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Barschau [1939]
Landgemeinde, Kreis Lüben, 17 km, Post über Lüben, 154 Einwohner, 42 Haushalte, Flurgröße 552 ha, 4 Gemeinderäte, 2 Beigeordnete, Bürgermeister Richard Jobke, Fernsprecher Raudten 241
Landratsamt, Finanzamt, Amtsgericht, Versicherungsamt, Landkrankenkasse, AOK Lüben / Regierungsbezirk, Landgericht, Arbeitsgericht, Versorgungsamt Liegnitz / Arbeitsamt Liegnitz Nebenstelle Lüben / Standesamt Eisemost / Schulgemeinde Barschau / Gendarmerie-Bezirk Raudten II / nächster Personenbahnhof Barschau 1 km, nächster Güterbahnhof Raudten-Stadt 6 km / nächste Kraftposthaltestelle Barschau 1 km
Vorhanden: Badeeinrichtung, Rittergutsverwaltung, 1 Volksschule
aus: Alphabetisches Verzeichnis der Stadt- und Landgemeinden im Gau Niederschlesien mit den dazugehörigen Ortsteilen, Kolonien, Siedlungen usw., Kurt-Gruber-Verlag Wirtschaft Recht, Dresden, 1939
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Barschau [1927]
Dorf Gutsbezirk Kreis Lüben Regierungsbezirk Liegnitz 170 Einwohner Gemeinde-Vorsteher Warmuth Gutsvorsteher Harms Postamt Raudten I Eisenbahnstation Güterladestelle Amtsgericht Lüben Landgericht Liegnitz Finanzamt Gewerbeamt Lüben evangelische Volksschule
aus: Amtliches Landes-Adressbuch der Provinz Niederschlesien für Industrie, Handel, Gewerbe, Verlag August Scherl, Breslau, 1927
Barschau [1913]
Dorf + Rittergut (mit Schäfereihof und Ziegelei): Kreis Amtsgericht Lüben 15 km; Post Raudten (Bezirk Breslau) Ort 6 km; Eisenbahnstation Barschau; Amtsbezirk Standesamt evangelisches Kirchspiel Pilgramsdorf; katholisches Kirchspiel Hochkirch; 69 + 87 Einwohner
aus: Alphabetisches Verzeichnis sämtlicher Ortschaften der Provinz Schlesien, Verlag Wilhelm Gottlieb Korn, Breslau 1913
Barschau in Nachschlagewerken von 1789 und von 1845 |
Barschau auf einer Ansichtskarte aus dem Jahr 1928
Pächterhaus (siehe Foto weiter unten), Gasthaus (siehe weiter unten Gasthof zur Brauerei!), Schloss, Schule
Herzlichen Dank für die Abbildungen aller Ansichtskarten an Grzegorz Kardyś!
Schloss, Wohnung des Rentmeisters, Gärtnerei, Brauerei und Gasthof von Hermann Schmidt, Brennerei
Schloss und Schloss-Park Barschau
Auch diese Ansicht des Pächterhauses Barschau aus dem Jahr 1903 verdanken wir Grzegorz Kardyś. Zwei alte Barschauer, Günter Lindner und Karl-Heinz Wilke, erinneren sich noch gut an dieses Wohnhaus der Rittergutspächter (Hübner, Harms, Duscheck und zuletzt Pohl). Der hintere Teil des Hauses (die letzten zwei Fenster) wurde vom Gutsinspektor bewohnt. Er war der eigentliche Verwalter des Gutes.
