Chronik von Heinzenburg
Zur Erinnerung an das 150jährige Jubiläum der evangelischen Kirche zu Heinzenburg aufgeschrieben von Pastor Bruno Burkert, gewidmet "Dem Gedächtnisse des Stifters der Kirche, Herrn Christian von Busse, und seiner Frau Charlotte geb. von Heyd".
Stille Burg, aus deinen Mauern
Alles Leben ist entfloh'n;
Und die Ritter und die Fräulein
Schlummern längst im Grabe schon.
Nicht bei schäumenden Pokalen
Tönt hier mehr ein fröhlich Lied;
Nicht mehr auf des Herrn Befehle
Der Vasall zum Burghof zieht.
In den Grüften bei den Ahnen
Ruhen still die Burgherrn hier -
Horch! Da brausen Orgelklänge
Durch die Stille her zu mir.
Und im Liede hör' ich's jubeln:
"Heilig, heilig ist der Herr!
Alles wird zu Staub und Asche,
Ewig, Ewig ist nur Er."
(von einer unbekannten Verfasserin)
Es ist ein merkwürdiges Gebäude, dem sich unsre Aufmerksamkeit zuwendet: merkwürdig in seiner Anlage und merkwürdig in seiner Geschichte. Als alte Wasserburg auf einer künstlichen Erhöhung in grauer Vorzeit geschaffen, in fast ganz flacher Umgebung, mit Wasser und Moor als einzigem, aber hinreichendem und wirksamem Schutz, hat die Heinzenburg in seltenem Maße eine wechselvolle Geschichte gehabt. Mit Recht heißt es in der Zeitschrift "Silesia": "Wenig alte Bauwerke unsrer Provinz dürften einen so wunderbaren und kontrastierenden Wechsel in ihrer Bestimmung aufzuweisen haben als die Heinzenburg bei Groß-Heinzendorf, eine Meile südlich von Polkwitz. Früher als Wallring vielleicht der Sitz heidnischer Häuptlinge, wenn nicht ein Opferplatz, welcher wie gewöhnlich mehr den Stempel des Krieges als den des Friedens und der Frömmigkeit getragen haben mochte, sehen wir jetzt das Innere des Hauptgebäudes in ein christliches Gotteshaus verwandelt."
Die Entstehungs- und älteste Geschichte der Burg geht in das Reich der Sage zurück. In einer handschriftlichen Chronik, die sich im Pfarr-Archiv befindet, heißt es denn auch, daß sich bei dem gänzlichen Mangel an aus der ältesten Zeit herstammenden schriftlichen Urkunden, deren früher vorhanden gewesen sein sollen und aus denen schlesische Geschichtsschreiber vor 300 Jahren ihre Materialien geschöpft haben, über den ersten Ursprung dieser Burg und deren Inhaber nichts Bestimmtes ermitteln lasse. Jedoch stehe soviel fest, "daß sie, wie das ihre noch bruchstückweise vorhandenen Grundmauern beweisen, ihr Dasein in sehr grauer Vorzeit erhalten und vielleicht schon mit mehreren andern Burgen Schlesiens, als diese Provinz noch zu Polen gehörte, die Verbindungs- und Schutzlinie gegen Böhmen gebildet hat, und zwar schon zu einer Zeit, als das Christentum entweder noch nicht eingedrungen war oder wenigstens noch nicht allgemein Aufnahme gefunden hatte.
Alles aus damaliger Zeit ist in einen Nebel von Sagen gehüllt, deren gründlichste, aber auch schreckhafteste die ist, daß diese mitten in unzugängliche Sümpfe wunderbar gegründete, damals turmartig, meist aus Steinen zusammengefügte - in Gestalt einer 8 - geschlossene Veste durch ihre Lehnsherren oder auch Besitzer aus einer Wachtveste in ein weit und breit Furcht und Schrecken erregendes Raub- und Mordnest verwandelt worden ist, bis endlich Gott den geängstigten Bewohnern der weiten Umgegend einen Retter und den Reisenden einen Schützer erweckte: es war dies Herzog
Heinrich I., genannt der Bärtige, Gemahl der heil. Hedwig, aus dem Stamm der Piasten."
So schreibt auch Herr von Busse - und ich kann für diese älteste Geschichte in Ermangelung von Urkunden nur die verschiedenen, mir vorliegenden Nachrichten wiedergeben und zusammenstellen - in seinem Aufsatz über die Heinzenburg, daß in den alten Zeiten, ehe die polnischen Herzöge aus dem Piastischen Stamme Schlesien beherrschten, in hiesiger Gegend, bei Heinzendorf und Herbersdorf gelegen, ein schädliches Raubnest und Mördergrube war, wovon bis auf diesen Tag ein Teil des nicht weit gegen Mittag gelegenen Waldes den Namen der Mordhaide behalten hat. "Durch die Raubzüge von dieser Burg aus wurde die ganze Gegend und namentlich die große Heerstraße, an der sie lag, unsicher gemacht, z. B. Seebnitz, welches bis dahin Stadt war, wurde dadurch, daß der Verkehr andere Bahnen einschlagen mußte, allmählich wieder Dorf, und Kotzenau, welches in günstigerer Lage war, wurde Stadt" (Notiz in einem Aufsatz in Nr. 69, Jahrg. 1900, des Polkwitzer Stadtblattes)
Über den Fall der alten heidnischen Veste geht eine Sage im Volksmunde, die auch heute noch zu hören ist und hier auch nicht übergangen werden soll. Wir entnehmen sie der Zeitschrift "Silesia":
"In der Burg, heißt es, herrschte ein heidnischer Fürst Hinz, tapferer aber düsterer Gemütsart. Feindselig der neuen aufkeimenden Lehre, wollte der heidnische Krieger die Religion seiner Väter nicht verlassen und verteidigte sein Eigentum und den Glauben seines Herzens gegen die mächtige Schar der bekehrten Landsleute, die ihn zur Entsagung des Götzendienstes zwingen wollten. Die Veste, stark durch ihre natürliche Lage mitten im morastigen Lande, war im weiten Kreise von den christlichen Kriegern umzingelt, doch Hinz schlug alle Angriffe mutig zurück und wollte lieber in kümmerlicher Entsagung dahinsterben, als seine Burg dem Feinde und sein Herz einem ihm unbekannten Gott übergeben.
Wie er nun einst einen nächtlichen Überfall glücklich zurückgeschlagen hatte, begibt er sich in den Hofraum, um seine Brust in der frischen Morgenluft zu baden und den Göttern sein Dankopfer zu bringen. Der christliche Hauptmann, dies bemerkend, besteigt einen kleinen Kahn und verkleidet ihn so künstlich mit Laub und frischem Strauch, daß er wie eine Gruppe junger Bäumchen anzuschauen war. Hinter dem Laub versteckt sich der Christ und rudert ganz still und allmählich längs des breiten Festungsgrabens immer am Ufer hin, so daß ihn niemand bemerken konnte.
Als nun der schlaue Mann dem heidnischen Fürsten gegenüber steht und dichter Opferrauch keine Entdeckung fürchten läßt, so leitet er kühn sein kleines Floß dicht an das Ausfalltor und schießt dem opfernden Fürsten einen tötenden Pfeil in die entblößte Brust. So, spricht die Sage, wurde der Götzendienst des Heiden die Ursache seines Todes und des Falles der Heinzenburg."
Wenden wir uns nun von der Sage dem Boden der Geschichte zu, so hat Herzog Heinrich I. jenes Raubnest zerstört und auf dem Platze eine Festung zum Schutze des Landes erbaut. Diese nannte er nach seinem Namen Heinze- oder Heinrichsburg. So hören wir in dem Aufsatz des Herrn von Busse und auch in den andern vorliegenden Schilderungen, die vielleicht aus jenem Aufsatz geschöpft haben. "Mauerbrecher und Feuersglut haben wohl das Wesentlichste an dem Vernichtungswerk dieser ersten Burg getan, und Regen und Wind, Frost und Hitze haben es im Verlauf der Jahrhunderte vollendet. Jetzt reden nur noch kümmerliche Überbleibsel cyklopischen Mauerwerks von der soliden Technik jener längst verflossenen Zeit."
Die angenehme Lage des Ortes bewog den Herzog Heinrich und seine fürstlichen Nachkommen, denselben öfters zu besuchen; sie ließen sich daher hier ein Schloß bauen, worin sie nicht allein wohnen, sondern auch ihren öffentlichen Gottesdienst halten konnten.
In der Teilung 1319 kam die Burg durch Teilungsvertrag an Herzog Johann von Glogau, bei dessen Unterwerfung als Vasall unter die Krone Böhmen der Name Heinzendorf - castrum Heinzendorf - unter den herzoglichen Städten besonders genannt wird; dies wäre denn die erste urkundliche Erwähnung der Burg. Dieser Herzog belehnte am 18. April 1331 den Johann von Donyn mit der Heinzenburg.
Aus dieser Notiz geht hervor oder vielmehr wird bestätigt, daß die Heinzenburg wirklich eine uralte Anlage gewesen sein muß; ferner beweist die Urkunde, daß die Burg bereits vor 1331 im Besitz der burggräflich von Donyn (Dona?)schen Familie gewesen ist. - Durch Vertrag vom 27. August 1337 über das Herzogtum Steinau wurden Steinau, Guhrau, Fraustadt nebst den anliegenden befestigten Plätzen Polkwitz, Hencyndorff (ein andermal Heincyndorph geschrieben), Neustädtel, Lindau und Köben von Herzog Johann von Schlesien an seine Brüder Heinrich von Sagan und Konrad von Oels verkauft, und dieser Verkauf wurde von dem König Johann von Böhmen am 25. März 1338 bestätigt.
Im Jahre 1361 (23. April) verkaufte Herzog Hannus in Schlesien und Herr zu Guhrau, durch Vermittlung Kaiser Karls IV., an Herzog Heinrich (V.), Herrn zu Glogau und Sagan, die Hälfte von Steinau und Köben, dazu Polkwitz, Heinzendorf und Linda (jetzt Neustädtel). Über Heinzendorf heißt es: Heinzendorf, das Haus, mit all ihrer Mannschaft und Herrschaft, und mit allen Lehen, sie seien geistlich oder weltlich, mit allen Genüssen, Nutzen und Früchten, mit allen Wäldern, Büschen und Wiesen und auch mit all ihren Zugehörungen, mit allen den Rechten, als von alters in seinen Grenzen hat gelegen. Als im Jahre 1365 Herzog Ludwig von Schlesien (Brieg) einen Vertrag vermittelte um die hinterlassenen Besitzungen des Herzogs Johann, wurden sie dem Herzog Heinrich V. von Glogau, Grünberg, Lindau, Polkwitz, Heinzendorf und Meseritz zugesprochen gegen 600 Mark Prager Groschen, die an Herzog Konrad von Oels zu zahlen waren. Bei einer 1378 vorgenommenen Teilung des Fürstentums Glogau in drei Teile - mit den Hauptstädten Glogau, Sagan und Freystadt - wird unter den zum Glogauer Teil gehörenden Gebieten mit Guhrau, Steinau, Köben, Beuthen, Tarnau, Rützen mit der Meseritz, Raudten, Polkwitz, Priedemost auch Heinzendorf genannt. Im Jahre 1396 starb hier auf der Heinzenburg Herzog Heinrich VI. von Sagan und wurde in Sagan bestattet.
Zwei spätere Nachkömmlinge jenes herzoglichen Ahnherrn, der die Burg gegründet, beide Heinrich genannt und nach damals gewöhnlicher Erbsonderung zugleich mit dem Fürstentum Glogau beteilt und mit gemeinsamem Verfügungsrecht über die Burg, gaben sie 1419, also bei Ausbruch des Hussitenkrieges, einem Ritter von Probin zum Lehen. Der von ihnen darüber ausgestellte Lehen- und Kaufbrief ist wohl die älteste bekannte Urkunde über die Heinzenburg.
In diesem herzoglichen Handschreiben ist zunächst bemerkenswert, daß als erstes Lehnsstück "das Altar-Lehen des Altars auf dem Hause" genannt wird, woraus erhellt, daß eine Hauskapelle vorhanden und dieselbe wohl auch mit gewissen Rechten oder Nutzungen ausgestattet war. Weiter geht aus dieser Urkunde hervor, daß ein Teil von Heinzendorf Stadtrecht gehabt hat und Schloß, Städtchen und Dorf Heinzendorf - nebeneinander bestanden haben; aus einer späteren Urkunde hören wir noch, daß das Städtchen einen Salzmarkt besessen hat. Es ist aus mündlicher Überlieferung genugsam bekannt, daß der vordere - auf die Burg zu gelegene, westliche - Teil von Heinzendorf das Städtchen gewesen ist; auf einem größeren Platze daselbst steht jetzt noch eine Staupsäule, mit der Jahreszahl 1666. (Die Staupsäule befand sich bis 1945 in Heinzendorf auf dem Platz vor Knuschkes Gastwirtschaft. Später fanden sie Heimatbesucher in der Nähe davon im Graben liegend.) Noch in einem Buche aus dem Ende des 18. Jahrhunderts, in welcher Zeit Heinzendorf längst aufgehört hatte, Städtchen zu sein, heißt es, daß "um diesen Platz meistens Handwerker wohnen, die Freyleute und Bürger heißen und viele Freyheiten genießen; z. E. sind sie eigentlich nicht, wie die Groß-Heinzendorfer untertänig noch dienstbar mit ihren Kindern, sondern stehen nur unter herrschaftlichem Schutz."
