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Großkrichen [1939]
Gemeinde, Kreis Lüben, 4 km, Post über Lüben Schlesien, 506 Einwohner, 94 Haushalte, Flurgröße 1442 ha, 7 Gemeinderäte, Bürgermeister Karl Grosser, Fernsprecher Lüben 408, Landratsamt, Finanzamt, Amtsgericht, Versicherungsamt, Landkrankenkasse, AOK Lüben / Regierungsbezirk, Landgericht, Arbeitsgericht, Versorgungsamt Liegnitz / Arbeitsamt Liegnitz, Nebenstelle Lüben / Standesamt, Schulgemeinde Großkrichen / Gendarmeriebezirk Brauchitschdorf / nächster Personen-, Güterbahnhof Lüben 4 km / nächste Kraftposthaltestelle Lüben 4 km, vorhanden: 1 Volksschule, Rittergut mit Vorwerk
Aus: Alphabetisches Verzeichnis der Stadt- und Landgemeinden im Gau Niederschlesien mit den dazugehörigen Ortsteilen, Kolonien, Siedlungen usw., Kurt-Gruber-Verlag Wirtschaft Recht, Dresden, 1939
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Groß Krichen [1927]
Dorf Kreis Lüben Regierungsbezirk Liegnitz 360 Einwohner Gemeindevorsteher Grosser Postamt Eisenbahnstation Güterladestelle Lüben Entfernung 4 km Amtsgericht Kreissparkasse Stadtsparkasse Finanzamt Lüben Landgericht Elektrizitätswerk Liegnitz Gemeindesparkasse Raiffeisensparkasse Fernsprecher 207 Lüben evangelische Kirche und Volksschule
Deutschmann, August, Schuhmachermeister
Friese, Otto, Bäckermeister
Gollnisch, Paul, Schuhmachermeister
Opitz, Paul, Schuhmachermeister
Rösner, Paul, Stellmachermeister
Steinert, Paul, Schmiedemeister
Weidner, Gerhard, Fleischermeister
Weidner, Paul, Gastwirt (siehe auch Geschäftsanzeige von 1928)
aus: Amtliches Landes-Adressbuch der Provinz Niederschlesien für Industrie, Handel, Gewerbe, Verlag August Scherl, Breslau, 1927
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Groß Krichen [1913]
Dorf + Rittergut und Klein Krichen Dorf + Rittergut (mit Vorwerk): Kreis Amtsgericht Eisenbahnstation katholisches Kirchspiel Lüben 6 + 7 km; Post Amtsbezirk Standesamtsbezirk Groß Krichen; evangelisches Kirchspiel Groß Krichen und Lerchenborn; 381 + 211 und 146 + 116 Einwohner
aus: Alphabetisches Verzeichnis sämtlicher Ortschaften der Provinz Schlesien, Verlag Wilhelm Gottlieb Korn, Breslau 1913
Groß Krichen in Nachschlagewerken von 1789 und 1845
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Geschichte
eines Guts- und Bauerndorfes in Schlesien
Groß Krichen, Kreis Lüben
von Alfred Grosser
Pinneberg, 1988
Alfred Grosser beschreibt in seinem Buch die Geschichte des Dorfes seit seinen Anfängen im 13. Jahrhundert. Die Liste der Grundherren seit dem Mittelalter, Urkunden, ein Dorfplan, Fotos und eigene Erinnerungen illustrieren das Bild dieses schlesischen Dorfes bis 1945.
Wer sich für die Vergangenheit seiner Familie in Groß Krichen interessiert, findet in dem Buch eine Fülle von Informationen. Eine Einwohnerliste - dem Dorfplan nach Hausnummern zugeordnet - vervollständigt die liebevoll zusammengestellte Chronik.
