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Ein Konvolut Postkarten der Breslauer Familie Wiester aus den Jahren 1917-1922 enthielt auch eine Karte seiner Mutter an den Sohn Herbert. Die Anschrift lautet: Städtisches Alumnat, Lüben i. Schlesien, Bahnhofstr. 11. Seit 1908 bzw. 1910 gab es zwei Alumnate in Lüben. Beide befanden sich allerdings in der Haynauer Straße. In der Bahnhofstr. 11 war die Spedition von Arthur Knispel. Leider besitze ich weder die Schuljahresberichte des Gymnasiums für die letzten Kriegsjahre noch Fotos dieser Schülerjahrgänge.
Herbert Wiester könnte evtl. privat bei Fa. Knispel untergebracht gewesen sein. Interessant dazu die Information von Hans-Werner Jänsch, dass auswärtige Schüler, die nicht in eines der städtischen Alumnate aufgenommen werden konnten oder wollten, über viele Jahre bei der Wahl einer Privatpension der Einwilligung des Direktors bedurften!
Es ist mir gelungen, den Kontakt zu Herbert Wiesters Tochter herzustellen. Nachdem sie den ersten Schreck überwunden hatte, Zeugnisse aus dem Leben ihres Vaters (1902-1980) im Internet zu finden, stellte sie bereitwillig ein Foto zur Veröffentlichung zur Verfügung. Es zeigt den schmächtigen jungen Mann etwa zu der Zeit, als er das Lübener Alumnat besuchte. Leider weiß die Familie nichts weiter über die Lübener Zeit von Herbert Wiester. Es ist nicht einmal überliefert, wann und wo er das Abitur ablegte. Mit einem herzlichen Dank für das Foto an seine Tochter, die gern anonym bleiben möchte. |
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An Herrn Herbert Wiester
Städt. Alumnat
Lüben i. Schlesien
Bahnhofstr. 11
Breslau, den 4.10.1917
Geliebter Junge!
Ich bin gut hier angekommen, in Lüben hatte der Zug noch soviel Verspätung, daß ich in Liegnitz nur mit knapper Not den Breslauer Zug erreicht habe. Ich bekam aber noch einen guten Sitzplatz. Nora hat es in Freiburg sehr gut getroffen, sie läßt Dich vielmals grüßen. Hoffentlich bist Du gesund und munter, schreibe mir nur recht bald mal, wie es Dir geht. Tausend herzliche Grüße und Küsse von Deiner Mutter
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Von der oberen Karte kennen wir schon Herberts Schwester Nora. Sie schrieb diese Karte 1919 aus dem Seebad Bansin an ihre Eltern in Breslau, wobei sie auch ihren Bruder Herbert grüßt. Ob sie selbst den Stempel mitten auf die Empfängeradresse gesetzt hat? Die Angaben stimmen genau mit denen des Adressbuchs Breslau 1936 überein!
28.7.1919
Herrn und Frau
Walter Wiester
Breslau 18
Kürassierstraße 32/34
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Auszug aus dem Adressbuch Breslau 1935
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Geliebte Eltern!
Schimpft nur nicht gar zu sehr, daß ich jetzt Euch so wenig schreibe. Die Zeit ist so furchtbar schnell vorbei und es ist jetzt ja gerade so himmlisch hier. Viele herzliche Grüße an Euch alle und Herbert von Eurer … Nora
Absender gestempelt: Walter Wiester Breslau XVIII, Kürassierstrasse 32/34
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Zwei Jahre später schreibt Mutter Else Wiester aus Wildungen an ihre Kinder in Breslau:
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Herrn Herbert Wiester
Breslau 18
Kürassierstr. 32/34
Wildungen, den 31.3.1921
Lieber Junge! Vielen Dank für
Deinen lieben Brief. Vatel mußte heute
ganz plötzlich nach Neusalz abreisen, um sich mit einem Herrn
aus Holland zu treffen. Er kommt
auch nach Breslau und in einigen
Tagen auch wieder hierher. Mir
geht's sehr abwechselnd, die Schmerzen
langen noch zu, jeden zweiten
Tag muß ich zum Arzt zur Behandlung, die auch nicht gerade
wohltut. Hoffentlich seid Ihr gesund
und fidel. Das Wetter ist sehr
aprilmäßig. Viele herzliche Grüße
an Dich, Norle und Luise
Deine Mutter
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Hier noch ein Schmankerl aus dem Jahr 1922! So etwas sehe ich nicht zum ersten Mal! Ich überlege, ob damit den Postangestellten die Chance zum Lesen der Privatpost genommen werden sollte oder ob man auf diese Weise ein höheres Porto sparen wollte... Mit etwas Konzentration ist der Text jedoch fast vollständig lesbar! Die Karte wurde in Obergläsersdorf geschrieben. Vermutlich von einer "Gräfin Gabriele Schwarz" - oder ähnlich, die Unterschrift ist nur zu erahnen. Da sie Langwitz erwähnt, könnte sie evtl. auch nur besuchsweise in Obergläsersdorf gewesen sein. Wem ist der Name bekannt?
4.1.1922
Herrn Herbert Wiester
Breslau
Güntherstraße
Ober Gläsersdorf, den 4. Januar
Lieber Herr Wiester!
Ihren lieben Brief erhielt ich
heut und habe mich sehr über Sie
und Ihre Treue gefreut! Danke
Ihnen zunächst für Ihre Wünsche,
und erwidere dieselben herzlichst.
Möchte Gott Sie behüten und gesund
erhalten und Ihnen zu einem guten
Schicksal verhelfen. Ich freue mich
auch sehr, daß auch die Berufsaussichten
gut für meinen Herbert sind.
Wie tut es mir in
Langwitz leid, Sie nicht empfangen
zu können in schönen Stunden.
Mit den treuesten Wünschen
bin ich Ihre ...
Gräfin Gabriele Schwarz
Vielleicht macht es
sich später einmal
durchführbar? Grüßen Sie Ihre
lieben Eltern und sprechen
Sie ihnen meine besten und
herzlichsten Wünsche für's
neue Jahr aus und sagen
Sie ihnen meinen warmem
Dank, daß sie stets so rührend...
... es ist doch einer
der interessantesten Berufe.
Sehr freut es mich, daß
es Ihrer verehrten Frau
Mutter und Ihrem verehrten
Herrn Vater gut geht.
Möchte es bei Ihrer fleißigen
Mutter so anhalten. Und
Ihr herziges Schwesterchen
soll nach Dresden, dann wird
sie diese Stadt der Kunst genießen.
Mir tut es so leid, daß ich
Sie jetzt niemals einladen
kann, da ich jetzt
hier ... selbständig bin.
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