Seit diesem Verkauf bzw. Belehnung der Burg an den Ritter Heinz von Probin läßt sich der Besitzwechsel der Burg aufgrund der von Herrn Grafen von der Recke-Volmerstein zugestellten Urkunden durch das ganze Mittelalter hindurch bis in die neuere Zeit ohne Unterbrechung verfolgen. Bevor wir uns aber dieser weiteren politischen Geschichte der Heinzenburg zuwenden, sei das Erforderliche über Anlage und Bauart der Ritterburg oder des befestigten Platzes, wie man sie nun nennen will, gesagt.
Die Burg hat aus zwei Teilen bestanden, der oberen oder eigentlichen Burg und der unteren Burg oder dem Vorhof, in welchem jedenfalls die Wirtschaftsgebäude gestanden haben; die ganze Anlage hat daher die Gestalt einer 8 gehabt. Der untere Teil bestand aus einer natürlichen Erhöhung, die auch jetzt noch kenntlich ist. Für den oberen Teil mag vielleicht auch eine natürliche Erhebung vorhanden gewesen sein, der Hauptsache nach ist der eigentliche "Burg-Berg" künstlich hergestellt worden "durch unterirdische Gewölbe und aufgefahrenen Schutt"; ob die Burg auf eichenen Pfählen ruht, wie auch vermutet wird, muß dahingestellt bleiben. Dem Aufsatz in der Zeitschrift "Silesia" entnehme ich die Notiz, daß die Burg turmähnliche Gestalt gehabt hat. Es ist bei dem jetzigen Hauptgebäude, dem Mittelstück der Kirche, ein Riß in der Mauer sichtbar, aus welchem man ersehen kann, daß hier ein Anbau stattgefunden hat. Die alte Burg wäre sonach der nach der Straße zu gelegene nordöstliche Teil des Hauptgebäudes gewesen; bei der Einrichtung des verfallenen Schlosses zur Kirche soll ein Stockwerk abgetragen worden sein. Nach dieser Schilderung können wir sie uns so recht als eine hohe trotzige Veste inmitten von Wasser und Moor vorstellen.
Der Anbau des zweiten Teiles hat mündlichen Überlieferungen zufolge erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts stattgefunden; aus ebenfalls dieser Zeit, jedenfalls neuesten Datums, stammen wohl die weiteren Anbauten zu beiden Seiten des Hauptgebäudes, nordöstlich und südwestlich, die als Treppenhäuser dienen.
Der Burghof war und ist noch von einer starken Mauer umgeben, welche früher die Gestalt eines Sechsecks oder ähnlich gehabt haben mag; an dieser Mauer ist im Laufe der Zeiten verschiedentlich ausgebessert worden, und man sieht den einzelnen Teilen des umschließenden Mauerwerks das verschiedene Alter an; das älteste ist doch wohl das, was aus Feldsteinen zusammengefügt ist. Die Mauer hatte früher Schießscharten, deren eine noch vorhanden ist. Daß auf der breiten nordwestlichen Seite in der Mitte eine Zugbrücke heraufgeführt hat, läßt sich aus einem daselbst wahrnehmbaren Tor mit Aufgang schließen.
Der weitere Schutz der Burg waren Gräben und Wälle, und zwar umfloß ein breiter, flacher Graben die Burgmauer, den dann eine weitere Umwallung umgab. Wie hoch das Wasser gestanden hat, sah man noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts am Mauerwerk. Die Züge der Wälle oder Dämme kann man teilweise jetzt noch deutlich verfolgen. Vor allem gaben Sumpf und Moor dem Schloß eine so starke natürliche Befestigung, daß, wie ein alter schlesischer Chronist schreibt, sich darin haben 100 Mann gegen 10 000 verteidigen können.
Von der Burg soll der Sage nach ein unterirdischer Gang ins Freie geführt haben, und zwar in die sogenannte Mordhaide, Richtung Polkwitz, als letztes Rettungsmittel in Bedrängnissen. Reste dieses Ganges bestehen noch. Außerdem soll in der Mauer des Gebäudes selbst ein senkrechter Schacht in die Tiefe führen, durch welchen die Belagerten in diesen unterirdischen Gang gelangen konnten. Ein großer Teil des Burghofes ist durch Keller oder Gänge unterwölbt. Jedenfalls hat einer der Beschreiber recht, wenn er das Ganze einen rätselhaften Ort nennt.
Wenden wir uns nun wieder der weiteren Geschichte der Heinzenburg zu, so hat Ritter Heintz von Probin (Profan) das Schloß nebst all seinem Zubehör und Gerechtsamen, nachdem er es einmal vorübergehend an Hans von Kittelitz und dessen Bruder veräußert, aber von demselben wieder zurückgekauft hatte, alsdann bis zu seinem Tode besessen und an seinen unmündigen Sohn George von Profan vererbt. Dieser hat es an den Ritter Herrn Otto von Czedelitz "auf Parchewitz gesessen", seinen Vormund, verkauft laut Original-Urkunde vom 22. April (Freitag vor St. Georgentage) 1446, in welcher Herzog Heinrich von Schlesien, Herr zu Glogau, Herrn Otto von Czedelitz mit dem Schloß und ganzem Besitz belehnt. Ritter Otto von Czedelitz verkaufte im Jahre 1453 die Burg an die Brüder Fritz und Christoph von Knobelsdorff auf Hirschfeld.
Auch im Besitz derer von Knobelsdorff ist die Burg nicht lange geblieben, ging vielmehr schon im Jahre 1468 durch Verkauf in den Besitz eines George Beberen von Olßen über. Aus dem darüber vorhandenen Kauf- und Lehnsbrief ist erwähnenswert, daß das Städtchen Heinzendorf inzwischen einen Salzmarkt erlangt hatte; auch werden unter den "Zugehörungen, Genüssen und Nutzbarkeiten" des Schlosses "Hämmer" genannt.
In der nun folgenden Zeit wird die Burg und das Besitzrecht über sie in die Unruhen und Kriegswirren hineingezogen, die damals in Schlesien, sonderlich im Herzogtum Glogau, losbrachen. Schlesien gehörte seit Mitte des 14. Jahrhunderts (1335-1355) zur Krone Böhmen, zerfiel aber in eine Menge Fürstentümer: Breslau, Liegnitz, Glogau, Sagan, Schweidnitz, Jauer u. a. Nachdem schon zwischen dem König Matthias Corvinus von Ungarn einerseits und dem König Georg Podiebrad von Böhmen, sowie dessen Nachfolger Wladyslaw von Polen andererseits seit 1469 lange Streitigkeiten um Böhmen und Schlesien bestanden, kam es 1476 noch zu besonderen Kämpfen um das Herzogtum Glogau.
Aus dieser unruhigen und kriegerischen Zeit stammt eine der vorhandenen Urkunden über die Heinzenburg, vielleicht die interessanteste von allen, ausgestellt am 25. November 1480 von Herzog Johannes von Sagan - gewöhnlich Herzog Hans genannt - und folgenden Inhalts: Herzog Hans hat das Schloß im Kriege "mit dem Schwerte genommen"; die Inhaber von Heinzendorf sind unter seinen Feinden gewesen. Er hat sich nun mit Bibrinner zu Olßen und Christoph Talckenberg auf Talckenstein, die Ansprüche auf den Besitz gemacht haben, auseinandergesetzt und verleiht dieses von ihm nun frei verfügbare Gut an seinen Hauptmann Georg von Loben, Hauptmann zu Schwiebus, in Anerkennung der treuen Dienste, die ihm derselbe getan, daß er "Leib und Gut nicht gesparet" und "zur Erstattung des Verderbens und Schadens", den er "an seinen Gütern durch Mord und Brand erlitten hat". - Als später Herzog Hans mit König Matthias zerfiel und der König ungarische Truppen gegen ihn nach Glogau zu Felde schickte, hat das Schloß in diesem Kriege eine bedeutsame Rolle gespielt.
Der Besitz von Gut und Schloß Heinzendorf war in der Folgezeit streitig. Nachdem es von Georg von Loben, dem Parteigänger des Herzogs Hans, auf seinen Sohn Christoph von Loben auf Kolzig übergegangen war, wurde es im Jahre 1499 von letzterem an den Ritter Sigmund von Rottenburg als Erbgut verkauft. Die andere Partei aber war nicht gewillt, ihre Ansprüche darauf aufzugeben; vielmehr verlieh König Wladislaus von Böhmen und Ungarn 1498 "sein Recht und Gerechtigkeit an dem Schloß an seinen getreuen Kriegsmann Christoph von Talkenwerg auf Dyewyn", mußte es ihm aber überlassen, dasselbe geltend zu machen. Der Preis bei jenem Verkauf an Sigmund von Rottenburg betrug 3700 rheinische Gulden; der Verkauf war ein freihändiger. Christoph von Loben verspricht laut der vorhandenen Urkunde dem Käufer, ihn gegen alle Ansprüche, die Christoph von Talkenwerg au Heinzendorf zu haben vermeint, zu vertreten. Auch stellt er für die Erfüllung seiner Verpflichtung einige Edelleute als Bürgen, die im Falle der Nichterfüllung zu Glogau, Freystadt oder Sagan im Hause eines Wirts mit einem Knecht oder zwei Pferden Einlage halten sollen. Es entspricht dies merkwürdige Abkommen einer Gepflogenheit jener Zeit, wonach eben bei einem solchen Handel die Bürgen auf ihre Kosten in einem Wirtshause leben und zehren mußten, bis der Schuldner seiner Verpflichtung nachgekommen war.
Die Partei des Herzogs Hans hat in diesem Falle ihr Recht behauptet. Denn laut Bestätigung des Bischofs Johannes von Breslau vom Montag nach Judika 1509 verkaufte Sigmund von Rottenburg Schloß, Städtchen und Dorf Heinzendorff samt zugehörigen Gütern weiter an Leonhard und Christoph von Schkopp; die darüber ausgestellte Urkunde trägt die Aufschrift: "Der jüngste Lehnbrief"; als der nächste Verkauf erfolgte, was erst nach 1 ½ Jahrhunderten geschah, hatten die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse sich verändert.
In dem Besitz derer von Schkopp ist das Gut, wie gesagt, lange Zeit gewesen; auch in der Umgegend war dieses Geschlecht weit und breit begütert, so gehörten ihm auch Kotzenau, Krebsberg, Parchau. Ihre Bildnisse befinden sich auf ihren Leichensteinen an der Groß Heinzendorfer
Kirche, "als urkundlicher Beleg dafür, daß sie hier von den Gütern Besitz gehabt und in der damals evangelischen Kirche zu Heinzendorf beigesetzt worden sind". Im Jahre 1519 wird noch Christoph von Schkopp als Besitzer genannt, in einer Schuldurkunde, nach welcher er von den Vikarien des Domstifts zu Glogau eine Hypothek von 50 ungarischen Gulden zu 6 % Zinsen auf Schloß, Städtchen, Güter und Dörfer Heinzendorf und Herbersdorf im Polkwitzischen Weichbilde aufnimmt. Es ist dies zugleich die erste urkundliche Erwähnung von Herbersdorf. Der letzte Besitzer aus dem genannten Geschlecht war ein Herr Friedrich von Schkopp, der wahrscheinlich am Ende des 30jährigen Krieges gestorben ist.
Von den Unruhen und Drangsalen des 30jährigen Krieges wurde auch die Heinzenburg heimgesucht und war des öfteren ein Zankapfel der streitenden Parteien, nämlich der Kaiserlichen und der Schweden, die auf ihren Besitz ein besonderes Gewicht gelegt und sie in gehörigen Verteidigungszustand gesetzt hatten. Bei der näheren Wiedergabe der Ereignisse und Verhältnisse aus dieser Zeit folge ich der mir vorliegenden handschriftlichen Chronik. Es heißt dort: "Der Umstand, daß die Heinzenburg schon in früheren Zeiten als ein Eigentum der Glogau'schen Herzöge für die Stadt Glogau eine Flankendeckung und im äußersten Fall wegen seiner schwer zu durchdringenden Sümpfe und Wallgräben eine sichere Zufluchtsstätte, Waffenlager und vielleicht auch Aufbewahrungsstätte dahin in Sicherheit gebrachter Kostbarkeiten der Bewohner der Umgegend abgegeben haben mochte, ließ in militärischer Beziehung auch annehmen, daß sie zu diesem Zweck im 30jährigen Kriege nicht unbenutzt geblieben und allererst von kaiserlichen Truppen besetzt worden sei, zumal da im Jahre 1632 das Fürstentum Glogau, wozu die Heinzenburg eben gehörte, von Kaiser Ferdinand II. dem Generalissimus der kaiserlichen Armee, Wallenstein, übergeben worden ist. Nach dem Tode dieses Generals fiel das Herzogtum nebst allen Zubehörungen an den Kaiser zurück, der es unter steter Besatzung sich zu wahren suchte. Jedoch verlautet bei dem Hin- und Herziehen der kaiserlichen und schwedischen Armeen bezüglich der von den ersteren besetzt gehaltenen Heinzenburg nichts Erhebliches." Erst in den Wechselfällen des letzten Teils des Krieges tritt sie namentlich hervor.
