten haben.
  3. Sie muß sich durch ein, von einem Notario publico, der das Kirchenbuch selbst durchgesehen hat, attestirtes Taufzeugnis ausweisen, daß sie weder durch Legitimation, noch durch Aufnahme an Kindes Statt, in die Schlesische Familie gekommen sey, zu der sie jetzt gehört.
  4. Hat sie diese angezeigten Eigenschaften, so muß sie sich zuerst bei dem Herrn Ehren-Curator; bei den Herren Directoren der obengenannten Fürstenthümer melden, die dann untersuchen und entscheiden, ob das sich meldende Fräulein stiftsfähig sey. Diese melden die Person der Äbtissin, die nun allein wählt, sie ist aber verpflichtet, die dürftigste zu wählen. Das gewählte Fräulein wird aber nicht eher, als um Johannis oder Weihnachten aufgenommen.
  5. Das gewählte Fräulein muß der Äbtissin und dem Propste, in Gegenwart zweier Zeugen feierlich angeloben, ein tugendhaftes, adeligen Personen anständiges Leben zu führen. Handelt eine diesem Versprechen entgegen, so wird ihr das Ordenszeichen abgenommen, das Jahrgeld entzogen, und, wohnt sie im Stift, wird sie aus dem Stifte verwiesen.

Kein im Stifte wohnendes Fräulein darf ohne Erlaubniß der Äbtissin, die von ihnen Ew. Gnaden genannt wird, ausgehen, keinen heimlichen Besuch von Mannspersonen annehmen. Jede Mannsperson muß sich bei der Äbtissin melden, die die Zeit und den Ort des Besuches bestimmt; so darf auch keine Mannsperson im Stifte beherbergt werden.

Jedes Fräulein kann das Stift wieder verlassen: Sie gibt aber alsdann das Kreuz zurück, und erhält dagegen alle Effecten, die sie in das Stift gebracht hat, von der Äbtissin zurück. Zum zweiten Mal kann durchaus keine aufgenommen werden.

Diejenigen, welche im Stifte wohnen sollen, bringen ihr Bett, einen doppelt weißleinwandnen Überzug, ein 5 Ellen langes Tischtuch, 12 Servietten, 6 Handtücher, 1 silbernen Löffel, Messer und Gabel, mit ihrem Namen gezeichnet, 1 Leuchter, 1 Putzschere, 1 Schreibtisch mit 3 Schubladen, 1 kleinen Tisch und 3 Stühle mit ins Stift.
Die Stiftfräulein können mit Erlaubnis der Äbtissin außer dem Hause essen, Besuche machen, und in anständige Gesellschaft gehen, aber immer mit einer Gesellschafterin, die die Äbtissin wählt. Sie erhalten Equipage und Bedienten aus dem Stifte, dürfen aber nicht länger als bis 10 Uhr, und wenn sie zu einem Ball eingeladen sind, als bis Mitternacht ausbleiben. Sie können auch, aber nicht länger als vier Wochen, ihre Verwandten besuchen, außer dem Stifte bleiben: wollen sie länger bleiben, so müssen sie neue Erlaubnis von der Äbtissin einholen; eine zweite Verlängerung ist, Krankheit erforderte sie dann, nicht erlaubt, sonst muß sie zurückkommen, oder sich erklären, ob sie das Stift verlassen will. Im letztern Falle erhält sie ihre Sachen, die sie auf ihre Kosten abholen lassen muß, zurück.

