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Die beiden Barschauer Karl-Heinz Wilke und Günter Lindner erwähnen in ihren Erinnerungen einen Flugzeugabsturz nahe Barschau und den Gedenkstein für den verunglückten Flieger. Inzwischen ist es den beiden gelungen, ein Bild des ehemaligen Gedenksteins aufzutreiben. Herzlichen Dank für die Bemühungen, die Geschichte aufzubewahren. |
Karl-Heinz Wilke: Im Jahr 1933, kurz nach der Machtübernahme durch Hitler, stürzte im Barschauer Wald in Richtung Kreidelwitz (Lindenbach) ein Flugzeug ab. Es war ein einmotoriges Flugzeug vom Typ Focke-Wulf A 16, das von Berlin nach Breslau fliegen sollte. Der Pilot sollte dort auf einer NSDAP-Kundgebung eine Rede halten.
Zur Erinnerung an ihn wurde im Wald bei den Sauererlen ein großer Findling als Denkmal aufgestellt. Unsere Schule übernahm die Patenschaft über den Gedenkstein und seine Umgebung. Vom Waldweg führte ein ca. 50 m langer Pfad zum Stein. An beiden Seiten waren Wachol-derbüsche gepflanzt worden.
Als ich die Gegend im Jahr 1974 besuchte, war alles schon verschwunden. Nur die Erinnerung ist noch sehr lebendig. Mein Vater hatte immer wieder erzählt, wie er den toten Piloten mit dem Brettwagen ins Spritzenhaus nach Breslau gefahren hat, von wo er am nächsten Tag in seine Heimat überführt wurde.
Günter Lindner: Ziemlich genau kann ich mich an den Namen Przibilla erinnern, denn unsere Schulklasse mußte die Gedenk-Anlage pflegen, für uns Erst- und Zweitklässler war der Name ein Zungenbrecher. Unser Lehrer Ernst Schroeckh fotografierte den Gedenkstein und uns mehrmals bei den Pflegearbeiten.
Ich erinnere mich gut, dass es bei der Einweihung der Anlage einen großen "Bahnhof" gab. Viel Naziprominenz, mehrere Kompanien SA-Männer und die Bevölkerung waren zahlreich erschienen. Auch in den Folgejahren kamen immer wieder "Delegationen" oder "hohe Herren" im Auto, die zum Denkmal wollten. Meistens bis auf den Weg hinter unserem Gehöft. Oft habe ich ihnen dann den Weg gezeigt und konnte auch schon mal im Auto mitfahren. Das war natürlich das Erlebnis für mich. Fast alle "Besucher" fotografierten. Zeitungsfotografen waren auch darunter. Die genaue Absturzstelle habe ich auf dem Messtischblatt markiert. |
Günter Lindner hat die Stelle angegeben, wo das Flugzeug abstürzte und später ein Gedenkstein errichtet worden war. Das Flurstück nannte sich Sauererlen und Lehrer Ernst Schroeckh erzählte davon eine Sage:
Die Sage von den Sauererlen
In der Franzosenzeit 1806/1807 hatte Barschau auch eine Besatzung von einem Unteroffizier und sieben Mann! Das war tatsächlich auch noch in der Ortschronik zu lesen. Ein Fouragewagen, der diese Truppe versorgen sollte, geriet in den sumpfi-gen Sauererlen vom Wege ab. Dieser führte damals noch durch das Gehölz nach Kreidelwitz. Der Wagen mitsamt der Kriegskasse, es soll sehr viel Geld dabei gewesen sein, versank im Morast. Mehrere Barschauer sollen versucht haben, den Schatz zu finden, keinem aber ist es bis heute gelungen, auch nur die Stelle zu finden, wo der Wagen versunken sein könnte. Ernst Schroeckh
So vieles ist versunken...
Ein Fourage-Wagen,
ein Flugzeug,
ein ganzes Dorf...
Aber woran wir uns erinnern, das ist nicht völlig untergegangen! |
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Weitere Informationen über das Flugzeug und den Absturz konnten gefunden werden. Auf einer englischen Website zum Thema German Aviation 1919-1945 sind unter Registrierungsnummer D-659 folgende Angaben zu finden: Borkum. Engines: Junkers L1a, from April 1927 Siemens Sh 12. To JLAG in May 1925, to DLH in Jan. 1926, to Wilhelm Przibilla, Breslau in May 1931. Crashed at Barschau, Schlesien 27/2 1933. Dazu ist das Foto veröffentlicht. |
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Auch andere Websites zum Thema nennen diese Fakten: Der Name des Flugzeugs war Borkum. Es wurde anfangs mit dem Junkers-Triebwerk L1a ausgestattet, später mit einem Siemens SH12 (oder ausführlicher hier). Das Flugzeug stand ab Mai 1925 im Dienst der JLAG (Junkers), ab Januar 1926 der DLH (Lufthansa). Ab Mai 1931 gehörte es dem Breslauer Flieger Wilhelm Przibilla, der damit am 27.2.1933 bei Barschau verunglückte. Wie tollkühn er war, beweisen zwei Bruchlandungen in den Jahren 1925 und 1932, die Przibilla nicht davon abgehalten haben, weiter zu fliegen.