Das Buch kann in jeder Bibliothek per Fernleihe ausgeliehen werden! Ein anderes Buch von ihm, die "Geschichte einer niederschlesischen Stadt in Jahreszahlen und Bildern mit einer Zeittafel nach Konrad Klose: 'Beiträge zur Geschichte der Stadt Lüben', Lüben 1924", bearbeitet von Alfred Grosser, Selbstverlag, 1995, ist noch erhältlich bei Familie Grosser.
Zum Dorfplan Groß Krichen von Alfred Grosser, verbunden mit dem Dank an Bernd Grosser und Susanne geb. Grosser für die Erlaubnis zur Verwendung verschiedener Dokumente aus dem Buch ihres Vaters auf meiner Website. |
Altes Schloss im Jahr 1909 |
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Altes Schloss und Anlagen im Jahr 1912
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Gasthof zum goldenen Frieden von Paul Weidner, Billardzimmer, altes Schloss, Kirche
Groß Krichen: Neues Schloss, Evangelische Kirche, Bäckerei und Warenhandlung Otto Friese
Das zwischen 1914 und 1916 durch einen Klein Krichener Maurermeister im Auftrag von Rittergutsbesitzer Fritz Moltrecht erbaute Schloss Mit einem herzlichen Dank an Rudolf Kurzke!
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Groß Krichen
Der Name meines Heimatdorfes hatte im Lübener Kreise einen guten Klang, ja man sprach mit einer gewissen Achtung von den "reichen Bauern" in Groß Krichen. Das war nicht ohne Grund so, denn Groß-Krichen hatte viele stattliche Bauernhöfe vorzu-weisen, die eine Betriebsgröße bis zu 43 ha, also 170 Morgen erreichten. Wie konnte es zu diesen guten Verhältnissen kommen?
Nun, Groß-Krichen scheint mir ein gutes Beispiel dafür zu sein, wie man in der Zeit der Besiedelung Schlesiens im Mittelalter die Dörfer angelegt hat. Es war ein, wie ich glaube, typisches Waldhufendorf.Groß Krichen lag in einem flachen Waldtal an einem Graben (die Bache genannt), der, in den Wiesen unterhalb des Lerchenborner "Fiebig-Bergs" entspringend, in ziemlich genau östlicher Richtung floß. In diesem Tal waren die Höfe ungefähr im Abstand von 200 bis 300 m südlich und nördlich des Baches planmäßig angelegt worden. In dieser damals sicher noch ganz urwüchsigen Sumpf-, Wiesen- und Waldlandschaft konnte man durch Roden und Urbarmachen einmal Wasser und Grünland für das Vieh und seitwärts davon das nötige Ackerland gewinnen. Durch immer weiteres Roden wurde so der Wald bis an die Gemarkungsgrenze zurückgedrängt. Ganz war er allerdings nicht verschwunden. So war an der Klein-Krichen-Oberauer Grenze in einigen kleineren Waldstücken der ursprünglich sicher in der ganzen Gemarkung bestehende Wald noch vorhanden.
Auf der Ostseite des Kirchturmes konnte man (und kann man sicher heute noch) sehen, daß der Giebel des Kirchenschiffes einmal höher hinaufgereicht hatte. Das Ganze der Kirche war in schlichtem Weiß gehalten, aber dies war wohl eine Übermalung; die ursprüngliche Farbe war eher braun. Im Altar-raum befanden sich zwei senk-recht stehende Grabsteine, einen Ritter und seine Frau darstellend. Ich kann mich nicht mehr an den Namen erinnern, wohl aber daran, daß sie aus der Zeit um 1600 stammten. Laut Inschrift war der Altar mit Altaraufsatz von einem "edlen und gestrengen" Herrn Hans von Schweinichen im Jahre 1618 gestiftet. Der Haupteingang führte durch den Turm; hier war der unterste Turmraum zu einer Gedenkstätte für die Gefallenen des 1. Weltkrieges ausgemalt worden. An den Turm angebaut war eine einfache ebenerdige Gruft, in der Steinsärge standen. |
Gross Krichen um 1900 mit Kirche und altem Schloss
Das alte Schloss Groß Krichen auf einer Ansichtskarte vom 13.6.1900:
Herzlichen Dank, lieber Fritz, für deinen Pfingstgruß. Wir haben die Feiertage hier bei unseren Verwandten verlebt und genießen das Landleben bei herrlichstem Wetter. Herbert hatte leider keinen Urlaub. Mit herzlichem Gruß von Papa und mir deine Cousine Else
Ob es sich bei der Schreibweise "Gr. Kriechen" um einen Schreibfehler handelt oder ob bewusst die alte Schreibweise verwendet wurde, ist unklar. Jedenfalls fand ich Dokumente aus dem 19. Jahrhundert, in denen sowohl Groß- als auch Kleinkriechen so geschrieben wurden.
