Der Bauernhof meiner Eltern Ernst Kuche und Ehefrau Meta geb. Schulz, der einmal mein Erbhof werden sollte, war in Ischerey Nr. 16 in der Gemeinde Mühlrädlitz Krs. Lüben Schles. Er umfasste 17,4908 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche, eine Gaststätte und eine Niederlassung der Zuckerfabrik Lüben.
Er wurde bis zur Flucht am 26. Januar 1945 intensiv bewirtschaftet. Die Landwirtschaftsschule Lüben - Bäuerliche Werkschule - hat diesen Betrieb mehrfach als Beispielbetrieb vorgestellt.
Durch die Verbindung zur Zuckerfabrik Lüben wurde der Anbau der Zuckerrüben besonders bevorzugt. Der dafür vorgesehene Acker wurde im Herbst tief gepflügt. Da sämtliche Felder drainiert waren, konnten wir mit der Unkrautbekämpfung früh beginnen.
Die Bekämpfung der Rübenfliegen erfolgte durch Umpflügen der sog. Fangstreifen.
Die Aussaat erfolgte mit einer neuen 2,00 m-Saxonia-Drillmaschine. Die danach folgende Ringelwalze gab der Saat den Bodenschluß und brachte eine lockere Bodenoberfläche. Diese verhinderte das Austrocknen der aufsteigenden Feuchtigkeit.
Mit der 2,00 m breiten Pflanzenhilfe Hackmaschine wurde der Boden locker und unkrautfrei gehalten. Jedes Gänsefußmesser war über eine Rolle auf eine genaue Tiefe eingestellt. Für die kleinen Rübenpflanzen lief eine Schutzrolle.
Das Vereinzeln der Rüben erfolgte per Hand. Einzelkornsaatgut gab es damals noch nicht. Da die Rübe eine Hackfrucht ist, wurde durch mehrmaliges Hacken der Boden locker gehalten.
Die Rübenaaskäfer wurden mit einer Stickstoffdüngung und schnellem Wachstum der Rüben bekämpft.
Viele heiße Sonnentage brachten einen hohen Zuckergehalt.
Die Rübenernte erfolgte nicht mehr mit dem Gräbel. Diese schwere Arbeit wurde mit dem Pommritzer Ernteverfahren ersetzt. Mit einer scharfen Köpfschippe und langem Stiel wurden die Rüben geköpft und sauber geerntet. Sie wurden mit einem Zweizinken-Pflug ausgepflügt und seitlich abgelegt. Mit einer Netzegge (Unkrautstriegel) wurden sie gesäubert.
Die Rübenblätter wurden frisch an die Milchkühe verfüttert. Der größere Teil kam mit den Naßschnitzeln in die Beton-Silos. Diese bildeten die Grundlage für die Winterfütterung des Rindviehs. Dieses gut eingebrachte Silofutter roch appetitlich, so wie frisches Sauerkraut.
Durch Landzukauf hatten meine Eltern den Betrieb 1935 auf 17,4908 ha vergrößern können. Meine Eltern waren für jeden Fortschritt sofort zu haben. Mit einem Zuschuss von 20 % wurden 80 % Eigenmittel eingesetzt. Die größere Betriebsfläche erforderte neue Gebäude und Bauten.
An die kleine Scheune wurde ein neuer Pferdestall und ein Futterraum für die Schweine mit einem Kartoffelsilo für gedämpfte Kartoffeln gebaut. Die Kartoffeln wurden mit einer mobilen Dämpfanlage gekocht und einsiliert. Dadurch wurde das tägliche Kochen eingespart.
Die Silos für die Rübenblätter und Schnitzel und eine neue Beton-Jauchegrube mit 2 Kammern und befahrbarer Decke wurden gebaut.
Durch die ganzjährige Stallhaltung der Milchkühe fiel sehr viel Stallmist an. Dafür wurde eine Betonbodenplatte erstellt. Der Stallmist wurde in Blöcken gestapelt und zur besseren Verrottung mit Erde abgedeckt, Dadurch entstand der sog. Edelmist. Hierfür war ein Kran vorgesehen, der die luftbereifte Karre zur Arbeitserleichterung auf den Stapel bringen sollte. Der Kuhstall war zu klein und wurde mit einem durchgehenden Trog mit Freßgitter vergrößert. Die Fütterung von vorn mit dem vielen Grünfutter, hauptsächlich Luzerne, brachte eine große Arbeitserleichterung. Auch der Heuboden wurde damit vergrößert. Das gesamte Heu für das Rindvieh konnte hier gelagert werden. Das Heu wurde mit einem neuen Nema-Heugebläse auf den Boden befördert. Das war eine enorme Arbeitserleichterung. Das Heugebläse blieb bis zum 2. Schnitt stehen und war von der Straße sichtbar. Viele Interessierte kamen in unsere Gaststätte und erkundigten sich.
