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Der Bleicherdamm hatte nur fünf Häuser, deren Höfe allesamt von der "Kalten Bache" durchflossen wurden.
Links ist das großväterliche Haus Bleicherdamm Nr. 3 um 1910 zu sehen. Es war unmittelbar an ein Werkstatt-gebäude angebaut worden, das noch zu Haus Nr. 2 gehörte. Darin befand sich im 19. Jahrhundert eine Bleicherei (die letzten Buchstaben sind noch lesbar), vermutlich die letzte, die es in Lüben noch gab, was ja ursprünglich eine Tuch-macherstadt war. Im Haus-Nr. 2 (oder an seiner Stelle) befand sich übrigens einst das städtische Krankenhaus, bevor 1855 der Neubau hinter dem Schießhaus fertiggestellt war.
Vor dem Haus stehen von links Großmutter Luise Marie Lubrich geb. Moratschke (mit der jüngsten Tochter Herta auf dem Arm), Großvater Postschaffner Gustav Carl Lubrich, 2 Lubrich-Töchter, die ich nicht identifizieren kann, und weitere Hausbewohner mit Kindern. Das Haus hat mein Großvater unter großen Entbehrungen und Inanspruchnahme einer Hypothek erwerben können.
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Ihm blieb wohl keine andere Wahl, hatte er doch eine 12köpfige Famiie unterzubringen. Es sollte Heim für Generationen seiner Kinder und Kindeskinder sein... Nach dem Tod der Großeltem bezog unsere Familie das Anwesen, da meine Mutter sich als einziges der Lubrich-Kinder in Lüben verheiratet hatte. Sie übernahm für die Erbengemeinschaft die Hausverwaltung.
Aus den fünf Häusern des Bleicherdamms sind mir noch folgende Bewohner in Erinnerung: Haus-Nr.1: Eigentümerin Edith Scholz, Schneidermeister Kühn, Familie Mai, Familie John, Langner; Haus-Nr. 2: Eigentümer Herr Rothe, Familie Jäschke, Familie Ressel, Familie Streichen, Heldt; Haus-Nr. 3: Eigentümerin Die Lubrich'sche Erbengemeinschaft, Familie Jänsch, Familie Feige, Familie Koch und eine weitere Familie, deren Name mir entfallen ist; Haus-Nr. 4: Eigentümer Familie Schwanitz, Familie Weidner; Haus-Nr. 5: Eigentümer Ofensetzmeister Rindfleisch, aber dort nicht wohnhaft, Frau Müller, Familie Schellin, Familie Burkhardt im Anbau. An alle Bleicherdammbewohner kann ich mich nach sieben Jahrzehnten leider nicht mehr erinnern. [Wir blicken neidisch auf Ihr erstaunliches Gedächtnis! H. T.]
In Ermangelung von Fotos vom Bleicherdamm von vor 1945 folgen vier Bilder, die im Jahr 1965 von Irmgard Walter aufgenommen worden sind, der jüngsten Tochter des Land- und Gastwirts Walter in der Steinauer Str., und zwar kurz vor dem Abriss der Häuser, die einer Umgehungsstraße weichen mussten. Dabei wird deutlich, dass zu der Zeit das Werkstattgebäude (Bleicherei) und das Haus Nr. 4, in dem Familie Schwanitz gewohnt hatte, schon fehlen. Sie waren wohl im Krieg so schwer beschädigt worden, dass sie schon früher abgerissen wurden. |
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Bleicherdamm Nr. 1 und 2 (1965) |
Bleicherdamm Nr. 1, 2, 3 und 5 (1965) |
Bleicherdamm Nr. 2, 3 und 5 (1965) |
Bleicherdamm Nr. 3 und 5 (1965) |
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Als meine Eltern Lüben Hals über Kopf verlassen mussten, blieben natürlich auch alle Fotos zurück. Einerseits konnte nur das Lebensnotwendigste mitgenommen werden, andererseits waren alle überzeugt, in nicht allzu ferner Zeit zurückzukeh-ren. Einige unserer Bilder sind aber Jahre später auf unfassbaren Irrwegen wieder in unseren Besitz gelangt: Eine meiner Tanten ging bald nach der Flucht nach Lüben zurück. Bis zu ihrer Ausweisung hat sie Unsägliches durchlitten. Auf der Suche nach Essbarem hat sie eines Tages auch unser Haus aufgesucht. Im Ziegenstall zwischen Mist und Dreck fand sie Fotos unserer Familie, die sie an sich nahm und nach ihrer Ausweisung meinen Eltern übergab. Darunter folgende: |
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Diese Bilder habe ich selbst geschossen mit dem Fotoapparat, den ich zur Konfirmation geschenkt bekam. Die Bilder - etwa von 1938 - sind aus dem Fenster meines auf dem Dachboden ausgebauten Bubenzimmers aufgenommen. Das linke Foto zeigt unsere Muttel beim halsbrecherischen Wäscheaufhängen vom Garten über die Kalte Bache hinweg zu unserem Haus Nr. 3. Die Buden neben der Wäscheleine rechts gehörten schon zum Nachbargrundstück Bleicherdamm 4. Auf dem Bild rechts sitzen Muttel und ihre Tante Elli auf den Brettern über die Kalte Bache und schnippeln Bohnen. (Heute eine kaum noch denkbare Arbeit! Aber wir Kinder wussten, wie Bohnen wachsen, wann sie reifen und was zu tun ist, um ein Bohnen-gericht auf den Tisch zu bringen.) |
Zu obigem Bild möchte ich bemerken, dass bei diesen Hoch-wassern der Kalten Bache oft nicht nur unser Grundstück überschwemmt wurde, sondern auch die großflächigen Wie-sen zwischen Bleicherdamm und Liegnitzer Straße aus dem Pfeffergraben heraus, der damals noch nach Unterquerung der Liegnitzer Str. beim Lehmann-Haus am Südrand der Wiesen dahinfloss und Richtung Muckendorf in die Kalte Bache mündete.
Auch der tiefe Abwassergraben, der etwa 15 m vor den Häusern parallel zum Bleicherdamm (siehe Stadtplan-Ausschnitt oben) entlanglief und eben bei Hochwasser zur Entlastung der Bache dienen sollte, konnte solche Wassermassen nicht bewältigen.
Die Schleuse für die Ableitung aus der Bache in den Abwassergraben befand sich in der Wasserpromenade. Bei Sommerhochwassern paddelten wir Kinder vom Bleicherdamm in den damals gebräuchlichen Zinkbade-wannen (vielleicht bei Ihren Großeltern erworben?) vergnügt auf den Wiesen herum. Neben dem Gartentor schwimmt die Mülltonne in den Fluten.
Hans Werner Jänsch, Mai 2011
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Meine Großmutter aus dem Haus Bleicherdamm Nr. 3 war auf dem Friedhof Lüben beigesetzt. Auf ihren Grabstein waren die Worte eingemeißelt: "Hier ruht in Gott unsere liebe Mutter, Witwe des Ober-Postschaffners, Luise Lubrich geb. Moratschke, * 17.7.1863 † 4.4.1932. Ruhe sanft" |
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