Aus Schloss Groß Kriechen sendet Euch, lieben Klaues, einen herzlichen Gruß Euer E. Bottl.
Habe 3 herrliche Jagdtage hier verlebt, meine Strecke: 75 Hasen, 8 Fasanen, 4 Kaninchen. Gesamtstrecke 639 Hasen, 59 Fasanen, 10 Hühner, 45 Kaninchen. 14 Schützen-I Tag Herr von Wallenberg mit 70 Hasen - König - ich mit 63 Hasen - Kronprinz. Mündlich mehr!
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Nicht weit von der Kirche, deren hoher, schindelgedeckter, spitzer Kirchturm weit zu sehen war, stand ein unscheinbares holzverkleidetes Haus, anscheinend das älteste Pfarrhaus, während nicht weit davon das später benutzte Pfarrhaus stand, ein Steinbau in leicht barocker Form, also wohl noch aus österreichischer Zeit stammend.
Das Schulgebäude, sehr einfach gehalten, stand dicht bei der Kirche und gehörte auch der Kirchgemeinde. Ich erinnere mich noch daran, daß während der Naziherrschaft die Gemeinde dieses Gebäude von der Kirche kaufen mußte, und wenn ich mich recht entsinne, lag damals der Kaufpreis für das ganze Schulgrundstück bei 3000 RM.
Diese einzeln liegenden Gehöfte hatten arbeitstechnisch große Vorteile, vom Hof weg lagen in der Regel an einem Weg alle Ackerstücke; doch hatte dies auch seinen Nachteil - das Dorf wurde sehr lang (ca. 4 km Luftlinie). |
Innenraum der Evangelischen Kirche zu Groß Krichen
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So reichte Groß-Krichen einerseits bis auf ca. 1 km an Lerchenborn heran, während das andere Ende - das Vorwerk Erlicht - keine 2 km von Lüben-Altstadt entfernt war. Ein eigentliches Dorfzentrum gab es nicht. Die Schul- und Kirchwege waren z. T. sehr lang, so daß die am weitesten entfernten Besitzer häufig mit der Kutsche zur Kirche fuhren.
Damit sind wir gleich bei der Kirche, die sicher ursprünglich einmal ein alter Wehrturm - ein festes Haus - gewesen war. Sie lag im unteren Drittel des Dorfes, dort wo der aus den Brauchitschdorfer Wiesen kommende Pfeffergraben in die Bache mündete, also zumindest auf der Südseite durch ein ehemaliges Sumpfgebiet geschützt. An diesen sehr alten Turm hat man dann irgendwann einmal das Kirchenschiff angebaut.