Der alte massive Schweinestall wurde abgerissen und durch einen warmen, trockenen in Holzbauweise ersetzt. Die doppelten Holzwände wurden mit Gerstenspreu zur Isolierung gefüllt. Der Stallboden war mit wärmeisolierenden Bitumen-Platten belegt. Mit der Lehmdecke wurde ein trockenes warmes Raumklima erreicht. Ein Auslauf nach draußen hatte sich für die Entmistung bestens bewährt. Das Schweinefutter aus Kartoffeln, Getreideschrot, Mager- und Buttermilch ergab beste Schlachtschweine. Um die Futterzeit konnte man das Schweinekonzert auch aus den Nachbarbetrieben hören.
In den 1930er Jahren wurde das Buttern verboten. Bis dahin hatten wir eine elektrische Zentrifuge und ein Butterfaß gehabt. Die Butter wurde in einer 250-Gramm-Holzform in Form einer Weintraube ausgeformt und an einen Händler aus Liegnitz verkauft.
Sauen zur Ferkelzucht hielten wir nicht. Zu uns kam der Viehhändler Seifert aus Lüben und drängte uns oft nach einer Zeche in der Gastwirtschaft seine Ferkel auf.
Die Hühner hatten ebenfalls einen eigenen Stall in Holzbauweise. Der größere Raum war für die Legehennen und der kleinere für die Kükenaufzucht. Die etwa 100 Küken wurden per Bahn von Breslau nach Bielwiese angeliefert. Die Legeleistung der Weißen Leghorn-Hennen war besser als die der restlichen Roten Rodeländer-Hennen. Zur Kontrolle der Legeleistung waren Fallnester vorhanden. Zuletzt wurde diese Kontrolle aus Zeitgründen weggelassen. In den Wintermonaten wurde durch die elektrische Beleuchtung der Arbeitstag für die Hennen verlängert. Hennen, die brüten wollten, wurden eingesperrt. Die Eierproduktion hatte Vorrang. Mit dieser intensiven Hühnerhaltung hatten wir viel Eier und konnten unser Ablieferungssoll erfüllen.
Die Milchhaltung erfolgte durch ganzjährige Stallhaltung. Dazu mußte im Sommer täglich Grünfutter, Luzerne, Klee oder Gras herangeholt werden. Der Arbeitsaufwand durch Mähen, Auf- und Abladen und dann in die Tröge bringen, war sehr hoch. Doch dieser Feldfutterbau brachte von der Fläche eine höhere Milchleistung. Die Milch- und Fettleistung der Kühe wurde durch die laufende Kontrolle überprüft. Nur die Kälber der besten Kühe wurden aufgezogen und zur Zucht verwendet. Mit gekörten guten Bullen konnten wir eine leistungsstarke Herde aufbauen. Dazu kamen zwei eingetragene Herdbuchrinder.
Zur Winterfütterung hatten wir neben Heu und Futterrüben das Silofutter mit Rübenblättern und Naßschnitzel.
Die Pferde waren damals die Grundlage für den Bauernhof und der Stolz des Bauern. Auch vor dem Landzukauf waren immer zwei Arbeitspferde vorhanden. Diese Pferde wurden besonders gepflegt und gefüttert. Sie bekamen schon mal Luzerneheu, das wegen des hohen Eiweißgehaltes eigentlich für das Milchvieh besser geeignet war.
Unsere Lotte war ein ruhiges treues Pferd. Wir Kinder sind mit ihr allein nach Lüben oder Parchwitz gefahren. Bei Kriegsausbruch mußten wir ein Pferd abgeben. Unsere Lotte war zum Glück untauglich. Sie lahmte beim Trab etwas. Zum Glück!
Zur Überbrückung kaufte mein Täter einen Ochsen. Doch kurze Zeit später kaufte er auf einer Versteigerung die junge Stute Amanda. Sie war eine eingetragene Pferdestammbuch-Stute. Ab jetzt begann eine intensive Pferdezucht. Denn Zuchtpferde wurden nicht für die Wehrmacht eingezogen. Auf die Flucht gingen wir mit drei Zuchtstuten. Ein einjähriges Pferd blieb zurück. Es lief bis zum 8. Febr. zwischen den Fronten herum.
