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Im ehemaligen Schloss der Grafen zu Dohna in Groß Kotzenau befand sich seit Mitte der 1930er Jahre ein Schulungslager für RAD-Führerinnen. Dass die Mädchen vom gemeinsamen Arbeiten, Lernen, Leben und Schlafen nicht so begeistert waren, wie es die NS-Ideologie weismachen wollte, lässt sich aus den folgenden Briefen der 19jährigen Lagerältesten A. T. ableiten. Urteilen Sie selbst! Dank an Max Michael Viol für die Erlaubnis zur Veröffentlichung!
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Groß Kotzenau, den 5.1.1941
Meine liebe Steffi!
Wie bist Du ins neue Jahr ge-
kommen? Was wird es uns nur brin-
gen? Dies Jahr wird bestimmt Frieden,
ich glaube es ganz bestimmt.
Ja, ich muß Dir nun erst mal für
Deinen lieben Brief danken. Du warst
allerdings schneller im Antworten. Oh,
ich wagte gar nicht Dir zu begegnen,
ich war tatsächlich mehr als schreib-
faul. Aber im neuen Jahr will ich
mich grundlegend ändern! Oh, was
nimmt man sich nicht alles vor!
Dafür antworte ich dir aber jetzt
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sofort - ja wirklich sofort, denn vor
½ Std. habe ich eben erst Deinen
lieben Brief erhalten.
Dir gefällt es also wirklich in
Deinem Beruf. Das freut mich wirk-
lich. Die Berufswahl ist wohl mit
das Schwerste im Leben. Noch heute
frage ich mich oft, ob meine Wahl
darin gerade die richtige war.
Die Wahl eines Ehegatten ist aber
bestimmt die schlimmere. Nun, so
weit habe ich es ja noch nicht gebracht
und ich werde mich auch nicht sogleich
entschließen können, d. h. erst muß
man wohl jemanden zum Wählen
haben. Aber Schluß mit diesen
Dingen - das führt zu weit. Hm hm. |
Ich freue mich so, daß Du oft mal
an mich denkst. Dein Bild habe ich
in meinem Spind stehen, und es
ist ja nur ein ganz kleiner Ersatz
dafür, daß ich Dich nicht hier habe.
Wir beiden müßten uns unbedingt
treffen. Ginge das nicht mal einzurich-
ten?
Von Hertha und Gretl habe ich noch
kein Lebenszeichen. Ich glaube
Hertha hat mich ganz verges-
sen. Ich bin darüber eigentlich
sehr traurig. Aber glaube mir,
an Hertha kann ich mich nur
noch ganz wenig erinnern. Sie
war mir ein ganz rätselhaf-
ter Mensch. Ich konnte sie in |
der kurzen Zeit in G. gar nicht
so richtig kennenlernen. War
sie Dir auch in ihrem Wesen
manchmal so völlig fremd?
Ihre Gedanken führten immer
so weit, ich kann das heute noch
nicht begreifen. Was mag sie
nur machen? Sie wird doch sicher
nie richtig Lust haben ihren Be-
ruf als Lehrerin richtig auszu-
üben, sie liebt zu sehr das ganz
freie Leben, in dem sie sich nur
mit ihren Gedanken befassen
kann.
War Rosl neulich bei Dir? Schade,
sie hätte doch sicher auch zu
einem anderen Beruf getaugt. |
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Hast Du mir nicht mal geschrie-
ben, daß sie Verkäuferin sei? Ich
kann mir gar nicht denken, daß
sie darin eine Befriedigung fin-
det.
Ja ja, von Anni Gawel bin ich
scheinbar verfolgt. Ich spreche
sehr wenig mit ihr. Sie ist
für mich "Luft". Von allen andern
wird sie ja auch gar nicht für
voll angesehen. Daß Du noch
oft an Hohenelbe denkst, freut
mich tatsächlich. Weißt Du, wenn
ich jetzt versetzt werde, so fällt
es mir nicht mehr schwer. Wenn
ich noch an den Abschied in G. denk,
ich könnte noch jetzt losheulen. |
Ich habe mich bis jetzt auch an
keinen Menschen so ange-
schlossen, wie damals an Dich.