Im Sommer des Jahres 1641 belagerte und eroberte der schwedische General Stalhansch, nachdem er zuvor das "Städtchen Lüben samt dem Schloß" eingenommen hatte, bald darauf auch die Heinzenburg und erbeutete darin eine große Menge Proviant und Munition. Als Plätze, die dieser Feldherr nach seinem Rückzuge in Niederschlesien noch eine Zeitlang behauptete, werden Sprottau, Lüben, die Heinzenburg und Sagan genannt. In demselben Jahr belagerte der Kaiserliche General, Herzog Franz Albrecht, das Schloß und erzwang die Übergabe: "Im Jahre 1642 am 10. September machten sich von Glogau aus über Polkwitz die Schweden unter Anführung ihres Generals Torstenson abermals an das Schloß Heinzenburg, eroberten es nach einigen Tagen durch heftiges Canoniren mit Accord, steckten die darin befindlichen Kaiserlichen 200 Mann unter, und, weil es unnötig schien, Besatzung hineinzulegen, wurden die Werke eingerissen und die Häuser angezündet, wiewohl sie der Festung ihre natürliche Festigkeit nicht nehmen konnten" (Lucas, Denkw.) Von dieser Zeit an hat die Heinzenburg, vielleicht bis auf einen kleinen Überrest des ehemaligen herrschaftlichen Wohnhauses und der Hauskapelle, in Schutt und Trümmern gelegen. Mehr als ein Jahrhundert verging, bis sie wieder zu Ehren kam und ihrer neuen Bestimmung übergeben wurde.
Infolge der Wirren des 30jährigen Krieges müssen die Güter in einen traurigen Zustand gekommen sein. Eine Urkunde aus dem Jahre 1657 besagt, daß die Gläubiger des verstorbenen Friedrich von Schkopp auf Groß-Heinzendorf das Schloß und Städtchen Heinzendorf samt den Dörfern Herbersdorf und Neudorf, die geraume Zeit "gantz öde und wüste und ohne einigen gewissen Possessoren gestanden", nach langen vergeblichen Bemühungen, einen Käufer zu finden, für 31000 Taler schlesisch an den Obersten Freiherrn Franz von Mers verkauft haben, und daß dieser seinerseits die Besitzung an Julius Graf v. Brayda, Freiherrn zu Cornelian, den Gatten seiner Tochter Potentiana Juliana, weiter veräußert hat. Das Bild, welches wir hieraus über den Zustand, in welchem sich die hiesigen Güter damals befunden haben müssen, gewinnen, entspricht so recht den allgemeinen zerrütteten und trostlosen Verhältnissen, die nach dem 30jährigen Kriege weit und breit in deutschen Landen herrschten.
Für unsere Ortsgeschichte ist auch von Interesse, daß in dieser Urkunde neben den älteren Dörfern Heinzendorf und Herbersdorf nun auch Neudorf genannt wird; doch wird dieses Dorf schon auf einem der an der Groß Heinzendorfer Kirche befindlichen Leichensteine aus dem Jahre 1603 genannt, so daß seine Entstehung wohl vor 1600 anzusetzen ist. Übrigens sind in einer aus dem Jahre 1640 herrührenden Vokation für Pastor Populus, evangelischem Geistlichen in Heinzendorf, als Patrone genannt die Herren von Stößel, von Gladisch, von Rechenberg und andere. In welcher Beziehung dieselben zur Familie von Schkopp gestanden haben, muß dahingestellt bleiben.
Die Urkunden überspringen einen längeren Zeitraum. Im Jahre 1724 wurde von Kaiser Karl VI. dem Herrn Theodor von Imbsen, K. K. österreichischem Hofrat, für geleistete 20jährige Dienste, in Sonderheit auf einer spanischen Reise, bei Feldzügen, Schlachten und Belagerungen, die Anwartschaft auf die d. z. im Besitz der Herren Gebrüder Grafen von Brayda stehenden Lehnsgüter Heinzendorf, Herbersdorf, Neuguth und Neudorf verliehen; als Kaufwert der Güter werden 40000 Gulden rheinisch genannt. Bei Heinzendorf werden Schloß und Städtchen H. besonders genannt. Zwischen 1657 und 1724 ist also Neuguth entstanden, als das letzte in der Reihe der Dörfer des Kirchspiels. Herr von Imbsen hat aber wahrscheinlich diesen Besitz überhaupt nicht angetreten, denn als Herr von Busse die Güter im Jahre 1744 erwarb, waren sie noch immer im Besitz eines der Grafen zu Brayda.
In dieser Zeit hat die Heinzenburg eine seltsame Verwendung gefunden, und zwar gerade, als sie im Besitz eines geistlichen Herren war, des Grafen Brayda, Bischofs zu Olmütz. Eine Notiz aus jener Zeit gibt uns über den brauchbaren Teil des Wohnhauses auf der Burg den Aufschluß, daß man damals auf dem Schloß Heinzenburg getanzt und in einem Häuschen daneben Bier geschenkt habe; also auch Tanzhaus ist die Burg gewesen! Im übrigen waren es damals traurige Ruinen. In dem Aufsatz des Herrn von Busse heißt es, daß sie "ein Behältnis vieler Schlangen und Ottern gewesen, von deren schädlichen Bissen die alten Einwohner noch viel traurige Exempel zu erzählen wußten".
Im Jahre 1744 kaufte Herr Christian Daniel von Busse, Königl. Kammerdirektor zu Glogau, die hiesigen Güter, und damit brach auch für die Heinzenburg eine neue Zeit an. Als nämlich Herr von Busse mit seiner Gemahlin Hedwig Charlotte geb. von Haydin das verwüstete Schloß besichtigte und sie darin die Spuren einer früheren Hauskapelle fanden, ging ihr beider gemeinsamer Wunsch dahin, das ganze Haus zu einem Gotteshause einzurichten. Warum dies nötig war, werden wir im folgenden sehen, und damit wenden wir uns dem zweiten Teil unserer Chronik, der älteren Geschichte der Kirchgemeinde, zu.
Es ist bereits im Vorhergehenden mehrfach erwähnt, daß in dem Schloß Heinzenburg - auch Heinzendorf genannt, weil es mit dem Städtchen in Verbindung stand - eine herrschaftliche Kapelle war, in welcher der Gottesdienst vom Pfarrer zu Heinzendorf zugleich versehen werden mußte. Es reicht das in die alten Zeiten zurück. - Wie hernach zur Zeit der Reformation allerorten in unserem Vaterlande auch in unserer Heimat Schlesien vieler Herzen sich der "neuen Lehre" heilsbegierig zuwendeten, so haben auch "Herrschaft und Bewohner der hiesigen Güter" das evangelisch-lutherische Glaubensbekenntnis angenommen. Wann dies aber geschehen ist, läßt sich nicht mehr genau bestimmen. Gewiß ist, daß 1565 die Reformation hierselbst "in vollem Schwange" gewesen und der Gottesdienst danach eingerichtet war. Nach einer anderweitigen beiläufigen Notiz zu schließen, möchte es schon weit früher geschehen sein. Heinzenburg hielt sich, wie gesagt, zu Groß-Heinzendorf. Die Kirche zu Heinzendorf war die Mutterkirche, die zu Herbersdorf die Filiale (Tochterkirche). Beide Kirchen gehörten den Lutheranern bis zum Jahre 1654, wovon weiter unten mehr die Rede sein wird.
Ehe wir die weitere geschichtliche Entwicklung verfolgen, sei über die beiden Kirchen zu Heinzendorf und Herbersdorf, weil sie etwa ein Jahrhundert den Evangelischen gehört haben, auch einiges mitgeteilt. Ich entnehme die Angaben der mehrerwähnten Nachrichten- und Urkundensammlung: "Anno 1525 ist die Kirche zu Herbersdorf steinern erbauet, so vorher hölzern war. Anno 1562 ist die Mauer um den Kirchhof geführet und am Abend Johannes des Täufers vollbracht worden. 1515 war die Chorkirche gebauet und die Kirche renoviert. 1584 wurde der neue Predigtstuhl gesetzt. Anno 1618 im Monat Juni ist die Halle durch Martin Langen erbaut, Die Kirchväter waren Matth. Scholz und Christoph Hennicke. Dies hat Zachar. Zahn junior gewesener Schulmeister zu Herbersdorf aufgezeichnet" Ich beschränke mich auf diese Angaben aus der evangelischen Zeit. Die alte Kirche zu Heinzendorf ist 1504 erbauet. In einer protokollarischen Verhandlung, welche Herr von Busse 1758 mit den Scholzen und Gerichten von Herbersdorf und Neudorf aufgenommen hat, sagten diese aus, sie hätten von ihren Vorfahren gehört, daß die Kirche zu Herbersdorf von den Evangelischen erbauet worden sei. Wenn dies der Fall ist, so müßte die Reformation hierselbst sehr zeitig Eingang gefunden haben, da die Kirche 1525 gebauet sein soll.
Wir kommen jetzt zu der traurigsten und bewegtesten Zeit in der Geschichte unserer Kirchgemeinde. Um diese Zeit, und was in ihr geschah, überhaupt zu verstehen (wie es möglich war, daß es geschehen konnte), müssen wir die Bestimmungen des Westfälischen Friedens von 1648 ins Auge fassen, Der unselige furchtbare 30jährige Krieg war beendet; die Wohltat des seit Jahren heiß ersehnten Friedens wurde in den deutschen Landen mit Dank und Jubel aufgenommen. Man konnte es wohl erst gar nicht begreifen, daß nach so langen Kriegszeiten nun wirklich Friede sein sollte. "Dem alten Landmann kam der Friede vor, wie die Rückkehr der Kinderzeit, da man noch fröhliche Tage unter der nun längst umgehauenen Dorflinde gefeiert. Das junge, in den Kriegsjahren erwachsene Geschlecht vernahm wie ein Märchen, daß eine Zeit nahe, in welcher Saat und Ernte gedeihen würden, wo man nicht mehr aus halbverfallenen Heimstätten in unwegsame Schlupfwinkel flüchten würde. Gewiß, das ,Nun danket alle Gott` des Martin Rinckart kam allen von Herzen."
Aber die nicht minder heiß ersehnte Glaubensfreiheit brachte der Friedensschluß nicht, wenigstens nicht in dem Maße, in dem es die evangelischen Stände erhofft hatten, Es wurde vielmehr an dem Grundsatz festgehalten, daß der Landesherr über die Religion seiner Untertanen zu bestimmen habe! Eine Auffassung, die wir von unserem heutigen Denken und Empfinden aus unter dem Einfluß der Glaubens- und Gewissensfreiheit, in der wir aufgewachsen sind, schlechterdings nicht begreifen können. Von dieser Bestimmung in dem sogenannten Friedensinstrument wurden die Evangelischen in den kaiserlichen Erbfürstentümern Glogau, Sagan und Schweidnitz-Jauer am härtesten betroffen. Es wurde dem Kaiser als dem unmittelbaren Landesherrn für diese Fürstentümer das jus reformandi zugesprochen, d. h, die Befugnis, in diesen Ländern die katholische Religion wiederherzustellen. Die Kaiser aus dem Hause Habsburg, welche damals über Deutschland, "das heilige römische Reich deutscher Nation", herrschten, waren katholisch. Trotz aller Fürsprache evangelischer Reichsfürsten und Schwedens ließ sich der Kaiser nicht davon abbringen; nur einige Milderungen wurden erreicht, Diese liefen darauf hinaus, "daß die Einwohner jener Fürstentümer nicht um ihres Glaubens willen zur Auswanderung gezwungen werden, sondern sogar befugt sein sollten, außerhalb der Grenze ihren Gottesdienst abzuhalten", mit anderen Worten, daß hier wohl eine Sperrung und Hinderung des evangelischen Gottesdienstes, nicht aber eine gewaltsame Bekehrung stattfinden dürfe, und daß ferner den Protestanten dieser Fürstentümer gestattet sein sollte, in den drei Hauptstädten dieser Lande Schweidnitz, Jauer und Glogau, außerhalb der Ringmauern drei Kirchen für ihren Gottesdienst zu errichten.