Ein Fräulein, das 4000 Thaler im Vermögen hat, kann nicht aufgenommen werden. Erbt ein Fräulein, während ihres Aufenthalts im Stifte, 4000 Thaler, so bleibt sie, bis ihre 3 Jahre zu Ende sind, darin, bekommt aber die 100 Thaler zur Kleidung nicht mehr. Wohnt sie außer dem Stifte so verliert sie den Jahrgehalt. Verliert sie aber das ererbte Vermögen ohne eigene Schuld wieder, so kann sie sich, nach gehöriger Ausweisung, zum zweiten Mal melden. Zu dem Ende muß jedes Fräulein von jeder ihr zugefallenen Erbschaft die Äbtissin und den Propst benachrichtigen. Unterläßt sie dieses, so verliert sie zur Strafe ihre Pension auf drei Jahre. Ist der Zuwachs des Vermögens weniger

als 4000 Thaler, so bestimmen der Ehren-Curator und die Directoren der Stände aus den Fürstenthümern Glogau, Liegnitz und Wohlau, wie viel von dem Jahrgehalt der Äbtissin oder eines Fräuleins zurückbehalten werden kann.
Die Äbtissin muß beim Antritt ihres Amtes, in Gegenwart zweier Zeugen, den Deputierten der Stände der drei Fürstenthümer angeloben, das Wohl, die Ordnung und häusliche Wirtschaft des Stiftes gewissenhaft in Obacht zu nehmen. Sie führt neben ihrem Familienwappen auch das Gräflich-Campaninsche zur rechten Seite, und siegelt damit alle das Stift angehende Schriften nebst dem Stiftspropste, der sein eigenes Wappen beidrückt, und nebst ihr unterschreibt. Sie empfängt die gerichtliche Tradition der Stiftsgüter auf die Zeit, als sie die Würdeder Äbtissin bekleidet, gratis; leistet das Homagium in Glogau bei der königlichen Ober-Amtsregierung, und erhält die Recognition gratis. Sie besorgt die Haushaltung, nimmt die weiblichen Domestiken und den Koch des Stiftes, der Propst hingegen die männlichen an. Beide aber bestimmen Lohn und Beköstigung derselben.
Der Äbtissin wird jederzeit ein Coadjutorin bestimmt, die, wenn die Äbtissin mit Tode abgeht, sogleich in ihre Stelle tritt. Diese Coadjutorin soll eine adelige Witwe, wie die Fräulein, von echter Schlesisch-adeliger Geburt, wenigstens 30 und nicht über 50 Jahr alt, standesmäßig verheiratet gewesen, und entweder kinderlos seyn, oder, wenn sie Kinder hat, wenigstens angeloben, die Kinder, die sie noch bei sich hat, bei ihrem Eintritte als Äbtissin in das Stift von sich zu entfernen. Sie kann jedoch mehr als 4000 Thaler im Vermögen haben, weil sie dies in den Stand setzt,

ihrem Amte mit desto mehr Würde und Uneigennützigkeit vorzustehen. Sie wird von den Ständen der drei Fürstenthümer, durch die Mehrheit der Stimmen, aus den von den sämtlichen Landräthen in Schlesien, dem Ehren-Curator vorgeschlagenen Candidatinnen gewählt, vom Könige gratis bestätigt. Sie trägt das Stiftskreuz, und erhält, bis sie als Äbtissin ins Stift eintritt, 200 Thaler Pension. Können die Landräthe keine Candidatinnen vorschlagen, so wählen die Äbtissin und die Stiftsfräulein eine Coadjutorin aus ihrer Mitte.
Es steht der Äbtissin und allen Stiftsfräulein frei, sich zu verheiraten; doch müssen sie dieses 6 Monate zuvor dem Propste anzeigen. Wohnt die Braut im Stifte, so wird ihr das Hochzeitsmahl auf Kosten des Stiftes gegeben. Nach diesem Mahle gibt sie das Ordenskreuz an die Äbtissin ab,, und, wenn sie in der Nähe keinen anständigen Aufenthalt hat, geht sie in das herrschaftliche Wohnhaus auf dem Gute Polach schlafen. Hier kann sie sich, von dem Stifte bewirtet, noch drei Tage aufhalten. Ihre ins Stift gebrachten Effecten werden dann, vier Meilen weit, auf zwei Wagen von Barschau abgeführt. Sie erhält noch ein Jahr die Pension eines auswärts wohnenden Stiftsfräuleins, als Beihülfe zu ihrer Ausstattung; ihr Platz im Stifte wird aber während dieser Zeit nicht besetzt.
Wenn eine Äbtissin heiratet, so muß sie vorher dem Propste das Stifts-Inventarium gewähren, gibt nach dem Hochzeitmahle das Kreuz an den Propst ab, und erhält eben das, was andern Stifts-Damen bewilligt ist, nur nicht die jährliche Pension, weil die Coadjutorin sogleich an ihre Stelle tritt, und eine neue gewählt wird.