In Drewitsch lernte ich eine ganz
nette Jungführerin kennen, wir
zwei verstehen uns zwar ganz
gut, aber ich vermisse sie gar nicht
so stark. Weißt Du, sie braucht
jemanden, den sie richtig ver-
wöhnen kann. Dies Opfer bin
nun ich. Sie verwöhnt mich viel
mehr als ihren Verlobten. Ist das
nicht schrecklich komisch? Doch du kannst
Dich sicher noch erinnern, wie gern
ich mich von Dir verwöhnen ließ.
Unsere gemeinsamen "Freßabende"!
(Entschuldige diesen RAD-Ausdruck |
Jetzt im Zivilleben bist du ja
so etwas gar nicht mehr gewöhnt.)
Es war doch schön, nicht wahr?
Anni Gawel bekommt oft von
Steffi Strobl Post. Wie sich die
zwei verstehen, ist mir schleier-
haft.
Die arme Hilde Kriebel hat schon
seit dem Sommer keine Post mehr
von mir. Nun, ich habe mir ja vor-
genommen mich zu bessern.
Steffi, ich könnte Dir seitenlange
Briefe schreiben! Beim Erzählen
wäre das alles doch viel netter.
Für heute will ich schon schließen,
da wir - ausgerechnet am Sonntag -
Volkstanz haben. Wie mich das freut!!! |
Vielleicht habe ich heute noch Gelegen-
heit den Brief zu beenden.
Inzwischen die allerherzlichsten
Grüße von Deiner Annemie
Heute abend schnell noch ein paar
Zeilen. Stell Dir vor, diese Volkstän-
ze waren so ergötzend, daß ich bei-
nahe eingeschlafen wäre. An einer
Seite des Raumes stand die Schullei-
terin mit Argusaugen und
beobachtete ihre "talentierten
Schäfchen". Man ist hier keine Mi-
nute unbeobachtet, nicht mal in
der Freizeit. Apropos Freizeit. In
10 Min. ist Lagerruhe und ich sitze
noch unausgezogen hier und schreibe.
Bis zum nächsten Dienst alles
Gute und viele Grüße Annemie
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Groß Kotzenau, den 7.2.1941
Meine liebe Steffi!
Meinen herzlichsten Dank für Deinen lieben Brief. Du glaubst gar nicht, wie
ich mich darüber gefreut habe. Ich hatte das
Gefühl als ständest Du vor mir und würdest zu mir sprechen. Ich habe mich so gefreut
wieder etwas von Dir zu hören. Also, Du
wir zwei müssen uns unbedingt wiedersehen und zwar recht bald. Ob es
nicht mal das Schicksal will?
Oh, ich freue mich schon so auf meinen Jahresurlaub. Ich will ihn im Sommer
nehmen und nach Dresden oder in den
Harz fahren. Was rätst Du mir? Es sind
ja nur 10 Tage, aber der Mensch freut sich.
Wenn ich einmal Maidenunterführerin bin,
dann komme ich mal nach Wien. Vielleicht
schon nächstes Jahr, denn dann verdiene ich
ja Geld in großer Menge, hm, hm, hm...
Durch Deinen Brief habe ich wieder viel
Neues gehört. Hella ist verlobt, ich kann mir
das gar nicht vorstellen. Ob sie sich dessen
auch ganz bewußt ist? Ich kann mir das
gar nicht denken. |
Von Gretl Pfneisl erhielt ich auch neulich einen Brief. Es ist doch nett von ihr,
obwohl wir zwei doch eigentlich nie soviel zusammen waren. Ich kann sie
mir als Lehrerin richtig vorstellen und Hertha nicht. Du schriebst schon ganz richtig:
Hertha ist nicht für diesen Beruf, sie ist
ganz Künstlerin. Hoffentlich kann sie auf
diesem Gebiete mal recht viel leisten.
Sie ist doch ein eigenartiger Mensch, ich
glaube, daß sie es gar nicht schafft sich
nur auf dem Gebiete der Malkunst zu
betätigen, ihr "Zarathustra" usw. nimmt
sie glaube ich, viel zu sehr in Anspruch.
Ich habe sie wirklich sehr gern gehabt, schade,
daß sie mich eigentlich so schnell vergessen
hat. Sie hat mir noch nicht geschrieben.