Die Ausführung der angedrohten Maßnahmen verzögerte sich noch etwas, da die schwedischen Besatzungen erst 1650 Schlesien räumten. Die Evangelischen der bedrohten Fürstentümer benutzten diese Frist, um sich durch eine Gesandtschaft die Erhaltung der Religionsfreiheit bei dem Kaiser zu erbitten; aber vergeblich! Im Jahre 1652 erschien der Kaiserliche Befehl, "die Prädicanten (d. h. Prediger - einen anderen Amtstitel vergönnte man den evangelischen Geistlichen nicht -) aus den Erbfürstentümern abzuschaffen", mit Ausnahme derer an jenen drei bewilligten Friedenskirchen. Dieser Befehl war das Signal zur Aufhebung der öffentlichen lutherischen Religionsübung in diesen Landen. Daraufhin reichten die evangelischen Landstände und Städte eine Bittschrift bei dem Kaiser ein; und diese Bittschrift gehört wohl zu dem Ergreifendsten, was Menschen je gesagt und geschrieben haben. Sie führen in derselben aus, daß sie dem Kaiser bis in den Tod getreu sind, und daß nur die höchste Not sie treibt, den Landesherrn bei allen seinen hohen Reichsgeschäften mit ihrem Anliegen zu behelligen. Wenn es verlautet, daß der Kaiser - es war Ferdinand III. -gewillt sei, ihre Kirchen im Fürstentum einzuziehen, so wollen sie seine Macht, es tun zu können, nicht in Zweifel ziehen; sie appellieren aber von dem Thron der Gerechtigkeit zum Thron der Barmherzigkeit und bitten den Kaiser, als ihre höchste Obrigkeit um Christi willen, daß er sich ihrer erbarmen möge! Gott, ihr Gewissen und die Geschichte bezeugen ihnen, daß sie im Dienst des Kaisers in dem langen Kriegsjammer alle Opfer gebracht haben. Ihre Hütten seien ruiniert, ihre Dörfer eingerissen, ihre Felder verstraucht, und nun komme noch die herzbetrübende Nachricht von Gefahr ihrer Gotteshäuser!"
Man kann diese Bittschrift gewiß nicht ohne die tiefste Bewegung lesen. Man merkt es ihr an, daß die Bittenden sie mit ihrem Herzblut niedergeschrieben haben. Der Bescheid, der darauf kam, war ein kaltes, ablehnendes Nein; sogar mit dem Hinzufügen, sie sollten den Kaiser hinfort mit dergleichen unbehelligt lassen. Den Kaiserlichen Räten mochte es wohl doch unbequem sein, solche herzbewegenden Vorstellungen und Klagen zu hören! Die Sache ging nun weiter ihren Gang. Als am 31. Mai des Jahres 1653 ein erster und am 18. Juni desselben Jahres ein wiederholter Befehl des Landeshauptmanns von Glogau an die Fürstentumsstände erging "zur Abschaffung der lutherischen Geistlichen", suchten die Landstände um Aufschub für die Durchführung dieser Maßregel nach, im Vertrauen auf eine Fürsprache und Interzession der protestantischen Kurfürsten bei dem Kaiser auf dem Reichstage zu Regensburg, d. d. 15. Mai 1653.
Aber es war alles vergeblich! Auch eine neue Bittschrift der evangelischen Kurfürsten, Fürsten und Stände auf dem Reichstage bei Kaiser Ferdinand zugunsten der evangelischen Schlesier, daß doch nicht "mit solcher Schärfe" gegen sie verfahren werden möchte, war fruchtlos. Es blieb den evangelischen Landständen des Fürstentums nichts übrig, als gegen die zunächst verfügte und teilweise vorgenommene Sperrung und Versiegelung der Kirchen und die darauf erfolgte Wegnahme derselben, sowie die Amtsentsetzung der evangelischen Geistlichen feierlich Protest zu erheben, was sie auch in aller Form getan haben. Die Sache der Evangelischen in dieser schweren Zeit ist besonders von dem Adel des Fürstentums geführt worden, der, wie gesagt, fast ausschließlich, wenn nicht überhaupt durchweg evangelisch war. Es gehörten zum Fürstentum ganz oder teilweise die jetzigen Kreise Glogau, Guhrau, Freystadt, Sprottau, Grünberg, Schwiebus.
Die "Reduktion" der Kirchen wurde nun in der Weise vorgenommen, daß "man für die einzelnen Landesteile besondere Kommissionen bildete, welche von Pfarrdorf zu Pfarrdorf herumzureisen, die Kirchschlüssel sich einzufordern, die Entfernung der Pastoren ins Werk zu setzen und die Gotteshäuser aufs neue nach katholischem Ritus zu weihen beauftragt waren". Nachdem im Dezember 1653 in dem Fürstentum Münsterberg 48 Kirchen geschlossen worden waren und während des ganzen Winters eine Kommission in den Fürstentümern Schweidnitz und Jauer, wo es gegen 200 Kirchen einzuziehen gab, tätig gewesen war, kam im Frühling das Fürstentum Glogau an die Reihe nebst andern Landesteilen. Im Glogauischen waren es 164 Kirchen, welche den Evangelischen abgenommen wurden, in ganz Schlesien etwa 656.
Am 6. Februar 1654, mittags 2 Uhr, fand durch die dazu eingetroffene Kornmission der traurige Akt der "Reduktion" der Kirche zu Heinzendorf statt, im Anschluß daran die der Kirche zu Herbersdorf. An demselben Tage, vormittags 10 Uhr, hatte das gleiche Geschick schon die Kirche zu Polkwitz getroffen. Abends kamen noch die Kirchen zu Zauche und Arnsdorf an die Reihe, wo aber "alles wüste" war. Man sieht also: die Kommission hat stramm gearbeitet! Aus der nächsten Nachbarschaft erwähne ich noch Kummernick, Tarnau, Eisemost und Gläsersdorf, welche am 4. bzw. 5. Februar vorgenommen wurden, sowie Kunzendorf, Parchau, Weißig, welche nebst Wolffersdorf und Primkenau am 1. Februar und den folgenden Tagen drankamen.
Leider begnügte man sich nicht mit der Wegnahme der Kirchen, sondern die Einwohner, die fast ausschließlich evangelisch waren, wurden heftig genötigt, katholisch zu werden; begünstigt wurde dies noch, als die Heinzenburger Güter an katholische Herrschaften kamen.
Durch solche Bedrückungen wurde "die Anzahl der katholischen Einwohner in den Heinzenburger Gütern vermehrt", während manche Evangelische sich dadurch bewegen ließen, ihr Hab und Gut zu verlassen. "So hatte von nun an der evangelische Gottesdienst ein Ende auf der hiesigen Güter Dorfschaften."
Nachdem nun die standhaft gebliebenen Lutheraner in Heinzendorf ins Liegnitzsche nach Oberau und Seebnitz, die Herbersdorfer und Neudorfer nach Klein-Kotzenau sich gehalten hatten, wurden für die bedrängten, ihrer Heimatkirchen beraubten Evangelischen des damaligen Glogauer Fürstentums Zufluchtskirchen von wohlgesinnten, opferwilligen Glaubensgenossen im benachbarten Liegnitzer Fürstentum erbaut, Grenzkirchen genannt, weil sie hart an der Grenze errichtet wurden, um den kirchenlosen Gemeinden so nahe wie möglich zu sein; so die Kirche zu Kriegheide im Jahre 1656 und die zu Hummel im Jahre 1657, Notkirchen im wahrsten Sinne des Wortes. Nach der Kirche zu Kriegheide, welche aus einem Scheunenbansen ausgebaut wurde, hielten sich die 66 Gemeinden aus verschiedenen Teilen des Glogauer Fürstentums, den jetzigen Kreisen Sprottau, Glogau, Lüben, auch Freystadt. Die Kirche vermochte die Zahl der zuströmenden Kirchgäste bald nicht mehr zu fassen, so daß die Decke durchbrochen werden mußte, von einem Palmbaum getragen, um noch auf dem Boden Platz zu schaffen. Die Zahl der Kommunikanten stieg bis auf 11500 im Jahre. Diese Grenzkirche wurde von den Herren von Strosch auf Kotzenau erbaut, während die zu Hummel von der "damaligen gottseligen Herrschaft zu Nieder Glaesersdorf und Hummel mehrenteils den Heinzendorfer Untertanen zu gut" errichtet wurde.
So haben denn die Evangelischen unserer Dörfer in dieser schweren Zeit ihre beschwerliche Kirchfahrt nach Hummel und Kriegheide gehalten, und haben sie gehalten fast ein Jahrhundert. "Bis im Jahre 1744 Herr von Busse, Königl. Kammerdirektor zu Glogau, die Heinzenburger Güter käuflich übernahm und einen Entschluß faßte und in Ausführung brachte, der ebenso sehr von seiner tiefen Frömmigkeit, der wahren Glaubensliebe zu den seinen Gütern angehörigen evangelischen Konfessionsgenossen, als auch seiner großherzigen Uneigennützigkeit und Freigebigkeit ein seltenes Zeugnis gibt" Im Jahre 1751 erhielt die Gemeinde wieder eine eigene Kirche.
Damit sind wir zum dritten und Hauptteil unserer Chronik gekommen. Die Heinzenburg als Kirche und die Geschichte unserer evangelischen Gemeinde in dieser neuen Zeit.
Bereits am Schlusse des ersten Abschnitts unserer Chronik ist darauf verwiesen, daß Herr von Busse, Königl. Kammerdirektor in Glogau, nach Erwerb der Heinzenburger Güter in Verbindung mit seiner Gemahlin Hedwig Charlotte geb. v. d. Heydt bei Besichtigung der verfallenen Burg Spuren einer früheren Hauskapelle in derselben entdeckte und den Entschluß faßte, die ganze Burg zur Kirche einzurichten. Und aus der alten Geschichte der Kirchengemeinde, wie sie im zweiten Abschnitt dargelegt worden ist, geht hervor, warum sie diesen Entschluß faßten, daß es nötig war, der evangelischen Gemeinde, die ihre Kirche verloren hatte, wieder zu einer Kirche zu verhelfen, die zerstreute Gemeinde wieder zu sammeln um eine gemeinsame Stätte der Erbauung.
Herrn von Busse ging die Notlage seiner evangelischen Untertanen zu Herzen, und besonders war es seine Gemahlin, welche von dem heißen Wunsch beseelt war, hier ein evangelisches Gotteshaus erstehen zu sehen. Sie ließ sich in ihren letzten Tagen dahin vernehmen, sie wollte selber die Steine zu diesem Baue tragen helfen, wenn derselbe noch bei ihrem Leben angefangen werden möchte. Sie hat es zwar nicht mehr erlebt, denn schon am 20. Januar 1750 wurde sie aus dieser Zeitlichkeit abgerufen und ihre Gebeine sind in der herrschaftlichen Gruft unseres Gotteshauses zur Ruhe gebracht, aber nach ihrem Tode ist ihr Wunsch in Erfüllung gegangen. Ehre ihrem Andenken! Wenn Herr von Busse am Schlusse seines Aufsatzes über die Heinzenburg schreibt, daß "auch das Gedächtnis der selig Verstorbenen, auf deren Veranlassung dieses gute Werk geschah, bei ihren spätesten Nachkommen im Segen bleiben möchte", so mögen auch diese Zeilen dazu dienen, ihr Gedächtnis in der Gemeinde wachzuhalten und fortzupflanzen!
Nachdem auch aus der Gemeinde selbst dem evangelischen Grundherrn mehrfach die Bitte vorgetragen, seine evangelische Hauskirche in der Burg für die ganze Gemeinde einzurichten, damit sie der beschwerlichen Kirchfahrt nach Hummel und Kriegheide überhoben würden, sowie auch um des besseren Unterrichtes der Kinder willen, ließ Herr von Busse am 17. April 1751 die Gerichtsleute von Heinzendorf, Herbersdorf und Neudorf zusammenkommen und gab ihnen seine Vorschläge bekannt, "wie man von Seiten der Herrschaft vermeine, dieses gute Werk einzurichten".
Herr von Busse erklärte sich bereit, dem Wunsche der Gemeinde Rechnung zu tragen, daß sie allesamt ihren Gottesdienst beisammen in einem Hause halten und nicht ferner zu verschiedenen Kirchen gehen dürften, vornehmlich aber auch die evangelische Schule mit frommen, geschickten und fleißigen Leuten bestellt werden möchte, welche die Jugend zur Gottesfurcht, zum Lesen, Schreiben und Rechnen anführen könnten. Zu dem Zwecke wolle er die herrschaftliche Schloßkirche auf eigene Kosten auf eine solche räumliche Art herstellen und erweitern lassen, daß sie für die ganze Gemeinde hinreichen würde. Der von ihm gestellten Bedingung, daß die Gemeinden bei Sr. Majestät die Konzession zur Benützung der Kirche nachsuchen müßten, entsprachen dieselben durch Einreichung eines Memoriale: "Daß sie sich der vorgedachten herrschaftlichen Hauskirche als eines gemeinsamen Bethauses mit bedienen und der zu bestellende Schloßprediger dahin mit vociert werden dürfte, daß er auch an den Gemeinden seinen Dienst und Amt in allen Stücken wie andre Bethausprediger tun könne."