Um eine gute Fruchtfolge zwischen Halm - und Blattfrüchten zu bekommen, wurden auch viel Kartoffeln angebaut. Unser Hof war als Pflanzkartoffel-Saatzuchtbetrieb von der Landwirtschaftskammer anerkannt. Die Felder wurden kontrolliert und die Saatkartoffeln überwiegend nach Westdeutschland verkauft. Abbaukranke Pflanzen wurden entfernt. Um schöne gerade Reihen mit gleichmäßigen Abständen und Tiefe zu erreichen, wurden die Pflanzlöcher mit einem dreireihigen und zweiachsigen Pflanzlochgerät vorbereitet. Es war eine große Freude das Kartoffelfeld mit geraden Reihen in voller weißer oder blauer Blüte zu sehen. Die Sorten waren Ackersegen und Böhms Mittelfrühe. Die Ernte erfolgte mit einem Schleuderroder und Auflesen per Hand. Die eingemieteten Kartoffeln waren 1945 unsere Hauptnahrung.
Der Getreideanbau erfolgte im Fruchtwechsel Halm und Blattfrucht. Es wurde Winterweizen (Carstens V), Winterroggen, Hafer und Gerste angebaut. Je nach Feldgröße. Die Aussaat erfolge mit der 2,00 m breiten Saxonia-Drillmaschine mit 72 Einstellmöglichkeiten in ein gut vorbereitetes Saatbett. Die Unkrautbekämpfung erfolgte möglichst vor der Aussaat und durch gute und dichte Feldfrüchte. Die Ernte erfolgte mit einem neuen 5 Fuß-Selbstbinder der Fa. Fahr Nr. 2. Es war die schwere Ausführung, die ewig halten sollte. An die vorherige Flügelmaschine kann ich mich erinnern.
Als Kind war ich bei der Ernte immer dabei. Ich habe die Eckgarben zurückgelegt und bei Lagergetreide (Langstrohroggen) die Garben, die zusammenhingen, auseinanderziehen müssen. Der spätere Eckgarbenträger legte die Garben paarweise ab. Das erleichterte das Aufstellen der Garben zu Hocken. Bei unserem Kontinental-Klima mit meist heißen Tagen trockneten die Garben schnell und das Einfahren mit Wechselwagen konnte beginnen. Das Getreide wurde im Bansen eingelagert und konnte im Winter mit dem Jaehne-Breitdrescher mit Spreugebläse im Winter gedroschen werden. Das Stroh wurde mit der Welger Kleinbauer-Presse gebündelt. Auch das war eine große Arbeitserleichterung. Der Müllermeister Max Müller in Herzogswaldau nahm gerne unseren gut gereinigten Roggen und Weizen ab.
Walter Kuche mit seinen Eltern beim Heuabladen
Die zwei Wiesen in Rädlitz und Gugelwitz wurde mit dem Pahr-Grasmäher gemäht. Mit dem Gabelheuwender wurde das Gras mehrmals gewendet. Das war meist meine Kinderarbeit. Spannend war es immer den richtigen Schnittzeitpunkt zu treffen. Man hoffte immer eine Gutwetterperiode zu bekommen, um das Heu ohne Regen ernten zu können. Ich glaube, daß bei zunehmendem Mond die besseren Aussichten zu erwarten waren.
Zur Ernte von Heu und Getreide wurden die Ackerwagen lang gemacht und mit seitlichen Leitern versehen. Das waren die Leiterwagen. Das Heu wurden mit dem 3,00 m breiten Nachrechen auf Reihen gezogen und mit der großen Heugabel aufgeladen. Meine Mutter war meist auf dem Wagen und packte das Heu so, daß nichts abrutschte. Das Abladen mit dem Heugebläse machte Freude; man brauchte es ja nur von oben in den großen Trichter zu werfen. Mit dem beweglichen Rohrende wurde das Heu in jeden Winkel geblasen. Auf diese Arbeitserleichterung waren wir alle sehr stolz.
Hier möchte ich das besondere Können meines Vaters erwähnen. Mit 13 Jahren mußte er schon mit den anderen Mähern Wiesen mähen. Mein Großvater war 1914 zum 1. Weltkrieg eingezogen worden. Von Jugend an mit allen Arbeiten vertraut, war er ein besonders tüchtiger Bauer und Landwirt. Er konnte seine Sense so scharf dengeln und mit einem Wasserstein vorsichtig wetzen, so daß er auch größere Flächen mühelos mit der Sense mähen konnte!