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Barschau
Das einsame Walddörfchen wurde im 13. Jahrhundert von deutschen Siedlern angelegt. Bauernsöhne, die aus den Ländern Thüringen, Hessen und Franken kamen, wurden vom Landesherrn zu deutschem Recht als freie Bauern angesiedelt. Bis zum Jahre 1339 gehörte Barschau zum Weichbild und der Bannmeile der um 1280 gegründeten Stadt Raudten. Zur Zeit der Gründung gehörten Raudten und die umliegenden Ortschaften zum Herzogtum Glogau. Im Jahre 1319 fielen sie an das neu gegründete Herzogtum Steinau (Oder). Nur die Dörfer Kreidelwitz und Gräditz verblieben bei Glogau. Zwanzig Jahre danach (1339) trat der Herzog die Orte Barschau, Pilgramsdorf und Rinnersdorf an das Herzogtum Liegnitz ab. |
Das Rittergut befand sich um 1600 im Besitz des Hans von Taur zu Rostersdorf und Gaffron, der im Jahre 1603 in Barschau starb. Er ließ den Grabstein mit dem Abbild seines 1595 verstorbenen Bruders Ernst, auf Schmohl bei Raudten, anfertigen. Der Grabstein wurde später in einen Südpfeiler der evangelischen Kirche in Raudten eingemauert und ist heute noch erhalten. Im Jahre 1750 stand das Gut im Besitz des aus Pommern stammenden preußischen Generalmajors Hans Carl von Winterfeld, dem außerdem noch die Güter Pilgramsdorf, Polach und Porschütz, Kreis Glogau gehörten. Seine Witwe erbte 1757 diese Güter und verkaufte sie, mit Ausnahme von Pilgramsdorf, im Jahre 1759 an Barbarina Freifrau von Cocceji geb. Campanini, die diese Güter gut verwalten ließ. Sie gründete später auf dem Barschauer Gut das Campaninische Fräuleinstift, durch das die kleine Gemeinde weit über ihre Grenzen hinaus bekannt geworden ist.
Das Dorf bestand außer dem Stiftsgut und seinen Anlagen aus 19 kleinen Anwesen, die als Streusiedlung, geduckt in einem etwa 2 km langen Wiesental lagen, das vom Langegraben durchflossen wurde. Es hatte nur 154 Einwohner. Vier der dörflichen Anwesen waren Erbhöfe mit über 30 Morgen Land, der Rest Häuslerstellen. Auf der Anhöhe im Norden stand die Wilkemühle, eine Windmühle, die schon einige Jahrhunderte ihren Dienst versah. Das Stiftsgut mit einer Gesamtfläche von 474 ha war verpachtet. Ihm war eine Kartoffelspiritusbrennerei und ein Vorwerk mit der Schäferei angeschlossen. Bevorzugt wurde hier Schweinemast betrieben.
Barschau hatte keine Kirche. Die evangelischen waren dem Kirchspiel in Pilgramsdorf und die katholischen Bürger dem in Hochkirch zugewiesen. Bei den Kämpfen um Barschau, Ende Januar/Anfang Februar 1945, wurden große Teile des Dorfes zerstört und beträchtliche Waldbestände vernichtet. Die letzten deutschen Einwohner wurden 1947 durch die polnische Verwaltung ausgewiesen.
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Grabstein des Ernst von Taur an der Evangelischen Kirche zu Raudten |
Heinz Boderke, Der Kreis Lüben, 1985 |
Die Gemarkung Barschau
von Ernst Schroeckh
Der Reisende, der aus der Richtung Glogau, Breslau oder Liegnitz mit der Staatsbahn kam und nach Barschau wollte, bestieg in Raudten-Queißen die "Raudten-Polkwitzer Kleinbahn". Nach einer mehr oder minder langen Fahrt, je nachdem ob unser Bähnle unterwegs zu rangieren hatte, langte man in Barschau an.