Diese nachgesuchte Erlaubnis wurde denn auch in der erbetenen Form von König Friedrich II. von Preußen bald erteilt, durch Kabinettsordre d. d. Glogau, 28. August 1751 und durch Konzession vom 13. September desselben Jahres. Die Gemeinde wurde dem Glogauer Konsistorium unterstellt. Inzwischen war zwischen Herrn von Busse einerseits und der evangelischen Gemeinde der vier Dörfer andrerseits ein Rezeß geschlossen worden, in welchem ein Abkommen getroffen wurde über die beiderseitigen Verpflichtungen zur Erbauung und Instandhaltung der Kirche, Pfarre und Küsterei, sowie über Beschaffung der Mittel für die kirchlichen Bedürfnisse und die Besoldung des Geistlichen und des Lehrers. Dieser Rezeß, welcher das Datum des 1. August 1751 trägt, bildet die unveräußerliche Rechtsgrundlage für die Unterhaltung des ganzen Kirchensystems unserer Gemeinde und ist zugleich ein schönes Zeugnis für das einmütige Zusammenwirken "der Erb- und Grundherrschaft der Heinzenburger Güter" mit der Gemeinde. Die näheren einzelnen Bestimmungen, welche darin enthalten sind, sind eine innere Angelegenheit der Gemeinde.
Der Rezeß ist von Herrn Christian von Busse einerseits und den Schulzen und Gerichten der vier Ortschaften, sowie "denen, welche in der Gemeinde des Schreibens erfahren", andererseits eigenhändig unterzeichnet und mit erforderlichen Siegeln bestätigt. Die Gerichtsschulzen hießen: von Heinzendorf Johann George Kirschke, von Neudorf Kaspar Boderke, von Herbersdorf der erste Gerichtsgeschworene: Gustav Gleß. Im übrigen begegnen wir unter den zahlreichen Unterschriften aus der Gemeinde manchem Namen, der auch heute noch vertreten ist: Anderssohn, Scholtz, Webers, Mücke (?) in Heinzendorf. Webers, Erlicht, Knappe in Herbersdorf. Strempel, Kläßig, Kaulisch, Reimann in Neudorf.
"Nachdem nun - so wird in der handschriftlichen Chronik weiter berichtet - Herr Geheimrat von Busse das Schloß zum Gottesdienst hatte einrichten lassen und den ersten Prediger voziert, so ward am 3. Adventsonntag (1751) dies Gotteshaus eingeweiht zur Schloßkirche der Herrschaft und Gemeindekirche ihrer evangelischen Untertanen von Gr.-Heinzendorf, Neugut, Herbersdorf und Neudorf. Der Pastor und der Schulmeister wohnten erst in Neuguth, bis nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges und gänzlicher Abtragung der Erdwälle, Ausfüllung der Wallgraben und Planierung und Säuberung des Bodens auf der Heinzenburg von wildem, seit 100 Jahren an der wüsten Umgebung wuchernd emporgewachsenen Strauchwerk ein geeignetes Pfarr- und Schulhaus nebst Amtswohnung an der Stelle, wo sie jetzt stehen, erbaut und mit Gehöft und Gartenland versehen wurden."
Zur Einweihung der Kirche wurde ein Gedicht verfaßt, auf welches ich durch die Verwaltung der Stadtbibliothek zu Breslau gütigst hingewiesen worden bin und das sich in dieser Bibliothek in einem Sammelbande gedruckt befindet. Es trägt die Aufschrift und Widmung:
Da durch Bussens Sorg und Huld Heinzenburgens Zion pranget
Und zu seines Stifters Ruhm die Vollkommenheit erlanget;
Da der Stifter diesen Tempel Gott zu seiner Wohnung weiht.
So bringt dieses heilige Opfer ächter Ehrerbietigkeit D.M.D.H.PC.
(Breslau gedruckt mit Graß'schen Schriften.)
Aus den 14 Versen seien nachstehende wiedergegeben:
Motto: Ps. 132,13 f.
Anbetungswürdiger, großer Gott!
Der in des Himmels Glorie thronet,
Allmächtigster Herr Zebaoth!
Der in den Heiligtumen wohnet,
Wo jene edlen Seraphinen
Ihm in der tiefsten Ehrfurcht dienen!
Bewundernswürdge Majestät!
Du dreimal heilig großes Wesen,
nach dessen Vorsicht alles geht,
Du hast dir diesen Bau erlesen,
den Bussens Ehrfurcht, dir verpflichtet,
zu deinem Heiligtum errichtet.
0 Heinzenburg, gepriesener Ort!
O Ort, den Gottes Zion zieret!
Wie segensreich ist jenes Wort,
so uns den Weg des Lebens führet.
Auf, hört mit Andacht! was erschallet
dem, der in Ehrfurcht dahin wallet!
O Zion, wo die Gottheit ruht!
Ach, Heinzenburgs beglückte Auen!
Der, so die größten Wunder tut,
läßt sich in deinem Tempel schauen.
Gott spricht: Dies Haus bleibt mir erwählet!
Und meinen Tempeln zugezählet.
O Zion, welches voller Flor
in Heinzenburges Grenzen pranget.
Der Schöpfer hebe dich empor!
Bis du den vollen Glanz erlanget
der Herrlichkeit, so ewig stehet
und Gottes Heiligtum erhöhet.
Dein Wächter, Zion, lehre treu
die Bürger deiner teuren Herde!
Ach, daß sein Amt gesegnet sei!
Damit nicht eins verloren werde
aus dem erhabnen Christenorden,
so, Zion, deine Bürger worden. -
O Zion! Deine Stifterin
umschließen schlafend deine Mauern,
O Zion, diese Bürgerin!
Mußt du in Boy und Flor bedauern.
Sie ist in deinen Schoß versenket
und als ein Erstling dir geschenket. -
Sie starb, doch der erlöste Geist
prangt siegende in jenen Höhen,
dort, wo man Gottes Hoheit preist,
wo alle Cherubinen stehen.
Sie stimmt mit aller Engel Chören
ein Heilig an zu Gottes Ehren. |
Das Innere der Kirche zu Heinzenburg einst und jetzt |
Dies Gedicht gibt so recht als ein Stimmungsbild die große Freude und von Herzen kommende Dankbarkeit der Gemeinde aus jener Zeit wieder. Ja, sie wußten es voll und ganz als eine große Wohltat zu schätzen, daß sie nun wieder ein eigenes evangelisches Gotteshaus in ihrer Mitte hatten, das die zerstreute Herde ein und ein halbes Jahrhundert hatte entbehren müssen.
Unter den evangelisch-lutherischen Pastoren, welche seit 1751 bei der hiesigen Schloßkirche amtiert und zugleich Seelsorge geübt haben, war der erste Gabriel Woltersdorf, gebürtig aus Friedrichsfelde bei Berlin, Bruder des Pastors und Direktors des Bunzlauer Waisenhauses Ernst Gottlieb Woltersdorf, der als Verfasser mehrerer trefflicher evangelischer Kirchenlieder bekannt ist. Woltersdorf "ist von einem Teil seiner Gemeinde nicht so, wie er es verdiente, desto mehr aber von seiner Herrschaft geschätzt und geliebt worden". Sein Patron stellte ihm nach seinem Tode in einem Briefe an den Liegnitzer Superintendenten das Zeugnis aus, daß er mit besonderem Fleiß und Eifer seinem Amte obgelegen hat, daß er sich aber auch dadurch allerhand Feindschaft und Ungelegenheiten zugezogen habe, "so wie es gemeiniglich rechtschaffenen Predigern zu gehen pflege". Die Zeit seiner Amtsführung war nur eine kurze, 1 Jahr und 5 Monate; er starb bereits im April 1753, nachdem er abends zuvor eine Erbauungsstunde vom seligen Tode der Gläubigen gehalten hatte.
Sein Nachfolger Daniel Morgenroth war, wie Herr von Busse in gedachtem Schreiben ausdrücklich hervorhebt, ein geborener Schlesier, "als orthodox (d. i. rechtgläubig) erkannt". Er amtierte in Heinzenburg von 1753 bis 1762 und starb, erst 39 Jahre alt. Sein und seines Vorgängers Leichnam ruhen in der Gruft unter dem Altarraum der Kirche. Er hatte nie geheiratet.
Ihm folgte Johann Sigismund Schreiber, vordem Hauslehrer bei Herrn von Briese auf Wengeln. Er hat das Material zur Chronik unserer Kirche und Gemeinde gesammelt, wie bei der Angabe der von uns benutzten Quelle des näheren bemerkt. Nachdem er hier 10 Jahre seines Amtes gewaltet, wurde er nach Jakobskirch im Glogauer Kreise berufen. Schreiber hat Herrn von Busse die Leichenpredigt gehalten, welche 1764 in Berlin gedruckt worden ist. - Aus dieser Zeit datieren einige interessante Schriftstücke. Er erschien nämlich d. d. 27. Februar 1764 ein königliches Reskript wegen Bestimmung der Kirchengrenzen. Seine Königliche Majestät in Preußen habe wahrgenommen, daß die evangelischen Untertanen hin und wieder, besonders an den Orten, wo nicht bereits evangelische Parochien vorhanden seien, sich willkürlich bald zu diesem, bald zu jenem Bethause oder Kirche, ja sogar öfters die Einwohner eines Ortes zu verschiedenen Kirchen halten, woraus dann die größten Unordnungen entstehen müßten und die notwendige Folge sei, "daß die Geistlichen sich niemals im Stande befinden, ihre Gemeinden recht kennen zu lernen, die Ruchlosen in offenbaren Sünden lebenden zu bestrafen und auf die Kinderzucht und deren Unterricht gehörig acht zu haben". Es sollten daher gewisse "Kirchengrenzen" (limites ecclesiarum) festgestellt werden, damit nicht einzelne Gemeinden und Dorfschaften ihre Zugehörigkeit zu einer Kirche beliebig wechseln und auch nicht bloß, wie es bis dahin vielfach der Fall war, nur gastweise sich zu einer Kirche halten sollten. Es sollten feste kirchliche Zustände geschaffen werden und wurde daher von jeder evangelischen Dorfgemeinde eine für immer verbindliche Erklärung darüber gefordert, "was vor eine Kirche oder Bethaus und aus was vor einem Bewegungsgrunde sie solches hinführo vor beständig erwählen wolle?"
Es sollte jeder zu keinem anderen als zu dem Geistlichen dieser Kirche zur Beichte und zum heiligen Abendmahl gehen und von demselben die Amtshandlungen, Taufe, Trauung und heiliges Abendmahl, verrichten lassen; hingegen sollten die Gemeinden, die bisher zu keiner Kirche gehört, von der Beitragspflicht zu den kirchlichen Lasten und Bedürfnissen befreit bleiben. Die Grundherrschaften wurden mit der Ausführung des Erlasses betraut, wofür nur eine Frist von 14 Tagen gegeben war. Falls Gemeinden mit ihrer Erklärung säumig waren, so sollte das Ober-Konsistorium über deren kirchliche Zugehörigkeit befinden und im Streitfalle "der Justiz-Rath des Kreises" entscheiden. Es gaben daher lt. Protokoll vom 19. April 1764 die evangelischen Gemeinden der vier Dörfer durch den Mund der evangelischen Schulzen, Kirchväter und anderer Ältesten die erneute Erklärung ab, daß sie für immer zu der in dem Schlosse Heinzenburg von der Grundherrschaft eingerichteten Kirche sich halten wollten. Es wurde von ihnen noch begründend darauf hingewiesen, daß sie in der kaiserlichen Regierungszeit, als sie eines eigenen evangelischen Gottesdienstes entbehren mußten, sich wohl zu den Grenzkirchen Hummel und Kriegheide gehalten, "aber nicht als eingepfarrte Kirchkinder zu einer derselben sich verbindlich gemacht hätten", woran sie schon die ständig gehabte katholische Herrschaft gehindert haben würde. Zu einer anderen Kirche als diesen beiden aber hätten sie sich niemals als Gäste gehalten.
Daß der Tod des Herrn von Busse in diese Zeit fällt, ist bereits erwähnt. Es geziemt sich, über ihn als den Stifter der Kirche Näheres mitzuteilen; doch kann Verfasser dies leider nicht in dem Umfange tun, wie es erwünscht wäre, da über den früheren Lebensgang des Herrn von Busse allem Anschein nach keine Nachrichten vorhanden sind. - Herr Christian von Busse, Königlich Preußischer Geheimer Rat und erster Direktor der Glogauer Kriegs- und Domänenkammer, Erb- und Gerichtsherr der Heinzenburger Güter Neugut, Groß Heinzendorf, Herbersdorf und Neudorf, desgleichen von Bartsch und Culm, kam im Jahre 1741 mit seiner Familie nach Schlesien, also vermutlich nach Glogau an die eben genannte dortige Kammer, nachdem er vorher jedenfalls in Küstrin gewesen war.
