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Groß Kotzenau [1939]
Gemeinde, Kreis Lüben, 19,5 km, Post Groß Kotzenau über Lüben, mit Ortsteile Krebsberg, Plätscherdorf, 1396 Einwohner, 358 Haushalte, Flurgröße 2673 ha, 7 Gemeinderäte, Bürgermeister Paul Standke, Fernsprecher Seebnitz 27, Landratsamt, Finanzamt, Amtsgericht, Versicherungsamt, Landkrankenkasse, AOK Lüben / Regierungsbezirk, Arbeitsgericht, Versorgungsamt Liegnitz / Arbeitsamt Liegnitz, Nebenstelle Lüben / Standesamt, Schulgemeinde, Gendarmeriebezirk Groß Kotzenau / nächster Personen-, Güterbahnhof Groß Kotzenau (Kleinbahn) 0,5 km
Vorhanden: Elektrisches Stromverteilungsnetz, 2 Volksschulen / NN 150-160 m
Krebsberg [1939]
Ortsteil, Gemeinde Groß Kotzenau, Kreis Lüben, Post Groß Kotzenau über Lüben, 179 Einwohner, 41 Haushalte, nächster Personen-, Güterbahnhof Dohna 3 km, NN 155 m
Plätscherdorf [1939]
Ortsteil, Gemeinde Groß Kotzenau, Kreis Lüben, Post Groß Kotzenau über Lüben / 33 Einwohner, 9 Haushalte, nächster Personen-, Güterbahnhof Groß Kotzenau 2 km / NN 150 m
Aus: Alphabetisches Verzeichnis der Stadt- und Landgemeinden im Gau Niederschlesien mit den dazugehörigen Ortsteilen, Kolonien, Siedlungen usw., Kurt-Gruber-Verlag Wirtschaft Recht, Dresden, 1939 |
Groß-Kotzenau in Nachschlagewerken von 1789 und 1845
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Groß Kotzenau [1927]
Dorf Kreis Lüben Regierungsbezirk Liegnitz 1276 Einwohner Gemeindevorsteher Standke Postamt Eisenbahnstation Güterladestelle Groß Kotzenau Amtsgericht Finanzamt Zollamt Lüben Landgericht Liegnitz Sparkasse und Darlehnskasse Elektrizitätswerk Schlesien* (Kraft 380 Volt Licht 220 Volt Drehstrom) 2 evangelische Volksschulen 2 Fortbildungsschulen ländlich, zugehörig: Krebsberg, Plätscherdorf
Dreßler, Artur, Gastwirt
Engel, Richard, Tischlermeister
Frühauf, Fritz, Elektro-Installateur
Gall, Gottlieb, Bäckermeister
Großmann, Paul, Müllermeister
Hahn, Frieda, Schneiderin
Hahn, Willi, Stellmachermeister
Hänisch, Wilhelm, Gastwirt
Hanke, Adolf, Sattlermeister
Hanke, Martha, Schneiderin
Hänsch, Paul, Schuhmachermeister
Hartmann, Eduard, Tischlermeister
Jäkel, Bruno, Fleischermeister
Jäkel, Kurt, Fahrradhandlung
Jakob, Paul, Gastwirt
Kallert, Robert, Gastwirt
Kiersch, Gustav, Zigarrenhandlung
Klamet, Richard, Stellmachermeister
Kroll, Johann, Müllermeister
Redmer, Hugo, Gastwirt
Richter, August, Tischlermeister
Rother, August, Müllermeister
Scheibig, Wilhelm, Bäckermeister
Schindler, Hermann, Schmiedemeister
Schmidt, Reinhold, Schmiedemeister
Standke, Gustav, Stellmachermeister
Thiem, August, Fahrradhandlung
Tilgner, Paul, Schuhmachermeister
Tschirschke, Paul, Schmiedemeister
Walter, Paul, Korbmachermeister
Weidner, Gustav, Müllermeister
Wolf, Alwine, Schneiderin
* vermutlich Druckfehler, gemeint Liegnitz aus: Amtliches Landes-Adressbuch der Provinz Niederschlesien für Industrie, Handel, Gewerbe, Verlag August Scherl, Breslau, 1927
Groß Kotzenau [1913]