Ein außer dem Stifte wohnendes Fräulein ist, wenn sie heiratet, verbunden, den Tag nach der Hochzeit das Ordenskreuz an die Äbtissin zurückzusenden; sie erhält ebenfalls die Pension noch auf ein Jahr, und ihre Stelle bleibt so lange unbesetzt.
Wenn die Äbtissin stirbt, so versiegeln der Propst und Stifts-Justitiarius alle Gemächer, in welchen Sachen von Wert aufbehalten werden, bis zur Installation der neuen Äbtissin. Die Verlassenschaft der Verstorbenen wird aber so lange zurückbehalten, bis das Inventarium berichtigt ist. Der Überschuß an Gold, Silber, Juwelen, barem Gelde, wird den Erben der Erblasserin zugestellt. Dem Stifte bleiben jedoch die Meubles, Tafelwäsche und Bett. Die Leibwäsche wird nach dem Lose unter die sämtlichen Stiftsfräulein, in und außer dem Stifte, verteilt. Die standesmäßige Beerdigung geschieht auf Kosten des Stiftes. Stirbt ein im Stifte wohnendes Fräulein, so wird sie ebenfalls auf Kosten des Stiftes beigesetzt. Stuben-Meubles, Tafelwäsche, Bett und Tischbesteck bleiben dem Stifte; Kleider und Leibwäsche werden an die im Stifte wohnenden Fräulein nach dem Lose verteilt, alle anderen Effecten aber werden den Erben abgegeben.
Die Stiftsfräulein speisen mit der Äbtissin. Sie erhalten des Morgens Kaffee oder Thee mit Milch und gerösteter Semmel; Mittags eine Suppe und drei Speisen, nebst einem Nachtisch, Butter oder Früchte; nach Tische Kaffee. Abends eine Suppe und zwei Schüsseln ohne Nachtisch. Zum Getränke wird Bier und Sonn- und Festtags ¼ Quart Franz- oder süßer Wein gereicht.

Alle Gastmähler, außer bei der Installation einer Äbtissin, oder Wahl einer Coadjutorin und der Hoch-
zeit eines Stiftsfräuleins, sind verboten. Auch Anverwandte der Fräulein dürfen nicht länger als drei Tage aufs Jahr im Stifte Besuche abstatten, und müssen sich mit der Kost der Stifts-Damen begnügen.

Zur Bedienung werden gehalten, ein Koch, ein Bedienter, der fähig ist, die Haushaltungsrechnung zu führen, ein Gärtner, ein Kutscher (letztere drei erhalten Livree), und außer der Ausgeberin, die zugleich die Äbtissin bedient, zwei Mädchen zur Bedienung der Stiftsfräulein, und eine Magd in die Küche.
Der Cassenbestand wird bei der jährlichen an Johannis vorzunehmenden Revision der Casse von den Deputierten der Stände der drei Fürstenthümer in Pfandbriefe umgesetzt, die gegen Recognition bei der Glogauer Landschafts-Casse liegen bleiben. Jedes Mal, wenn ein Capital von 6000 Thaler beisammen ist, wird ein Fräulein mehr aufgenommen.
Jede adelige Person, beiderlei Geschlechts, die dieser Stiftung ein Capital von 5000 Thaler zusichert, kann das Stifts-Ordenskreuz, als Mitstifter tragen, und ein Fräulein ernennen, die nach Ableben des Mitstifters das Ordenskreuz erben soll, und diese Erbin genießt dann alle Vorteile der Stiftung.