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In memoriam: Barschau, Kreis Lüben
Wer kennt noch das kleine Dörfchen Barschau im Kreis Lüben? Wo war es zu finden? Es lag an der nördlichen Kreisgrenze des Kreises Lüben, im Norden und Westen umgeben von den Dörfern des Kreises Glogau. Es war ein leicht hügeliges Gebiet am Rande der niederschlesischen Heide oder auch Lübener Heide, wo nach ein paar Kilometern die Oderebene begann. Nun, Barschau gibt es nicht mehr, ebenso die Dörfer Polach und Pilgramsdorf sind auf keiner Landkarte mehr zu finden. Die Dörfer sind untergegangen in dem großen Schlammsee der Kupfergruben von Polkwitz und Lüben, umgeben von einem großen Damm.
Die Menschen, die dort gearbeitet haben, sind nun alle verstorben. Wir, die wir damals noch Kinder oder Jugendliche waren, sind an der Grenze des Lebens angekommen, ein Teil lebt auch schon nicht mehr. |
Grasmahd zwischen Wilke-Hof und -Mühle in Barschau |
Landschaft zwischen Wilke-Mühle und -Hof in Barschau
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Ich schreibe dieses hier nieder, weil wir die letzte Generation sind, die davon noch etwas berichten kann. Barschau war ein kleines Dorf, es war kein Reihendorf, sondern ein aufgelockertes Dorf. Es hatte ein großes Gut, in Schlesien sagte man Dominium, eine Handvoll kleine Bauern mit zwischen 6 und 8 ha Land, einen größeren Hof mit 15 ha und ein paar kleine Häusler mit 2 bis 3 ha, umgeben von schönem Kiefernwald und kleinen Laubwäldchen. Wie kam man nach Barschau? Von dem kleinen und schmucken Landstädtchen Raudten fuhr man die Landstraße über Polach in Richtung Polkwitz. An der Kreuzung Pilgramsdorf-Barschau ging es rechts ab, noch einen Kilometer bis ins Dorf. Die Straße, die eine Verbindung zwischen Lüben und Glogau werden sollte, ist durch den Krieg nie fertiggestellt worden, in Richtung Pilgramsdorf fehlte noch 1 Kilometer und zwischen Barschau und Hochkirch 3 Kilometer. |
Nur 1 Kilometer von der Kreuzung bis zum Dorf wurde hergestellt. In dem kleinen Dorf gab es so einiges zu sehen. Es hatte zwei Gasthäuser, die alte Brauerei bei Bochnik und an der alten Heerstraße den Grünkrug bei Wicher. Es gab die Bockwindmühle oder "die Wilkemühle" genannt, die dicke Eiche oder tausendjährige Eiche, die Maulbeerallee in Richtung Hochkirch und Groß Gräditz/Burgdorf, das Schloß, das Fliegerdenkmal und - sogar einen Bahnhof hatte Barschau! Nun zu unserem kleinen Bimmelbähnchen. Man nannte sie die "Polkwitzer", sie verkehrte zweimal am Tag zwischen Polkwitz und Raudten-Queißen. Sie erreichte die zweigleisige Hauptstrecke Breslau-Berlin, auch die eingleisige Strecke von Liegnitz über Lüben endete am Hauptbahnhof Raudten-Queißen. Früh fuhr sie um 6.45 ab Barschau und um 8.45 kam sie zurück, gegen Abend fuhr sie um 16.45 und um 18.45 wieder zurück. Und sie war größtenteils pünktlich, obwohl sie auch rangieren mussten, denn Barschau hatte auch ein Verlade- und Entladegleis. Das Bähnchen war hauptsächlich für den wirtschaftlichen Verkehr da, hatte auch einen oder manchmal zwei Personenwagen dran und so konnte man nach Raudten zum Einkaufen oder zu einer Reise mitfahren. Verladen wurden in Barschau viele Kartoffeln und Zuckerrüben, auch