Mehr war über Wilhelm Przibilla nicht mehr bekannt, bis sich am 6.12.2012 sein Enkel Norbert Przibilla mit einem Gästebuch-Eintrag meldete und die folgenden Informationen, Fotos und Zeitungsausschnitte zur Verfügung stellte! Dafür ein großes Dankeschön!
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"Mein Großvater Wilhelm Przibilla stammt aus Deutsch-Neukirch. Er heiratete meine Großmutter Elfriede Przibilla geb. Lischka, eine Müllerstochter aus Brieg. Die Mühle befand sich in Alzenau. Ich fand sie vor wenigen Jahren dort noch so, wie sie mein Urgroßvater gebaut hatte.
Wilhelm Przibilla war während des 1. Weltkriegs als Pilot (Aufklärer) im Richthofen-Geschwader eingesetzt. Zeitweilig war er in Frankreich und Belgien stationiert. Nach Kriegsende versuchte er sich als Müller, aber dies war nicht seine Veranlagung. Er kaufte sich 3 Flugzeuge, darunter die Focke-Wulf D-659, und gründete und betrieb in Breslau ein Flugunternehmen, Flugdienst Breslau Wilhelm Przibilla (FDB) womit er Rundflüge, Kunstflüge, Ausbildung von Piloten usw. betrieb.
Beim Absturz soll er nach Aussagen meiner Mutter und meiner Großmutter eine sehr große Lautsprecheranlage und einen großen Kompressor an Bord gehabt haben, um für die NSDAP von der Luft aus Propaganda (gegen Bezahlung) zu betreiben. Er stürzte ab und verunglückte tödlich bei Barschau, weil er anscheinend bei Nebel in einen Hochwald kam und gegen die Baumwipfel prallte.
Bei der Beerdigung bzw. Trauerfeier sollen prominente Flugpioniere wie Ernst Udet und Hanna Reitsch (nach Berichten meiner Mutter und meiner Großmutter, jedoch nicht absolut sicher) anwesend gewesen sein. Ich verfüge noch über Zeitungsartikel über diesen Vorgang sowie über die Jahresfeier, bei der ein befreundeter Rechtsanwalt Kunstflug-Darstellungen bot und dabei selbst tödlich verunglückte. Norbert Przibilla" |
Wilhelm Przibilla während des 1. Weltkrieges
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Wilhelm Przibillas Firmenschild
Wilhelm Przibilla und seine Mannschaft
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Seine D-659, zum Zeitpunkt der Aufnahme vorgesehen für Rundflüge
Wilhelm Przibilla im Cockpit einer Maschine
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Sein tödlicher Absturz über Barschau am 27.2.1933 - Die Gedenkfeier am 11.3.1934 mit einem weiteren Toten
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Für die, die Schwierigkeiten mit altdeutschen Texten haben, hier eine Zusammenfassung:
Am Sonntag, dem 11. März 1934, setzte die NSDAP-Ortsgruppe Pilgramsdorf anlässlich des Todestages von Wilhelm Przibilla an der Absturzstelle einen Gedenkstein. Mit nationalistischem Pathos wird seines "freiwilligen Opfers für Deutschland" gedacht und dazu aufgerufen, "weiter zu marschieren für unser geliebtes Volk und seinen Führer".
Aus gleichem Anlass sollten am gleichen Tage im Lübener Heldenhain zwei Segelflugzeuge getauft werden. Dabei verunglückte der Goldberger Flieger Hermann Förster tödlich. Gauleiter Brückner tönte in seiner Rede, ein Volk ohne Helden sei ein Volk ohne Zukunft... Ein tödlicher Unfall - eine Heldentat? We don't need another hero!
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Diese Worte erinnern mich an Brechts Leben des Galilei. Als Galileis Schüler erfahren, dass er aus Angst vor der Inquisition seine Erkenntnis vom Heliozentrischen Weltbild widerrufen hat, schreit der junge Andrea auf: "Unglücklich das Land, das keine Helden hat." Der gebrochene Galilei erwidert ihm: "Unglücklich das Land, das Helden nötig hat." |
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