Dorf + Rittergut: Kreis Amtsgericht Lüben 19 km; Post Amtsbezirk Standesamtsbezirk Großkotzenau; evangelisches Kirchspiel Seebnitz; Eisenbahnstation katholisches Kirchspiel Kotzenau 5 km; 1229 + 135 Einwohner
Charlottenthal [1913]
Vorwerk [Groß Kotzenau]: Kreis Lüben 17 km; Post Groß Kotzenau 1 km; Eisenbahnstation Kotzenau 6 km; [14 Einwohner]
Krebsberg [1913]
Kolonie + Vorwerk [Groß Kotzenau] + Forsthaus [Klein Kotzenau]: Kreis Lüben 21 km; Post Groß Kotzenau 2 km; Eisenbahnstation Dohna (Schlesien) 3 km; [132 + 17 + 3 Einwohner]
Plätscherdorf [1913]
Kolonie [Groß Kotzenau]: Kreis Lüben 19 km; Post Groß Kotzenau 2 km; Eisenbahnstation Kotzenau 5 km; [38 Einwohner]
aus: Alphabetisches Verzeichnis sämtlicher Ortschaften der Provinz Schlesien, Verlag Wilhelm Gottlieb Korn, Breslau 1913 |
Schulhaus, Gasthaus und Sportgeflügelzucht von Hans Gärtner, Waren- und Bäckereigeschäft von Thiem, Dorfstraße
Schloss, Kaiserliche Postagentur, Schule und Friedenseiche, Gasthof zum weißen Roß, D. Rösler's Bäckerei und Warenhandlung
Gräfliches Schloss, Evangelische Schule, Eduard Grafs Gasthof Zum weißen Ross
1942: Schloss, Dorfstraße, Kriegerdenkmal, Evangelische Schule
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Groß-Kotzenau
Unser Heimatdorf, zu dem die Ortsteile Plätscherdorf und Krebsberg gehörten, war mit seinen 4 km Länge und rd. 1500 Einwohnern das größte Dorf des Landkreises Lüben.
Groß-Kotzenau war eine ausgesprochen ländliche Gemeinde, in der 31 Gewerbetreibende ihre Existenz hatten. Etwa 25 Prozent der Einwohner waren Arbeiter, die im nahegelegenen Kotzenau Lohn und Brot fanden. Die Bauern hatten es verstanden, aus dem Boden, der im Umkreis unseres Dorfes durchaus nicht als gut zu bezeichnen war, gute Erfolge zu erzielen; so wurden vorwiegend Weizen und Zuckerrüben geerntet.
Bis 1922 gehörte das in der Mitte des Dorfes gelegene Schloß mit Dominium dem Burggrafen zu Dohna, der es an den Grafen Rittberg-Modlau verkaufte. Im Jahre 1933 wurde dieser Besitz von der Deutschen Ansiedlungsbank Berlin erworben und vollständig aufgesiedelt. Frau Lieres-Wilkau behielt das Schloß und den Park mit zwei Nebengebäuden. Später wurde dann im Schloß der weibliche Arbeitsdienst untergebracht. Von den hier angesetzten 21 neuen Siedlern kamen bis 1933 allein 12 aus dem Rheinland.
So entstand ein großes Bauerndorf mit 44 Nebenerwerbsstellen und 154 landwirtschaftlichen Klein- und Mittelbetrieben. Obwohl der Boden nicht die beste Güte hatte, haben die Bauern durch angemessene Bearbeitung und Düngung gute Erträge im Zuckerrüben- und Weizenanbau erzielt. Die Neusiedler bewirkten eine wirtschaftliche Belebung und sicherten den 31 Gewerbetreibenden die Existenz. Etwa ein Viertel der arbeitsfähigen Einwohner fand in der 5 Kilometer entfernten Stadt Kotzenau Arbeit. Durch den Anschluß an die Kleinbahnstrecke Lüben-Kotzenau gewann auch Groß-Kotzenau. Der Bahnhof Charlottenthal schuf günstige Beförderungsmöglichkeiten.