Mit dem Zukauf von 2,00 ha Kiefernhochwald hatten wir auch im Winter Arbeit. Die schönsten Bäume wurden geschont. Nur wenige Bäume wurden für Brennholz und die Äste zum Heizen des Backofens gefällt. Für den Bau des neuen Kuhstalles hätten wir genügend Bauholz aus dem eigenen Wald schlagen können. Mein Vater schonte seine Bäume und kaufte das Bauholz. Er hatte doch die Hoffnung, daß ich eines Tages den Hof übernehmen würde... Noch in den 1940er Jahren wurde der Wald eingeschlagen und wieder mit Kiefern aufgeforstet. Diese sind heute im Jahre 2013 schon wieder über 70 Jahre alt. In diesem Wald waren 2 größere Stellen mit Walderdbeeren. Diese habe ich mir von der Schule kommend gepflückt. Zu Hause habe ich sie mit Milch gegessen. Diesen Geschmack werde ich nie vergessen.
Die Zuckerfabrik Lüben hatte durch einen Vertrag mit meinem Vater auf dem Hof eine Niederlassung, also eine Rübenannahmestelle mit einer Fuhrwerkswaage errichtet. Die Bauern von Mühlrädlitz, Ischerey, Rädlitz und z.T. von Herzogswaldau lieferten die Zuckerrüben an. Sie wurden gewogen und auf Lastwagen zum Transport umgeladen.
Mit dem Fuhrunternehmen Fritz Hentschel Lüben lief bis 1939 alles bestens. Herr Hentschel holte sonntags mit seinem Autobus einen beladenen Hänger ab. Am Montag stand er als erster mit 3 Anhängern vor der Waage. Zuletzt war die Abfuhr wegen fehlender Fahrzeuge schwierig.
Von den Rüben wurden Schmutzproben festgestellt. Zur Feststellung des Zuckergehalts wurden Rüben in die Fabrik geliefert. Als Wiegemeister mußte mein Vater darauf achten, daß kein Verlust entstand. Lose Erde kratzten manche Bauern vom Wagen, damit nur die Rüben gewogen wurden. Es war immer sehr interessant.
Naß- und Trockenschnitzel wurden anteilmäßig kostenlos zurückgegeben. Die Auszahlung des Rübengeldes war für unsere Gaststätte immer ein besonderer Glückstag. Kein Bauer wollte sich lumpen lassen. Das neue Rübensaatgut wurde über die Zuckerfabrik geliefert. Während des Krieges konnte man die Jahreszuteilung des Zuckers von der Fabrik beziehen. Die Einteilung über ein Jahr war schwer. Es wurde auch viel Sirup gekocht. Frische Rüben, gesäubert, gekocht, ausgepresst und schnell auf flachen Pfannen eingekocht, brachten einen schönen klaren Sirup so hell wie Honig.
Mein Vater arbeitete sehr gut mit der Landwirtschaftsschule Lüben zusammen. Jede Neuerung wurde ihm mitgeteilt. Die Bodenproben auf den Kalkgehalt erbrachten für alle Felder einen guten Kalkzustand.
Die intensive Bewirtschaftung und gezielte Düngung mit zuletzt knappem Handelsdünger, Jauche und Mist ergaben gute Früchte und unkrautfreie Felder. Die Landwirtschaftsschule kam daher oft mit Schülern und Bauern auch aus anderen Kreisen zur Besichtigung unseres Hofes und unserer Felder. Der damalige Leiter der Schule, Herr Dr. Brebeck, machte damit unseren Hof zu einem Vorzeigehof! Öfters kam ein Anruf von ihm: Wir kommen zur Hofbesichtigung! Das hieß für uns, die vorgesehene Arbeit zu unterbrechen und alles vorzubereiten. Die vorhandenen Geräte: 3 Eggen, 1 schwere, 1 Saat- und 1 Netzegge, 1 schwerer Pflug und 1 zweischariger Wechsel-Schälpflug, 1 Ringelwalze, 1 elektrische Jauchepumpe mit Rührwerk, 1 Drill- und 1 Hackmaschine, 1 Heugebläse und anderes wurden zur Schau gestellt. Auch die Milchviehaufstallung mit Fressgitter und Mittellangstand fand viel Beachtung. Ebenso die Stallselbsttränke. Viele Leute nahmen Anregungen zur Verbesserung des eigenen Hofes mit.
Weitere Erinnerungen von Walter Kuche: Zeitdokumente, Weihnachten in der Kindheit