Ein bleibendes Gedächtnis hat sich Herr von Busse im besonderen noch in hiesiger Gemeinde gestiftet durch ein Vermächtnis von 1000 Reichsthalern, aus dessen Zinsen alljährlich bedürftige Schulkinder mit Schulgeld, Schulbüchern, Kleidungsstücken und Schuhwerk unterstützt werden sollen. Die Stiftungsurkunde datiert vom 16. August 1763 und enthält sehr eingehende Bestimmungen über Zweck und Verwendung des Legates. Es sei, so wird ausgeführt, für das gemeine Wesen ein großer Schaden, wenn die Kinder nicht von ihren ersten Jahren an zur Gottesfurcht und fleißigem Lernen angehalten werden. Manche Eltern aber sind so unvermögend, daß sie das Schulgeld und nötige Bücher, am wenigsten die im Winter erforderliche Kleidung für ihre Kinder nicht aufbringen können. Es sollen daher Kinder, welche verwaist oder mittellos sind, in zweiter und dritter Linie auch Kinder von Inwohnern und kleineren Besitzern und deren Witwen nach Maßgabe des Bedürfnisses der Wohltat der Stiftung teilhaftig werden. Auch soll nicht auf den Unterschied der Religion, sondern nur auf Not und Armut gesehen werden. Die Kinder sollen in der Kirche, nachdem sie in Gegenwart der Gemeinde von dem Geistlichen examiniert sind, die Geschenke erhalten. Auch den Eltern und Vormündern der Kinder wird, wenn anders sie der Wohltat teilhaftig werden wollen, ausdrücklich zur Pflicht gemacht, daß sie, "sie mögen evangelisch oder katholisch sein, die Kinder selber zur Kirchen bringen und das Geschenk in Empfang nehmen".
Herr von Busse starb am 24. August 1764, "nach einer 13tägigen Niederlage", 75 Jahre alt, und wurde am 27. desselben Monats in der herrschaftlichen Gruft beigesetzt. Ihm folgte im Besitz der Heinzenburger Güter sein Sohn, Christian Daniel von Busse, Erb- und Lehnsherr der Groß Heinzenburger Güter. Derselbe vermählte sich am 16. Januar 1765 mit Fräulein Juliana Beata Sophia von Schickfuß. Das älteste dieser Ehe entsprossene Söhnchen, Christian Sylvius Traugott, verstarb nach wenigen Monaten. Herr Christian Daniel von Busse verkaufte laut Kaufkontrakt vom 28. April 1768 die hiesigen Güter an seine verwitwete Schwester, Frau Kriegsrätin Maria Magdalena von Massow geb. von Busse.
Nehmen wir wieder den Faden der eigentlichen kirchlichen Geschichte auf, so wurde im Jahre 1772 Pastor Schreiber von sämtlichen Patronen nach Jakobskirch als Pastor berufen und an seine Stelle von der Frau Kriegsrätin von Massow als "Schloß- und Gemeindeprediger auf der Heinzenburg" Johann Friedrich Maiwald berufen, gebürtig aus Harpersdorf, Pfarr-Substitut in Zessel. Derselbe verehelichte sich im Jahre darauf mit Klara Sophie geb. Petri, eines Predigers Tochter in der Uckermark, "mit der er zwar in vergnügter aber kinderloser Ehe gelebt". Nach nur sechs Jahren hiesiger Amtstätigkeit folgte er im Jahre 1778 einem Rufe der evangelischen Gemeinde zu Polkwitz. Der Chronist aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts sagt, daß sein Gedächtnis noch immer bei der hiesigen Gemeinde in Segen sei.
Pastor Maiwalds Nachfolger im hiesigen Pfarramt war Sigismund Heinrich Hummel, aus Sagan gebürtig, ebenfalls von Frau Kriegsrätin von Massow berufen, nachdem er vorher Hauslehrer in verschiedenen Stellungen gewesen war, zuletzt im Hause des Herrn Grafen zu Dohna auf Klein Kotzenau. Zu Glogau ordiniert, hielt er am 1. Adventsonntage 1778 hierselbst seine Antrittspredigt. Im folgenden Jahre verehelichte er sich mit Fräulein Sophie Christiane von Görtzke, Tochter des Rittergutsbesitzers Hans von Görtzke auf Weißig bei Crossen. Auch er erhielt, gleich wie sein Vorgänger, einen Ruf nach außerhalb, und zwar von der damaligen Gräfin zu Dohna auf Kotzenau zum Prediger auf Kriegheide; in Heinzenburg hatte er 13 Jahre sein Amt geführt. Ihm folgte Friedrich Abraham Strauwald, Sohn des Pastors und Seniors Strauwald zu Alt-Raudten, geboren daselbst den 25. Dezember 1759.
Im Jahre 1791 wurde er vom damaligen Königl. Kammerpräsidenten, nachmaligen Oberlandeshauptmann von Schlesien und Staatsminister, Herrn von Massow auf Heinzenburg, "als Prediger und Seelsorger bei der Heinzenburger Schloßkirche und derselben zum Gottesdienst sich mit bedienenden evangelischen Gemeinde berufen". Hier hat er nun, wie es in der handschriftlichen Chronik heißt, 32 Jahre mit Treue und Eifer an der erwachsenen Gemeinde wie auch an deren Kindern, bei deren Unterricht er sich besonders als vorzüglicher Katechet bewährte, segensreich gewirkt und dafür auch die größte Hochschätzung und Achtung vonseiten seiner Kirchgemeinde, wie auch besonders bei seinem Herrn Kirchenpatron gewonnen. Strauwald dürfte unter den Geistlichen, die hier gewirkt haben, der bedeutendste gewesen sein.
Ein besonderer Beweis der Anerkennung seitens seines Patrons war es auch, daß derselbe, Herr Staatsminister von Massow, auf das besondere Verwenden Strauwalds hin und wegen dessen Bestreben zur Hebung der gottesdienstlichen Feier sich bereitfinden ließ, das bisherige sogenannte Positiv zu einer vollständigen Orgel auf seine Kosten erweitern zu lassen. Diese Orgel dient bis jetzt dem Gottesdienst, und man kann die damals geschehenen Erweiterungen zu beiden Seiten des alten Mittelstücks auch noch von letzterem unterscheiden.
In dieser Zeit erwirkten sich auch die evangelischen Gemeinden hiesiger Dörfer das Recht, sich bei Begräbnisfeiern der katholischen Kirchen zu Herbersdorf und Groß-Heinzendorf zur Haltung der Leichenpredigten bedienen zu dürfen. Pfarrer Francke zu Herbersdorf hatte auf Verwendung des Patrons Herrn von Massow erst diese Benützung nur "bei ungünstiger Witterung" gestatten wollen. Die Evangelischen wandten sich dann in einem vorliegenden Bittgesuch an den Bischof zu Breslau, Fürsten zu Hohenlohe. Hingegen war ein in den Jahren 1819 und 1820 gemachter ernstlicher Versuch, die Kirche zu Heinzendorf zurückzugewinnen, vergeblich, obgleich die Angelegenheit bis zur Entscheidung des Kultusministers kam.
Der Versuch zur Wiedererlangung der Kirche in Heinzendorf wurde im Jahre 1834 nochmals wiederholt, wobei sich auch der damalige Landrat des Kreises Lüben der Sache rege annahm. Übrigens sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, daß im gedachten Prozeß auch darauf Bezug genommen ist, daß die Grundherrschaft diese Verpflichtung übernimmt, "so lange der evangelische Gottesdienst währet und in denen zu Heintzendorff und Herbersdorff vorhandenen ordentlichen Pfarrkirchen nicht gehalten werden kann".
Pastor Strauwald starb am 3. April 1823 infolge eines Schlagflusses im Alter von 63 Jahren und wurde in der Pfarrgruft an der Seite seiner Amtsvorgänger beigesetzt.
Von Herrn von Massow wurde als Nachfolger Pastor Strauwalds in das hiesige Pfarramt im Jahre 1824 Karl Gottlieb Theodor Fenzel berufen, geboren 25. März 1792, Sohn des Diakonus Fenzel an der Haupt- und Pfarrkirche zu St. Maria Magdalena in Breslau. Pastor Fenzel wurde am 4. Juli 1824 hierselbst durch Superintendent Koehler aus Glogau in sein Pfarramt installiert. Er hatte das Amt schon seit Januar d. J. verwaltet und war vorher Diakonus in Raudten gewesen. In seine Amtszeit, welche bis zum Jahre 1863 währte, fielen die Anlage des Kirchhofs zu Neudorf (1824), die Abzweigung des Kirchspiels vom Kirchenkreise Glogau (1826), die Erhöhung des Kirchstellenzinses in demselben Jahre, schwierige Prozesse wegen Entrichtung des Decems von solchen Wirtschaften, welche in katholische Hände übergingen, die Feier des 100jährigen Jubiläums (1851) und verschiedene andere mehr oder weniger wichtige Begebenheiten.
Die Zuweisung des Kirchspiels von Glogau nach Lüben war von Pastor Fenzel beantragt worden. Es waren nämlich diejenigen Lübener Kreisdörfer, welche bisher zur Liegnitzer Diözese gehört hatten, an den Lübenschen Superintendentur-Sprengel überwiesen worden, wofür jener "der ganze vormalige Sprengel von Parchwitz zugelegt werden sollte". Infolgedessen bedurfte es für Heinzenburg besonderer Verhandlungen, welche zum Ziele führten: Pastor Fenzel wurde es freigestellt, Mitglied des Glogauer Vereins zur Unterstützung der Witwen zu bleiben.
Superintendent des Lübener Kreises war damals Pastor Berndt in Oberau, welcher auch alsbald im Jahre darauf (1827) hierselbst eine Kirchenvisitation abhielt.
Einem Antrage auf Umpfarrung der Kolonie Eichgraben in der Nähe von Hummel, woselbst sich ein Besitzer aus Groß Heinzendorf angebaut hatte, von Heinzenburg nach Hummel, wurde von der Königl, Regierung widersprochen, mit Rücksicht auf das allgemeine kirchliche Interesse und die deutliche Bestimmung des Gesetzgebers. Im Laufe der 30er Jahre (1833 ff.) wurde, wie schon erwähnt, ein erneuter Versuch unternommen, die eine der beiden alten Pfarrkirchen - und zwar diejenige in Heinzendorf (übrigens damals noch amtlich Heintzendorff geschrieben) - für die evangelische Glaubensgenossenschaft der vier Dörfer zurückzugewinnen. Es stützte sich diese Reklamation auf das Allerhöchste Gesetz vom 13. Mai 1833. Doch wurde bereits von dem Königlichen Landratsamt bemerkt, daß jenes Gesetz nicht die Absicht habe, eine Restitution verlorenen Eigentums zu bewirken, sondern die kirchlichen Bedürfnisse der einen Glaubensgenossenschaft möglichst zu befriedigen, ohne der anderen dadurch Abbruch zu tun. Die baulichen und Vermögensverhältnisse der Kirche und Pfarrer mußten dargelegt werden. Eine Statistik ergab 164 evangelische Wirte und 1122 Seelen einschl. der Einlieger und Dienstleute auf Dominium und Vorwerken; die Zahl der Katholiken betrug 47 Wirte und 352 Seelen.
Im Jahre 1838 wurde das Schulgebäude zu Heinzenburg einer umfassenden Reparatur unterzogen und in seiner jetzigen Gestalt hergestellt.
Eine große und schöne Feier brachte das Jahr 1851, in welchem das 100jährige Jubiläum der Kirche und der erneuten Zusammenfassung der evangelischen Kirchengemeinde auf das festlichste begangen wurde. Pastor Fenzel hat in seinem zu diesem Jubiläum niedergeschriebenen Abriß der "Chronik der Heinzenburger evang. Schloßkirche" - wohl zum Zweck der Kanzelverlesung bei der Feier - alle Veranstaltungen und Geschenke, welche aus diesem Anlaß gemacht wurden, im Zusammenhange aufgeführt:
Von der Grund- und Patronatsherrschaft wurden die Ringmauern dieser ehemaligen Burg Veste in dem früheren festen Zustand wiederhergestellt und das ganze Kirchengebäude nach altertümlichem Stile ganz und sauber abgeputzt, sowie auch andere äußere Verschönerungen mit bedeutenden Kosten ausgeführt. Die Heinzenburger Güter waren damals in den Händen der verwitweten Frau Prausnitzer zu Breslau, vertreten durch Wirtschafts-Inspektor Eggers als Generalbevollmächtigten. Letzterer selbst, "ein Freund und Verehrer dieses Gotteshauses", ließ aus eigenen Mitteln ein Kreuz aus Gußeisen mit goldener Jahreszahl auf der Kirche anbringen, was noch am Tage vor der Jubelfeier geschah, und zwar zum Andenken an seinen Sohn Alfred. Von einer Auszügler-Witwe Strempel zu Neudorf war ein Vermächtnis von 20 Reichstalern eingegangen zur Anschaffung einer neuen Altar- und Kanzelbekleidung (scharlachrot mit goldenen Fransen). Von der Schwester des Geistlichen, Fräulein Handwerk, wurden ein Paar Altarleuchter aus englischem Zinn, von Rektor Strauwald in Sprottau, dem Sohn des früheren Pastors Strauwald hierselbst, ein Paar schwarze Altarleuchter geschenkt.
Außerdem wurden noch mehrere kleine Gaben verehrt und freiwillige Geldbeiträge in den vier Gemeinden des Kirchspiels gesammelt im Gesamtbetrage von 14 Talern 26 Sgr. Aus diesen Mitteln wurden vor allem die Kosten für die beiden neuen Altargemälde, Luther und Melanchthon, bestritten. Die Schuljugend von Heinzenburg und Neudorf stiftete eine zum Taufbecken passende Taufkanne im Werte von 4 Talern 15 Sgr. Der Verfasser der Niederschrift spricht allen Spendern großer und kleiner Gaben seinen herzlichen Dank aus und wünscht ihnen, daß sie schon in ihrem Bewußtsein, etwas Gutes getan zu haben, einen Lohn finden möchten. Die Kirche war von den Frauen und Jungfrauen der Kirchgemeinde aufs schönste geschmückt worden.