Groß-Kotzenau hatte zwei Schulen. Zu einer gehörte Plätscherdorf und zur zweiten der Ortsteil Krebsberg. Kirchlich gehörte Groß Kotzenau zu Seebnitz, nur ein Friedhof war vorhanden. - Bis 1933 belebte hier ein reges Vereinsleben das Dorf; so bestanden zwei Gesangvereine, zwei Radfahrvereine, ein Turnverein, ein Militärverein. Weiter hatte unser Heimatdorf eine Freiwillige Feuerwehr, sowie einen Raiffeisenverein.
In der Mitte des Dorfes wurde Anfang der 1920er Jahre ein Kriegerdenkmal zum Gedenken der Gefallenen und Vermißten des 1. Weltkrieges errichtet. Unser Dorf konnte eine gute Verwaltung aufweisen, und so wurde für Ordnung im Gemeindewesen garantiert. Auch die zugewanderten Siedler lebten sich schnell ein und fühlten sich bald wohl.
Fritz Scholz in LHB 15/1960
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Schloss Groß Kotzenau 1914
Gasthaus zum Frieden von Paul Jakob
Einweihung des Kriegerdenkmals im Jahr 1924
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Ferienerinnerungen aus meiner Kindheit in Groß Kotzenau
von Georg Hartert
Wenn der Hochsommer kam, fehlte es mir in der Schule oftmals an der nötigen Aufmerksamkeit und Konzentration. Denn mehr als auf Weihnachten freute ich mich auf die Großen Ferien. Meine Großeltern besaßen in Groß-Kotzenau einen Bauernhof mit drei Pferden und dort durfte ich jedes Jahr meine Sommerferien verbringen. Noch heute höre und rieche ich in deutlicher Erinnerung all die Herrlichkeiten des Landlebens! Das Gackern der Hühner, das Zischen der Gänse, das Klappern der Pferdewagen, den Geruch des Getreides und des Kornes, des Grünfutters, des Mistes und die Ausdünstung der Pferde, die seit meiner frühesten Kindheit meine ganz besonderen Freunde waren.
Damals -1911- war alles noch ganz anders. Man kannte kein Auto, sondern ein Automobil, kein Flugzeug, sondern einen Aeroplan. Man kannte auch keinen elektrischen Strom, sondern die Ölfunzel oder - sparsam wie die Schlesier waren - einen Kamin mit Kienspänen.
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Wie glücklich waren wir zwei Brüder, wenn wir die Ungezwungenheit des Landlebens genießen durften. Großmutter verlangte erst einmal, daß wir die "guten Sachen" auszogen. Also in eine volkstümliche Kluft geschlüpft, Schuh und Strümpfe herunter und los ging es, barfuß auf Entdeckung oder mit aufs Feld. Wie herrlich war es, wenn wir am Feierabend mit dem Gespann voller Grünfutter, Gras, Klee oder Seradella heimfuhren. Oder gar mit einer Fuhre Heu! |
Galls Bäckerei und Warenhandlung, Kriegerdenkmal, Reichsarbeitsdienst-Lager im ehemaligen Schloss, Schule
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Das war eine Federung und ein Behagen, wie es mein heutiger Commodore nicht aufzuweisen hat. Meine Großmutter, Frau Bertha Tilgner geb. Gutsche, fuhr nie mit aufs Feld, denn sie war "Kaiserlicher Postagent" und mußte als solcher den ganzen Tag zur Verfügung stehen. Sie hieß im Dorf einfach die "Pust-Tilgnern" und damit kannte sie das ganze Dorf. Wenn sie einmal die Poststube verließ, um in den Ställen Umschau zu halten, dann mußte ich sie vertreten, indem sie mir sagte: "Junge, poß amoal ufs Telefung uf!" Das war damals noch nicht so entwickelt wie heute, sondern sämtliche an das Amt Kotzenau angeschlossenen Agenturen wurden, für alle hörbar, gerufen. So hatte z. B. Kotzenau den Ruf : kurzlang - oder Groß-Kotzenau: kurz-kurz-lang. Und wenn dieser Ruf ertönte, dann mußte die Großmutter sofort gerufen werden. Wenn wir zwei Brüder also im Hof blieben, dann stand uns gewissermaßen die Welt offen. Damals verkehrte auch noch eine Fahrpost mit Pferd und Wagen zwischen Kotzenau - Groß-Kotzenau - Seebnitz und zurück. Der Postfahrer war mein erklärter Freund, denn ich war eh und je ein großer Pferdenarr. |