manchmal ein Waggon Holz oder Spiritus im Herbst. Vom Hauptgleis kam Dünger, Kalk und Kohle nach Barschau, im Spätsommer oft mal ein Waggon Flachs, denn in Polkwitz war eine Flachsröste. Die Bahn hatte zwei Loks, eine hatte sogar einen adeligen Namen: "Graf Recke von Vollmersstein". Die Bahn wurde vor dem l. Weltkrieg gebaut, um 1912, und gehörte einer Berliner Privatgesellschaft. Ob sie zu Anfang des 2. Weltkrieges verstaatlicht wurde, weiß ich nicht. Es war im Jahr 1942, da brannte ein Waggon, mit Holzwolle beladen, zwischen Barschau und Polach total ab, wahrscheinlich durch Funkenflug der Lokomotive. |
Mühle von Karl Wilke, Barschau, die Wilke-Mühle
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Es gab in Barschau eine Volksschule, die 1938 mit einem Anbau und durch Modernisierung erweitert wurde. In den Kellerräumen waren zwei Wannenbäder und vier Duschen vorhanden. Der Ort wurde als eine der letzten Gemeinden des Kreises an das elektrische Stromnetz angeschlossen, was im Jahr 1934 geschah. Zum Dominium gehörte eine Spiritusbrennerei, die mit dem Gut in Polach gemeinsam betrieben wurde. Auch eine Schäferei gehörte dazu. Das Gut wurde bis zum Krieg 1939 durch die Familie Duscheck bewirtschaftet, dann durch den Schwiegersohn Herrn Pohl. Es spezialisierte sich zur Anzucht von neuen Sorten von Saatkartoffeln. Ein großes Schloss, das Barbarina Campaninische Stiftsgut, Schlossteich, Eiskeller, Försterei, Park und eine kleine Gärtnerei gehörten dazu. Im Wald von Barschau gab es einen stattlichen Baum, die "dicke Eiche", sie hatte einen riesigen Umfang und war innen hohl, also eine große Höhle war drin, so mancher Wanderer suchte sie auf. |
Auf dem Mühlberg stand die Bockwindmühle, die Wilke-Mühle, auch eine Bäckerei gehörte bis in die 1920er Jahre dazu. Sie wurde 1938 stillgelegt.
Im Jahr 1933, kurz nach der Machtübernahme durch Hitler, stürzte im Barschauer Wald in Richtung Kreidelwitz (Lindenbach) ein Flugzeug ab. Es war ein einmotoriges Flugzeug vom Typ Focke-Wulf A 16, das von Berlin nach Breslau fliegen sollte. Der Pilot sollte dort auf einer NSDAP-Kundgebung eine Rede halten. Zur Erinnerung an ihn wurde im Wald bei den Sauererlen ein großer Findling als Denkmal aufgestellt, (siehe Dorfplan).
Der Ort Barschau wurde von einem Gewässer durchzogen, das der "Lange Graben" genannt wurde, in Polach in das "Rinnersdorfer Wasser" mündete und zuletzt in das "Raudtener Wasser". Um den Ort gab es überall Flurnamen, wie die Kirchheide, den Sendengrund, Irrwinkel, Toter Mann, Sauererlen und viele mehr. Unser Dorf Barschau ist in Schlamm und Wasser versunken, aber es soll nicht vergessen werden, sondern an die Nachwelt weitergegeben werden, auch wenn wir eines Tages nicht mehr leben. |
Mühle und Hof der Familie Wilke. Von rechts: Karl und Hermine Wilke mit den Kindern Oskar und Else. Die Frau links ist unbekannt.
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Müllermeister Karl Wilke, Barschau, vor seiner Mühle sitzend |
Karl Wilke und Hermine geb. Kutzner, die Großeltern des Autors
Erinnerungen von Karl-Heinz Wilke in Lübener Heimatblatt 6/2009. Fotos vom Autor exklusiv für diese Website. |
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