Wie fast in jedem schlesischen Dorf war in Groß Krichen auch ein Rittergut - das "Dominium". Hierzu gehörte das eigentliche Gut mit dem Mittelhof (ungefähr in der Dorfmitte) und am östlichen Dorfende das Vorwerk Erlicht; alles zusammen ca. 655 ha = 2660 Morgen groß. Der Gutshof des Hauptgutes war sehr geräumig. Auf ihm stand auch das "alte Schloß", in dem Wallenstein vor der Schlacht bei Steinau so gegen 1633 gewohnt haben soll. Doch war von dem alten Bau bis auf ein wappengeschmücktes Portal nicht mehr viel zu erkennen, denn im vorigen Jahrhundert hatte ein Vorbesitzer in dieses alte Schloß die Brennerei eingebaut, so daß das Gebäude total verändert wurde. Dafür wurde etwas vom Hof abgesetzt und in einem Park mit einem Doppelteich versehen ein neues Schloß im Geschmacke der damaligen Zeit mit viel Türmchen erbaut. Aber leider aus Feldbrandziegeln, so daß dies Haus nicht sehr lange hielt und von meinen Eltern 1914 bis 1916 ein neues Gutshaus errichtet wurde, das heute noch steht und voll intakt sein soll! Der alte Maurermeister aus Klein-Krichen, der dieses Haus gebaut hatte, hat gute Arbeit geleistet! (Siehe Abbildung weiter oben.) |
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Nun habe ich anfangs gesagt, die gute wirtschaftliche Lage der Groß Krichener Landwirtschaft kam aus den planvoll angelegten Höfen hervor. Das war es natürlich nicht allein. Die Güte des Groß-Krichener Bodens kam hinzu. Der erwähnte Graben trennte merkwürdigerweise - ähnlich wie die Oder ganz Schlesien - die Gemeindeflur in den bodenmäßig besseren nördlichen Teil und den südlichen geringwertigeren Teil. Ich erinnere mich, daß die Bodenwertzahlen, die für eine neue Besteuerungsgrundlage kurz vor dem Kriege ermittelt wurden, von ca. 12 bis 65 (von hundert möglichen) Punkten reichten, also für den Lübener Kreis sehr gut waren. Der Groß Krichener Boden war ertragreich, er war zum großen Teil für Zuckerrüben, Weizen und Klee nutzbar. Deshalb hatte wohl auch ein früherer Groß Krichener Landwirt, der Landesälteste Mitscher, die Lübener Zuckerfabrik gegründet, und Millionen Zentner Groß Krichener Zuckerrüben sind im Laufe der Jahre in die Lübener Fabrik gefahren worden.
Groß Krichen soll früher "Krzeczcin" oder so ähnlich geheißen haben. Es ist also anzunehmen, daß neben der deutschen Besiedlung, die eben in Einzelhöfen erfolgte, ein früher slawischer Ort mit diesem Namen bestanden hat. Genaues kann nicht gesagt werden, aber ich könnte mir denken - die Slawen siedelten in Runddörfern -, daß das alte Krzeczcin um die Gastwirtschaft Weidner herum gelegen hat. Hier war die Lage der Gehöfte bzw. Gebäude - im Gegensatz zu der anderen langgestreckten Dorflage - noch als rund zu bezeichnen. Die Groß Krichener nannten diesen Dorfteil meines Wissens den "Ring". Natürlich kann das nur eine ganz kleine Siedlung gewesen sein. Eine vielleicht ebenso uralte Anlage war im Park, der sogenannte Hankeberg. Dicht an dem früher sicher sehr sumpfigen Bachtal gelegen, war hier eine künstliche Wallanlage zu erkennen. Ob es eine vorgeschichtliche Fluchtburg war oder eine in späteren kriegerischen Zeiten angelegte Befestigung, entzieht sich meiner Kenntnis. Der Verlust unserer Heimat hat ja nicht nur viele materielle Güter gekostet, sondern auch vieles, was an Tatsachen und Wissen aus der Heimatgeschichte erarbeitet war, dem Vergessen anheimfallen lassen.
Fritz Moltrecht (1877-1955), Rittergutsbesitzer und Landesältester Groß Krichen in LHB 8/9/1970 |
Kutscher Schmerder vor dem alten Schloss Groß Krichen vor dem Umbau |
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