Ich musterte also immer die verschiedenen Pferde, und ganz besonders hatte es mir ein Goldfuchs angetan, den ich noch deutlich in Erinnerung habe. Vorn weiß gefesselt, hinten gestiefelt, Blesse und etwas Ramsnase. Der Kutscher freute sich natürlich über den jungen Fachmann von 6 Jahren. Die Post nahm selbstverständlich auch Fahrgäste mit. Vor Großmutters Hof befand sich ein großer Steinhaufen, der gleichzeitig als Wartesaal diente. Hinter diesem stand ein Holzschuppen, durch dessen Astlöcher man die ganze Straße beobachten konnte. Und hinter dem Holzschuppen stand eine große alte Linde, die mit ihrem Duft die ganze Umgebung beglückte.
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Königs Gasthof zur Hoffnung um 1900 |
Damals war die Damenmode mit den wagenradgroßen Hüten, die dann auch noch mit vielen Blumen verziert waren. Eine solche Dame saß nun, solchermaßen "behütet", auf dem Steinhaufen und erwartete die Postkutsche nach Kotzenau. Mein Bruder, der damals acht Jahre war, und ich dachten daran, daß man doch für diese reichliche Flora auf dem Hut etwas tun müsse. Aber wie? Da vertrauten wir uns dem Jungknecht Willi an und der wußte Rat. Er holte eine Leiter, lehnte sie an die Linde und reichte uns dienstbeflissen eine Melkgelte voll Wasser. Nachdem wir nun den Olymp bestiegen hatten, rutschten wir auf einem starken Ast hintereinander vorwärts und stellten mit jedem Vorwärtskommen die Melkgelte voll Wasser vor uns her, bis wir den blumenreichen Hut aus der Vogelperspektive sehen konnten. Nun spendeten wir unter Vermeidung jeden Lautes einige Tropfen Wasser, das nur so auf den Hut trommelte.
Die Dame, unser Opfer, geriet in Aufregung, streckte die Hand aus und sagte: "Mei guder Hutt; es reint wull?" Nachdem sie festgestellt hatte, daß es nicht regnete, wiederholten wir das Manöver, und es wäre wohl auch alles gut gegangen, wenn wir beiden Brüder einig geblieben wären. Aber es entstand ein Streit um das Wasserrecht, bei dem der ganze Melkeimer kippte und seinen Inhalt über den herrlichen Blumenhut ergoß. Unser Opfer saß nun da wie mit übergroßen hängenden Ohren, und was daraufhin für ein Spektakel entstand, ist kaum zu beschreiben.
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1933: Albert Thiels Gasthof zum weißen Roß, Saal, Schloß Groß Kotzenau |
1943: Gasthaus zur Hoffnung von Martin Hänisch, Schloss und Schule
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Wir waren baß erstaunt, welch harten Worte dem Gehege ihrer Zähne entschlüpften. Der Lärm war so groß, daß der Postagent in Gestalt unserer Großmutter zu einem Lokaltermin erschien, und es war wie in dem alten schönen Weihnachtsliede .. die Alten schauen himmelwärts!
Zu unserer Rettung kam die Fahrpost, und mein Freund, der Kutscher, erkannte sofort die Situation, die sich mehr und mehr zuzuspitzen begann. Er brüllte: "Was issn nu los, wulln Se mitfohrn oder wulln Se lofen?" Ende des Zitats. Die Wassergeschädigte entschloß sich zur Mitreise und Großmutter erkannte die Lage mit dem Scharfblick eines Kriminalisten. Sie ging erst einmal in den Holzschuppen, wo Willi - wie vermutet - in seiner Fremdenloge am Astloch das Spektakulum beobachtete.