Der Ort liegt 7 km vom Städtchen Raudten entfernt. Von einem "Dorf" wird der Zureisende zunächst nicht viel gesehen haben. Es breitete sich vor ihm wohl das Stiftsgut mit Schloß und Park behäbig aus - aber die Bezeichnung "Dorf" für die 19 kleinen Anwesen, klingt dies nicht etwas zu großartig? Die Anwesen, als Streusiedlung, liegen etwa 2 km in einem Wiesental geduckt, das vom "Langegraben" durchflossen wird. Oh nein, lieber Wanderer, hier in diesem stillen Tal leben etwa 200 Menschen, die zwar einen harten Kampf ums Dasein führen, die aber stolz sind auf ihr Zuhause. Hier in der Gemarkung reichen sich die Ausläufer der Dalkauer Berge und der Niederschlesischen Heide die Hände. |
Gasthaus zum grünen Baum - Grünkretscham genannt |
Mühsam war darum der Betrieb der Landwirtschaft und erstreckte sich hauptsächlich auf Roggen und Kartoffeln neben Hafer und Lupinen. Ein paar Furchen Rüben und ein schmaler Streifen Weizen vervollständigten das Bild. Nur das Stiftsgut hatte einige Schläge besseren Bodens an der Tarnauer Seite. Der verpachtete landwirtschaftliche Betrieb der Stiftsverwaltung war 1020 Morgen groß, etwa 200 Morgen umfaßten die bäuerlichen Betriebe und 800 Morgen war Stiftswald, fast durchweg Kiefernwald mit eingestreuten kleinen Birken-, Buchen-, Fichten- und Eichenparzellen. Vier der dörflichen Anwesen waren Erbhöfe über 30 Morgen, der Rest Häuslerstellen, viele darunter befanden sich schon Jahrhunderte im Besitz derselben Familie. |
Das Rentamt Barschau |
An der alten Heerstraße von Glogau nach Lüben, die noch Friedrich der Große anlegen ließ, steht als westlicher Posten der Gasthof "Zum grünen Baum", kurz "Grünkratschem" genannt oder auch "Grünkrug". Hier und in der alten Brauerei, in der aber schon lange kein Bier mehr gebraut wurde, fanden das Erntefest, das Feuerwehrfest, die Kirmes und die seltenen öffentlichon Tanzvergnügen statt. In der Mitte des Dorfes blickt vom Mühlberg die Wilkemühle schon Jahrhunderte auf das Dorf im Tale herab. Nur einen Steinwurf weit davon schaut aus Erlengebüsch das Pfitznerteichel, das meinen Nachbarn, der so treu mit seiner Scholle verbunden war, sogar zu Gedichten verleitete. |
Tag und Nacht hat er geschafft, um das Vätererbe zu erhalten. "Und wenn ich trocken Brot essen sollte, von meinem Hofe gehe ich nicht", war einst sein Ausspruch - und heute ruht er irgendwo in der Ukraine, seine Familie aber wurde wie alle andern vom Hofe verjagt. - Die kleineren Besitzer waren Handwerker, Wald- oder Gutsarbeiter. Sie besorgten ihre eigenen Feldarbeiten nach Feierabend, wenn es am Tage nicht schon die Frau mit den Kindern geschafft hatte. Gesprochen wurde von den Alteingesessenen das Oderplatt, das "Neiderländisch". An Flurnamen und Sagen war eine Fülle vorhanden, so daß sie hier nur erwähnt werden können.
Als Kind des Nachbardorfes Kreidelwitz (später in Lindenbach umbenannt), streifte ich, der ich der letzte Dorfschulmeister Barschaus sein sollte, als Seminarist durch dieses verträumte, stille Tal und die schweigenden Wälder. Ich wünschte in jugendlicher Begeisterung mir nichts weiter, als hier einmal Lehrer sein zu dürfen. |
Der Gasthof zur Brauerei Barschau |
Kaum zehn Jahre später zog ich mit meiner jungen Frau in das geliebte Schulhaus in Barschau ein. Die schulfreundliche Gemeinde half mir, ein Muster von Landschule zu erstellen. Größtes Entgegenkommen fand ich dazu bei unserem damaligen Schulrat Martwig, der mir überall die Wege ebnete. Seine ganz besondere Liebe galt der Landschule und dem Landlehrer. Er kam nie als der zugeknöpfte Vorgesetzte, sondern als Freund, Helfer und Berater, trotzdem schenkte er uns im Dienst nichts. Als besondere Freunde der Schule seien noch die beiden letzten Bürgermeister Karl Warmuth und Richard Jobke genannt.
Ernst Schroeckh in verschiedenen Ausgaben des Lübener Heimatblattes 1956-1958
Mehr über die Geschichte der Schule Barschau und über Ernst Schroeckh |
Das Ende von Barschau
Barschau versank Ende der 1970er wie Pilgramsdorf und Polach in diesem Schlammteich, der den Abraum des Kupferbergbaus um Lubin aufnimmt.
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Letztes Dokument einer siebenhundertjährigen Dorfgeschichte: Dort in der Mitte unter dem Turm liegt unser Dörfchen, schreibt Günter Lindner (* 1928), der im Jahr 2004 den Ort fotografierte, an dem Barschau versenkt worden ist.
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