Rosl Boden wird wohl auch in einigen Jahren bald mal heiraten. Und dann bleiben
wir zwei noch zurück. Du hast eigentlich eher die Möglichkeit irgendwelche Menschen kennenzulernen. Aber ich? Du weißt
ja, da landet man nun in irgend einem
Nest und ist von Gott und der Welt
verlassen. Nun lach nicht, aber manchmal habe ich tatsächlich das Gefühl: ich
werde einmal nicht heiraten. Du wirst |
vielleicht denken es sei albern von mir
mit 19 Jahren so zu denken. Nun ewig
bin ich ja auch nicht im RAD, aber wenn
ich herauskomme, so bin ich immerhin schon
Anfang 20. Und jetzt durch den Krieg sind
so viele Jungs gefallen und alle anderen
verloben sich schon so jung. Vielleicht
bin ich dann mal später ganz allein.
Manchmal möchte ich mich auch so richtig
mit irgend jemandem aussprechen
können. - Nun wir wollen uns nicht heute
schon solche Gedanken machen. Überlassen
wir es dem Schicksal. Ob es wohl richtig
war, daß ich im RAD bin. Du, es gefällt
mir gut, auch trotz des vielen Schlechten
und Häßlichen. In 7 Wochen geht es von
hier weg. Wer weiß, wohin. Man ist so
richtig heimatlos im RAD. In 1 ½ Jahren
schon 3 Lager und nun die Schule.
Denke nur ja nicht, daß ich Dich vergesse.
Erstens steht ja schon Dein Bild im Sping bei mir.
Jeden Abend denke ich fast immer daran, wie
wir unsere "Magenbefriedigungen" abhielten.
War es nicht schön? Damals wollten wir
doch immer schlank werden. Seitdem habe ich
erst mal 8 Pfund zugenommen und nun
wieder 10 Pfund ab. Obwohl ich tatsächlich |
noch nicht schlecht aussehe, so würdest Du
bestimmt erschrecken, würdest Du mich sehen. 1. ganz blaß, 2. Augenränder, ganz
dunkel. Es ist bestimmt ziemlich anstrengend von früh um 6 bis abends ½ 10 Uhr
Dienst. Vormittags praktische Arbeit, nachmittags Schulung. Den ganzen Tag wirklich keine freie Minute. Was hatte ich da
für eine Menge Freizeit in Hohenelbe im
Vergleich zu dieser hier. Uns schien es
doch damals schon sehr wenig. Hinzu
kommt noch, daß wir ja abends nach
dem Gute-Nacht-Sagen noch heimlich
schreiben usw. Bis um 12 oder 1 Uhr nachts.
Und auf die Dauer hält man das wirklich nicht aus. Es sind ja nur noch 7 Wochen.
Am Sonnabend/Sonntag war ich auf Heimaturlaub zu Hause. Ich war da zu
einem Kameradschaftsabend von Militär eingeladen. Es war wirklich nett.
Jedenfalls habe ich ordentlich getanzt mit
einem netten Tänzer. Etwa 28 Jahre alt.
Jedenfalls konnte man sich mit ihm ganz
vernünftig unterhalten.
Nun habe ich so viel von mir erzählt und
mich nicht nach Dir erkundigt.
Wie geht es Dir?
Viele tausend Grüße von Deiner Annemie
Die RAD-Lager im Kreis Lüben |
Und hier die Postkarte einer "RAD-Arbeitsmaid" vom 22.4.1942 aus Großkotzenau. Dank an Reinhard Fitzner!
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22.4.1942, Lieber Onkel und Familie!
Heute habe ich nun einmal ein paar Minuten Zeit Euch zu schreiben. Mir gefällt es hier sehr gut. Seit Montag bin ich beim Bauern tätig und da habe ich schon allerhand gelernt. Heute war ich mit auf dem Felde und da hat es mir gut gefallen, nur sehr müde bin ich immer abends. Aber daran werde ich [mich] schon noch gewöhnen. Wo das x ist, ist mein Zimmer, ganz oben, den Tag so 30mal runter und rauf. So hat man es dann abends satt. Nunmehr für heute grüßt Euch herzlich [Arbeitsmaid] Else |
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