Gehöfte in Groß Kotzenau um 1917: Gustav Kuhnert, Heinrich Dörfers Warenhandlung, Gustav Hase, Müllermeister Wilhelm Weidner
Er bekam ein paar saftige Ohrfeigen; die gab es damals nämlich noch, denn wir hatten noch kein Jugendschutzgesetz. Dann erging an uns die ultimative Aufforderung, sofort herunterzukommen. Wir waren mit unseren sechs bzw. acht Jahren noch nicht im Besitz mathematischer Erkenntnisse, aber eine innere Erkenntnis ließ uns wissen, daß der Weg von unten zu uns ebensoweit wäre wie umgekehrt. Also baten wir die Großmutter um ihren Besuch, der aber kategorisch abgelehnt wurde. Nachdem uns freies Geleit zugesichert war, kamen wir mit bangem Herzen herunter und waren der Mutter Erde wiedergegeben. Im Schnellgerichtsverfahren mußten wir beiden Brüder sofort ins Bett...
Unser Großvater war ein sehr fleißiger Mann - aber wenn ich dann später als gereifter Mensch daran zurückdachte, daß Großvater noch immer im Acker oder auf der Wiese schaffte, wenn in anderen Landwirtschaften bereits die Zentrifugen durch ihr Summen davon Kenntnis gaben, daß die Milch "abgedreht" wurde, dann kam ich doch zu der Einsicht, daß reges Schaffen ohne Überlegung nicht das Richtige sei.
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Wir waren also mit besagtem schaffensfrohen Großvater im Großteich, so hieß die Feldgemarkung, die weitab von seinem Betrieb und vom Dorf in der Gegend von Raupenau lag. Da es sich um keine schwere Gespannarbeit handelte, hatte Großvater nur den alten Rappwallach eingespannt. Uns Jungen wurde die Zeit schon lang und wir freuten uns, als der Wallach aus dem Gerät ausgespannt wurde, dann hofften wir auf eine frohe Heimfahrt. Aber Großvater wollte erst noch einmal über die Bahnstrecke gehen, um nach dem Stand der Wasserrüben zu sehen...
Wir beratschlagten, was zu tun sei. Kurzentschlossen wurde der Wallach eingespannt, der sich ganz offensichtlich freute, und lustig und flott strebte er seinem Stall und seinem verdienten Hafer zu. Wir also auch. Allerdings hatten wir keine Ahnung von der Achenbachschen Fahrvorschrift! Einer von uns handhabte die Leine, der andere die Peitsche. Im Kampf um die Prioriäten bekam dann wohl der gute alte Wallach auch mal eine ausgewischt und setzte sich dafür in Galopp. O du friedliche, schöne Dorfstraße mit den schwirrenden Schwalben! Leider waren aber nicht nur Schwalben, sondern auch ein Kinderwagen darauf und der bekam durch unseren Galopp einen Stoß, so daß das Wägelchen umkippte und das "Büblein klein" herausstürzte. "Fahren" konnten wir schon, aber weder ausweichen noch anhalten. Weshalb auch? Der Wallach rannte an seinem Stall nicht vorbei, sondern blieb eben dort stehen. Und der Erfolg? - Ein dienstbeflissener Radfahrer hatte uns winkend überholt, und da wir im Elternhaus zu guten Manieren erzogen waren, erwiderten wir mit freundlichem Gewinke.