Pastor Fenzel starb am 8. Dezember 1864 im Alter von 71 Jahren an Lungenlähmung und hinterließ außer seiner Witwe noch eine minorenne Tochter, welche beide noch viele Jahre in Groß-Heinzendorf gelebt haben. Er wurde auch in der Pfarrgruft beigesetzt. Nachfolger von Pastor Fenzel wurde im Jahre 1864 Wilhelm Jentsch, geboren am 8. März 1827 zu Luckau in der Niederlausitz. Er hatte auf der Universität zu Berlin studiert und war mit Frau Lonny geb. Mathesius, Tochter des Pastors Mathesius zu Bärsdorf bei Haynau, verheiratet.
In diese neuere Zeit fällt die Anlage des evangelischen Kirchhofs zu Heinzenburg, die Erbauung des Glockenturms und die Einrichtung der zweiten Lehrerstelle, sowie die Erbauung des zweiten Schulhauses hierselbst. Die evangelischen Gemeinden von Groß-Heinzendorf und Neuguth-Heinzenburg, welche sich bis dahin des Kirchhofs in Heinzenburg mitbedient hatten, schritten im Jahre 1869 zur Gründung eines eigenen Kirchhofs. Sie erwarben den Platz in dem sogenannten Burgflecken von der Herrschaft Heinzenburg für 315 Taler. Die Lösung des alten Verhältnisses erfolgte in friedlichster Weise. Die evangelischen Glaubensgenossen wurden von der katholischen Gemeinde zu Heinzendorf von jeglicher Verpflichtung in Ansehung des bisher von ihnen benutzten Kirchhofs "auf ewige Zeiten" freigelassen. Die Schwierigkeit der Beschaffung eines Weges zu dem neuen Friedhofe wurde durch Eintausch eines Streifens des "Schulackers" behoben. Der Minister erteilte durch Reskript vom 8. April 1871 die Genehmigung zur Einrichtung des Begräbnisplatzes. Die erste Beerdigung fand bereits am 30. November 1869 statt (es war die des Freibauer-Auszüglers George Warmuth aus Groß Heinzendorf). Der Kirchhof ist so groß angelegt, daß er für alle absehbare Zeit ausreichen wird. Hierbei sei bemerkt, daß die evangelische Gemeinde in Herbersdorf noch des katholischen Kirchhofs daselbst, dessen Mitbenutzungsrecht ihr zusteht, sich bedient, während die evangelische Kirche in Neudorf, wie oben erwähnt, einen eigenen Friedhof hat. Die Verwaltung der beiden evangelischen Friedhöfe ist durch besondere örtliche Bestimmungen geregelt.
Ende der 1860er Jahre erfolgte aufgrund des Gesetzes, betreffend die Regulierung der schlesischen Zehntverfassung, die Ablösung des Deputat-Getreides für die kirchlichen Institute, nachdem das Getreide über 100 Jahre von der Kirchgemeinde geschüttet worden war. Die Ablösung geschah durch Vermittlung der Rentenbank für die Provinz Schlesien. Eine größere Stiftung ging der hiesigen Kirche in derselben Zeit durch die Königl. Hofdame Fräulein Natalie von Massow in Erdmannsdorf zu, einer Urenkeltochter des Stifters der Kirche. Dieselbe beabsichtigte ursprünglich, der Kirche ein Bauerngut, welches in Stonsdorf bei Hirschberg gelegen war, zu schenken; es hätte sich auch bei einem freihändigen Verkauf des Gutes ein ansehnlicher Überschuß für die Kirche ergeben. Doch führten die Verhandlungen schließlich dazu, daß Fräulein von Massow das Gut selbst verkaufte und den nach Abzug der auf dem Gute haftenden Verbindlichkeiten verbleibenden Erlös zur Aufbesserung der Pfarrstelle hierher überwies. Leider blieb der erzielte Preis hinter dem erhofften Betrage erheblich zurück, so daß Fräulein von Massow auch verschiedene sonstige gute Zwecke, die sie ursprünglich im Auge hatte - wie Einrichtung einer Heizungsanlage in der Kirche für den kältesten Winter, Gründung von zwei Krankenstellen u. a. - schließlich verzichten mußte. Ihrem hochherzigen Sinne gebührt jedenfalls alle Ehre! Die Stiftung führt den Namen "Fräulein Natalie von Massowsches Pfarr-Legat". Eine kleine Zuwendung war in früherer Zeit von Frau Kriegsrätin von Massow geschehen.
Im Jahre 1870 (2. Dezember), wie bereits vermerkt, trat den Besitz der Heinzenburger Güter an: Friedrich Wilhelm Graf von Recke Volmerstein, Rechtsritter des Johanniter-Ordens, vordem ansässig in Jahnsfelde (Mark Brandenburg). Graf Recke entstammte einem westfälischen Adelsgeschlecht. Das Stammgut Verdringen ist seit 1435 im Besitz der Familie. Ihm selbst und seiner Gemahlin, Frau Gräfin Luise von der Recke Volmerstein geb. von Plessen, aus dem Hause Reetz (Mecklenburg), hat die hiesige Gemeinde, Kirche und Schule, in mannigfacher Hinsicht viele Wohltaten zu verdanken. Der Besitzwechsel war im Laufe des Krieges erfolgt.
Schreiten wir nun weiter zu einem für die hiesige Kirchgemeinde wichtigen Ereignis, der Erbauung eines Glockenturmes und Beschaffung des kirchlichen Geläutes, welches bis dahin hatte entbehrt werden müssen. Das Werk wurde im Jahre 1884 vollendet, nachdem schon die Vorbereitungen sich durch Jahre hingezogen hatten. In Sonderheit war zu einem Glockenturmbaufonds seit geraumer Zeit gesammelt worden. Es lagen zur Ausführung zwei Projekte vor. Nach dem einen sollte der Turm, ganz unabhängig von der Kirche, auf der Umfassungsmauer des "Kirchhofs" und den Seitenmauern des neben der Kirchhofsmauer liegenden alten Gebäudes aufgeführt werden. Nach dem anderen hingegen war der Turm an das westliche Giebelende der Kirche zu setzen. Auf Grund eines Gutachtens des Königl. Kreisbauinspektors Borchers zu Glogau entschieden sich Patron und Gemeindekirchenrat für das erstere. Architektonische und praktische Gründe sprachen gegen das andere. Man hielt es für schwer durchführbar, falls der Turm an die alte, nicht als Kirche erbaute Heinzenburg gesetzt würde, beide Bauten zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden. Selbst im Falle des Gelingens aber würde der Turm viel eher wie eine Burgzinne aussehen als wie ein Kirchturm. Außerdem wurde das alte Mauerwerk für zu schwach gehalten, um die neue Last zu tragen, und auch eine Beeinträchtigung der Schallwirkung des Geläutes durch die Nähe des Kirchgebäudes befürchtet. Für an sich ausführbar wurden beide Projekte erklärt, aber dem ersteren der Vorzug gegeben. Der Bau wurde von Maurer- und Zimmermeister Neumann in Kotzenau ausgeführt. Die Glocken wurden von dem "Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation" bezogen. Die Einweihung des Glockenturmes und das erste Einläuten des Gottesdienstes wurde am Trinitatis-Sonntag des Jahres 1884 vorgenommen. Die kleine Glocke trägt die Inschrift "Halleluja".
Um die Förderung des Glockenturmbaues hatte sich Graf Recke besondere Verdienste erworben und sich die ganze Sache sehr angelegen sein lassen. Auch Pastor Jentsch hat, wie aus den Akten ersichtlich ist, viel Arbeit und Unruhe dadurch gehabt, zumal er in der letzten Zeit schon sehr leidend war. Er sollte die Vollendung des Baues nicht lange überleben, starb vielmehr schon im Monat darauf, am 21. Juli 1884 zu Bethanien in Breslau an Leberleiden und Darmverschluß, im Alter von nur 57 Jahren. Seine Gattin war ihm bereits im Jahre 1874 im Tode vorausgegangen, 34 Jahre alt. Beide liegen auf dem Heinzenburger Friedhof nebeneinander begraben.
Bereits zu Lebzeiten von Pastor Jentsch war eine Angelegenheit in Fluß gekommen, deren Erledigung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden war und sich mehrere Jahre hindurchgezogen hat: die Erbauung eines zweiten Schulhauses. Sie gestaltete sich deshalb so schwierig und verwickelt, weil sich die verschiedensten Ansichten und Interessen gegenüberstanden, nicht bloß zwischen Behörde und Gemeinde, sondern auch innerhalb der Schulgemeinde und örtlichen Instanzen selbst.
Ein Plan nach dem anderen tauchte auf, aber es stellten sich ihm immer schließlich Hindernisse in den Weg. Man mußte es ebenso aufgeben, das Dr. Hanau'sche Hausgrundstück in Heinzenburg zu erwerben, als man - und wohl mit Recht - sich gegen das Aufsetzen eines Stockwerkes auf das bestehende Schul- und Küsterhaus sträubte; ja, die Behörde wollte sogar dieses letztere Projekt zwangsweise zur Ausführung bringen, weil Jahr um Jahr fruchtlos dahinging. Schließlich, sozusagen in letzter Stunde, wurde von Graf Recke die Erbauung eines neuen zweiten Schulhauses hier selbst auf dem Küstereidamm vorgeschlagen und der Vorschlag angenommen. Der Bau wurde im Jahre 1887 ausgeführt, nachdem noch zwischen Kirchen- und Schulgemeinde wegen Hergabe des Grundstücks ein Abkommen getroffen war. Der Bau wurde an Maurermeister Hein in Polkwitz und Zimmerpolier Jacob in Neuguth übertragen.
Am 17. Oktober desselben Jahres (1887) fand die Einweihung des Schulhauses statt. Der Zug der Kinder bewegte sich unter Vorantritt des Patrons, des Lokalschulinspektors und des Schulvorstandes vom alten Schulhause zu dem neuen, woselbst durch Gesang und Weihrede eine erhebende Feier begangen wurde. Aus Pastor Jentsch's Zeit ist noch zu erwähnen die Generalkirchenvisitation, welche im hiesigen Kirchenkreise Lüben I im Jahre 1875 unter Vorsitz des Herrn General-Superintendenten Dr. Erdmann gehalten wurde. Der Tag der Visitation für die hiesige Parochie war Mittwoch, der 7. Juli. Nach Eröffnung durch den General-Superintendenten wurde im Gottesdienst die Predigt durch den Ortsgeistlichen gehalten, eine Ansprache von Sup. Müller aus Laugwitz bei Brieg, die Besprechung mit der konfirmierten Jugend von Pastor Weikert in Groß Wandriß. Die Besprechung mit den Hausvätern und Hausmüttern führte Dr. Erdmann selbst. Nachmittags fand die Revision der beiden Schulen statt, und den Schluß bildete, nach Konferenz mit dem Patrozinium und Gemeinde-Kirchenrat ein Abendgottesdienst, in welchem Oberpfarrer Lange aus Alt-Döbern in der Niederlausitz amtierte. Ein reich besetzter Tag!
In demselben Jahre wurde der Kirche von Gräfin Anna, ältesten Tochter des Herrn Patrons, Grafen von der Recke Volmerstein, in Verbindung mit ihrem Bräutigam Herrn Friedrich Nickisch von Rosenegk auf Kuchelberg, eine Altar-Prachtbibel geschenkt aus Anlaß ihrer Trauung in hiesiger Kirche. Auch war von der Grundherrschaft bereits zuvor eine violett-tuchene Altar- und Kanzelbekleidung freundlichst zugewendet worden.
Nach Pastor Jentsch's Tode ist die bisherige Pfarrstelle volle fünf Jahre unbesetzt geblieben. Es war die Zeit der großen Ebbe unter den Theologen! Die Vertretung wurde zuerst durch Zirkular-Predigten der Geistlichen der gesamten Diözese geführt, sodann durch Pastor Baltzer, Kriegheide, bis 1. April 1886 und hierauf durch Pastor Gürthler, Braunau. Zur Hilfeleistung in der Verwaltung wurde durch das Königl. Konsistorium von Mitte Juni 1886 ab Kandidat Ludwig Hagemann verwendet. Erschwert wurde die Vakanz noch durch die wiederholte gleichzeitige Vakanz der Kantorstelle, besonders für die erste Zeit; Kantor Menicke und Pastor Jentsch waren in zwei Monaten hintereinander gestorben. - Vorsitzender des Gemeinde-Kirchenrats war in dieser Zeit Graf von der Recke: die Verwaltung der kirchlichen Kassen führte Rentmeister Teuchert. - Kandidat Bruno Burkert wurde von dem Herrn Patron im Jahre 1889 in das hiesige Pfarramt berufen, womit die Vakanz ihr Ende hatte. Seine feierliche Installation hierselbst fand am 22. September 1889 durch Superintendent Stosch aus Seebnitz statt.
Im Jahre 1891 erlitt die Kirchgemeinde einen schmerzlichen Verlust durch den Tod ihres wohlgesinnten Patrons, des schon mehrfach genannten Herrn Friedrich Wilhelm Grafen von der Recke Volmerstein auf Neuguth Heinzenburg, Rechtsritter des Johanniter-Ordens. Derselbe starb am 27. Juni des Jahres im Alter von 73 Jahren nach langem und schwerem Leiden. Er war ein ernster Christ, im Glauben tief gegründet, seinem himmlischen Herrn wie seinem irdischen König in echter Treue ergeben. Der Besitz der Heinzenburger Güter ging an seinen zweiten Sohn, Grafen Diedrich, über, während der älteste, Graf Otto von der Recke Volmerstein, Königl. Rittmeister a. D., ansässig auf Parchau, das Majorat Verdringen übernahm. Die Witwe des Verstorbenen, Frau Gräfin Luise von der Recke Volmerstein geb. von Plessen, hat noch über ein Jahrzehnt hier gelebt - in aller Stille - und viel Gutes getan. Sie war ihrem Gatten gleich von aufrichtigem Christentum und Herzensfrömmigkeit durchdrungen, ein gutes Vorbild für die Gemeinden, auch in der Liebe zur Kirche. Sie vollendete ihr irdisches Leben am 5. März 1902, im Alter von 80 Jahren - ave pia anima! Ihre sterbliche Hülle ist an der Seite ihres vorangegangenen Gatten in der hiesigen Patronatsgruft beigesetzt.
Aus der neueren Zeit sind für die Geschichte der Kirchgemeinde von besonderer Wichtigkeit: der Bau eines neuen Schulhauses in Neudorf (1896), die Feier des 150jährigen Kirchenjubiläums (1901) und die Gründung einer Diakonissenstation zur Gemeindepflege hierselbst (1902).
Der Bau eines Schulhauses in Neudorf hatte sich mehr und mehr als eine Notwendigkeit herausgestellt und kam durch die Initiative der Königl. Regierung in Liegnitz, Abteilung für Kirchen- und Schulwesen zustande. Dies erklärte unter dem 26. Juni 1893, daß sie, nachdem der Herr Minister "ausgiebige Unterstützung für Schulbauten in Aussicht gestellt", die Absicht habe, für die evangelische Schulgemeinde in Neudorf ein Allerhöchstes Gnadengeschenk zu erbitten. Die Gemeinde sollte den Baubeschluß fassen unter der Voraussetzung, daß ihr derjenige Teil der Baukosten, welchen sie aus eigenen Mitteln nicht aufbringen könne, aus Staatsmitteln gewährt würde. Die Frage der Deckung der Baukosten wurde dann auch vorweg dank des außerordentlichen Entgegenkommens der staatlichen Behörden sehr glatt und ohne weitgehende Inanspruchnahme der Gemeinde bald gelöst.
Am 10. November 1896 wurde das Schulhaus durch Baurat Jahn der Gemeinde übergeben, und am 19. desselben Monats fand die feierliche Einweihung statt durch Schlüsselübergabe und Weiherede unter Beteiligung des Patrons, Ortsschulinspektors, Schulvorstandes, auswärtiger Gönner und Freunde der Schule, fast sämtlicher Gemeindeglieder und der Schulkinder mit dem Lehrer an der Spitze. Eine am neuen Schulgebäude angebrachte Inschrift enthält mit den Worten des bekannten Kirchenliedes die Aufforderung: "Nun danket alle Gott!"
Fünf Jahre darauf war der Kirchgemeinde eine selten schöne Feier vergönnt: Es waren im Jahre 1901 ein und ein halbes Jahrhundert seit Herstellung der alten Burg zur Kirche verflossen, und so wurde am 3. Advent dieses Jahres das 150jährige Kirchenjubiläum in festlichster Weise begangen. Patronatsherrschaft, Gemeinde und Pfarramt wirkten einmütig zusammen, um die Feier zu einer recht erhebenden und fruchtbaren zu gestalten. Der Gemeindekirchenrat beschloß zunächst eine möglichst gründliche Reparatur der Orgel. Dieselbe wurde an die bewährte Firma Schlag & Söhne in Schweidnitz übertragen und im Herbst ausgeführt. Wenn auch bei dem Alter der Orgel nicht zu viel zu erreichen war, so wurde sie doch auf eine längere Zeit in guten Stand gesetzt. Ferner wurde ein sehr wertvolles Schmuckstück hiesiger Kirche aus alter Zeit aus seiner Verborgenheit wieder hervorgeholt und gleichsam neu entdeckt. Es war dies eine Altarbekleidung (Antipendium) in blauer Seide mit Plattstickerei. Die darauf befindliche Stickarbeit - Streublumen, in der Mitte ein Baum - erregte aber die Bewunderung Sachverständiger, und so entschloß man sich zur Renovation. Die Kunstanstalt für Kirchenausstattungen in Berlin (Berliner Stadtmission) schätzte das Alter der Decke auf 150 Jahre und ihren Wert auf 1000 Mark; wahrscheinlich stammt sie von der Familie von Massow. Es gehörten auch noch andere Stücke dazu, so daß nach erfolgter Renovation eine vollständige Altar-, Kanzel- und Taufsteinbekleidung vorhanden war.
Die Feier selbst fand am Gedenktag, dem 3. Advent, nachmittags 3 Uhr statt. Am Festzuge, welcher sich vom Pfarrhaus zur Kirche bewegte, beteiligten sich die Schulen der Parochie mit den Lehrern, der Patron, die auswärtigen Festgäste und Geistlichen, welch letztere aus der Diözese fast vollzählig erschienen waren, der Ortsgeistliche, die Mitglieder des Gemeindekirchenrats und der Vertretung der Kirchgemeinde - diese, um dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß sie an dem Gelöbnis der Vorfahren, allezeit treu zu dieser Kirche zu halten, auch für die Zukunft festhalten wollten - und viele andere. Die Gemeinde war in Scharen herbeigeströmt und die Kirche bis auf den letzten Platz besetzt; auch an auswärtigen Besuchern fehlte es nicht, und es wären ihrer wohl noch mehr gewesen, wenn nicht frischer Schneefall eingetreten wäre.
Die Festpredigt wurde von dem Ortsgeistlichen gehalten, unter Zugrundelegung des Textes 1. Kön. 8,28-30. Hierauf folgte auch noch eine Ansprache von Pastor Dehmel aus dem benachbarten Städtchen Polkwitz, in Erinnerung daran, daß die alte Geschichte der hiesigen Kirchgemeinde mit der des Fürstentums Glogau verbunden war. Festgesänge trugen zur Verschönerung der Feier bei.
Das nächste wichtige Ereignis in der Geschichte und Entwicklung unserer Kirchgemeinde war die Gründung einer Diakonissen-Station hierselbst zur Gemeindepflege. Es hatte schon früher eine Diakonissen-Station auf dem Dominium Neuguth bestanden. Dieselbe war im Jahre 1878 von Graf Recke als Gutsherrn begründet worden und diente lediglich einer Kleinkinderschule für Gut und auch Gemeinde Neuguth. Die Schwester war aus dem Frankensteiner Mutterhause. Nachdem die Station längere Zeit bestanden hatte, sicherlich auch zum Segen der Gemeinde für die Erziehung der Kinder, empfahl sich Anfang der 90er Jahre ihre Aufhebung, weil die Zahl der Kinder sehr heruntergegangen war. Dazu kam, daß Gräfin Agnes als ausgebildete Schwester selbst die erste Hilfe in Unglücksfällen und manchen Dienst an Kranken in der Gemeinde versah. Es stellte sich aber im Laufe der Zeit, vor allem nach dem Weggang von Gräfin Agnes, in steigendem Maße das Bedürfnis nach einer geordneten Gemeindepflege für die Kranken heraus. Nach Überwindung mancher Bedenken und Schwierigkeiten kam es schließlich zur Verwirklichung des Planes dadurch, daß Graf und Gräfin Diedrich von der Recke Volmerstein die Initiative ergriffen und der Gemeinde zur Begründung des Unternehmens in dankenswerter Weise entgegenkamen. Auch in der Förderung dieser Angelegenheit bewährte sich gleichwie bei der Feier des 150jährigen Kirchenjubiläums das einmütige Zusammenwirken zwischen Patronatsherrschaft, Gemeinde und Pfarramt. Um dem Werke eine gewisse und hinreichende Unterlage zu geben, wurde zunächst eine Frauenhilfe hierselbst gegründet, welche innerhalb der Kirchgemeinde die Diakonissen-Station mit Interesse und Gaben trägt. Dem Verein traten sofort bei seiner Gründung, welche am 19. Oktober 1902 stattfand, 50 Frauen und Jungfrauen aus der Gemeinde bei, eine Zahl, welche noch im Laufe des Jahres auf 150 stieg.
Die Diakonissen-Station selbst trat mit Beginn des Jahres 1903 in Kraft. Die Schwester wurde von dem Ersten Mittelschlesischen Synodal-Diakonie-Verbande, welcher auch erst kürzlich ins Leben getreten war, überwiesen und trat ihren Dienst in hiesiger Gemeinde am 16. Januar d. J. an. Im Jahre 1903 vollzog sich ein Wechsel im Patronat. Der bisherige Besitzer, Landesältester und Landtagsabgeordneter Graf Diedrich von der Recke Volmerstein verkaufte im Juni d. J. die Heinzenburger Güter an Ernst Freiherrn von Müffling, sonst Weiß genannt, Königl. Major im 5. Garde-Grenadier-Regiment zu Spandau. Graf Recke verlegte seinen Wohnsitz nach Friedrichswalde bei Polkwitz, noch im Kreise Lüben gelegen. Es war ein auf gegenseitiges Vertrauen gegründetes, schönes Verhältnis der Einmütigkeit und des Friedens, welches zwischen der Gräflich Recke'schen Familie als Patronatsherrschaft, dem Pfarramt und der Gemeinde immerdar bestanden hatte. Es hatte noch den alten patriarchalischen Charakter getragen in bestem Sinne des Wortes. Die Vertretungen der Kirchen- und Schulgemeinden verabschiedeten sich denn auch in feierlicher Weise von Graf und Gräfin Recke vor deren Weggange mit einem dankbaren Gruß. Der neue Patron Freiherr von Müffling siedelte im Jahre darauf mit seiner Familie nach seinem hiesigen Wohnsitz über. Derselbe trat in die überkommenen Beziehungen seines Vorgängers zur Gemeinde (Diakonissen-Station, Raiffeisen-Verein, Kriegerverein) ein und wurde bei seiner ersten Anwesenheit im Gemeinde-Kirchenrat mit den besten Wünschen begrüßt. Die Gemahlin des Herrn Patrons, Elisabeth Freifrau von Müffling geb. vom Rath, trat auch an Stelle von Gräfin Recke in den Vorstand der hiesigen "Frauenhilfe" und nahm sich dieser Sache und freier Liebestätigkeit, sonderlich der Diakonissen-Station, mit regem Interesse und warmem Eifer an.
Eine wichtige Errungenschaft aus der neuesten Zeit ist der Bau eines neuen Pfarr- und Schulbrunnens hierselbst. Pfarre und Schule wie überhaupt der ganze Burgflecken Heinzenburg waren zeither ohne Wasser. Es war dies eine Notlage allergrößter Art, sonderlich auch für eine große Schule mit etwa 150 Kindern. Nachdem die Königl. Regierung die Hälfte der Kosten bei der beschränkten Leistungsfähigkeit der Schulgemeinde als Staatsbeihilfe zugesagt hatte, wurde der Bau Ende des Jahres 1904 in Angriff genommen und konnte bei günstiger Witterung zu Beginn des neuen Jahres fertiggestellt werden. Er gelang über Erwarten gut. In Tiefe von 25-26 m wurde eine ausgiebige Quelle mit gutem Wasser gefunden und dieses in amtlicher Untersuchung von Apotheker und Chemiker Gottschalk in Lüben für ein vorzügliches Trinkwasser erklärt. So war der langen Not ein Ende gemacht, und das Wasser wurde als ein recht großes Gottesgeschenk dankbar hingenommen.
Die letzten Kirchenvisitationen haben stattgefunden in den Jahren 1894 und 1901, bei denen nichts Wesentliches zu erinnern war. Die ehrwürdige Erscheinung und rednerische Kraft des visitierenden Herrn Superintendenten Stosch wird der Gemeinde in nachhaltiger Erinnerung bleiben. Gedacht sei auch noch einer Volksbibliothek von über 300 Bänden, einer Stiftung von Gräfin Agnes von der Recke-Volmerstein. Die Bibliothek wird im Winter sehr stark benutzt. Dieselbe steht unter der Verwaltung des evangelischen Pfarramtes.
Wir stehen am Ende unserer Chronik in ihrer zusammenhängenden Darstellung der geschichtlichen Entwicklung. Möge das Dargebotene dem lebenden und auch dem zukünftigen Geschlecht der Gemeinde nicht nur von Interesse, sondern auch von Nutzen und Segen sein!
Pastor Bruno Burkert, aufgeschrieben um 1905, siehe auch Klose-Chronik S. 130