Dieser Radfahrer aber entpuppte sich als "Bote von Troja"; er berichtete unserer lieben Großmutter unsere rasche Heimfahrt. Wir wurden sofort ins Exil, also ins Bett, verbannt, denn noch wußte Großmutter ja nicht, wie ihr arbeitsamer Hausherr sich zu unserer Heimkehr stellen würde. Nun, der Spätheimkehrer kam nach einer Stunde, und zwar mit einem Sätuch voller Rüben. Wie wir dann später nach entsprechender "Abreibung" durch unsere Mutter erfuhren, wurde seinerzeit der Schuldspruch gegen den Großvater gefällt, weil er eben nie einen Feierabend finden konnte. Später habe ich dann in einem Reit- und Fahrturnier einen ersten Preis im Fahren nach dem System Achenbach geholt; aber das hatte nichts mit dem Wettfahren von anno 1912 zu tun.
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Erich Reichelts Gasthaus zu den drei Bergen, Saal, Gastzimmer, 1939
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Etwa um die Jahrhundertwende sollte sie die Kaiserliche Postagentur in Groß Kotzenau übernehmen und mußte zu diesem Zweck "getestet" werden. Also erschien ein vorgesetzter Postbeamter und stieg mit ihr ins Examen. Meine Großmutter beunruhigte das alles nicht. Aber als er mit so dummen Fragen kam: "Wie heißt die Reichshauptstadt?" "Wieviel kosten 10 Postkarten?" und so weiter, da platzte der Tilgnern der Kragen und sie fragte, ob der Herr Inspektor sie etwas verolbern wolle. "Wenn Sie mir aufgeben, das ganze Deutschland zu zeichnen oder mit Bruchrechnung oder Prozentrechnung kämen, dann ließe ich mir das gefallen, aber auf solchen Unsinn antworte ich nicht." Die Prüfung war bestanden und Großmutter wurde als Kaiserlicher Postagent vereidigt. |
An einem Weihnachtsfeiertag wollte die ganze Familie nach Seebnitz in die Kirche fahren. Durch irgend etwas erschraken die jungen Pferde und rasten mit dem "Glaswagen" und dessen Besatzung über den Göpel hinweg, was dem Wagen schlecht bekam. Zitternd stiegen die Kirchbesucher aus. Großmutter ging in die Küche zum "Zahnern", so nannte man das zweite Frühstück, das um 10 Uhr eingenommen wurde. Die Magd sagte verwundert: "Nee - daß Sie jiltzt assen können, ich zittre am ganzen Leib und bekäme keenen Bissen runter!" Großmutter aber betitelte sie "tumme Gans" und begründete ihren Appetit mit: "Wir laben ja alle no und 's ist keenem woas poassiert."
Wenn ihre Kinder früh zur Schule gingen und sie die nach vorn gebeugte Haltung feststellte, rief sie ihnen durch das blumengeschmückte Fenster nach: "Sägebegel", was heißen sollte, nicht so krumm wie ein Sägebügel zu gehen.
Etwa 1915 wurde in Groß-Kotzenau "hingerm Schneider" ein Friedhof eingerichtet, der das erste Mal mit der Nachbarin belegt wurde, der Frau des Carl Simon. Nun ging Großmutter sonntags gern mit ihrer alten Vertrauten Christiane Krug, die in der gräflichen Gärtnerei tätig war, spazieren, und wenn sie von anderen Frauen nach dem Ziel gefragt wurde, sagte sie: "Wir wolln uns beizeiten a Plätzel ufm Friedhof aussuchen." Sie war schon eine ganz besondere Frau! Und dort auf diesem Friedhof bekam sie dann 1918 "ihr Plätzel".
Georg Hartert, in verschiedenen Ausgaben des LHB 1975-1977
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Blick auf Groß Kotzenau
Groß Kotzenau: Das Gräfliche Schloss. In der NS-Zeit Unterkunft Reichsarbeitsdienst-Lagers für Mädchen Jemand hat darunter geschrieben "früher Schloss des Grafen zu Dohna". Erklärung zur RAD-Flagge bei Wikipedia.
Krebsberg/Groß Kotzenau: Gasthof zum Eichenwald von Otto Engel, Gastzimmer, Försterei Krebsberg, Partie am Riedelteich.
Krebsberg: Gasthof zum Eichenwald (Inhaber Otto Engel), Partie am Riedelteich, Försterei, Dorfpartie
Mit einem herzlichen Dank an Stefanie Maßny!
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