Paul Küster (1895-1976)
Reinhold Liebich














Paul Küster (1895-1976)

Pastor Küster traut Kurt und Klara Schulz geb. Schlafge

Paul Küster nach der Trauung von Kurt und Klara Schulz geb. Schlafge (1935). Kutscher Gustav Peschel. Foto aus dem Nachlass von Fritz Peschel. 1930 traute Pastor Paul Küster auch Käte John, die Schwester von Annemarie John, Freundin meiner Mutter Ursula Moch. Auch auf dem Hochzeitsbild von Käte John ist Paul Küster zu sehen!

Paul Küster wurde am 8.3.1895 in Glogau geboren. Er besuchte in Sprottau die Vorschule, danach war er von Sexta bis Obersekunda in Görlitz und von da bis zum Abitur am Elisabeth-Gymnasium in Breslau. Ab 1913 studierte er evangelische Theologie in Breslau, legte sein 1. Examen 1917, das 2. im Jahre 1919 ab und wurde am 19. Dezember 1919 ordiniert. Kurz vor dem Abitur war er im B. K. Breslau, dann Übergang zur D. C. S. V. Breslau bis zum Wehrdienst 1915.

Den 1. Weltkrieg überlebte er schwerverwundet. Sein beruflicher Weg führte ihn als Lehrvikar nach Pontwitz (Kr. Oels), als Hilfsvikar nach Fürsten-Ellguth (Kr. Oels). 1920 wurde er Pfarrvikar in Weißwasser/OL und ab November 1920 Pastor in Lüben. Zugleich war er für das Kirchspiel in Altstadt tätig (bis Januar 1934). Danach hatte er bis 1946 die Pastorenstelle in Patschkau/OS. Dazwischen lag eine kurze Vertretung in Rösnitz und 1944 eine Vertretung in Röstfelde (Kr. Kreuzburg). 1946 wurde er zum Superintendenten von Neisse der schlesischen Restkirche ernannt.

Im Mai 1946 kam er mit seiner Familie zusammen nach Böckingen. Er war dort anfangs als 2. Pfarrer eingesetzt und ab 1957 bekam er die erste Pfarrstelle. In Böckingen übernahm er die Leitung der Jugendarbeit im CVJM und hat bis zum 62. Lebensjahr in dieser für ihn wichtigen und schönen Arbeit gestanden. Er war Mitglied der Bekennenden Kirche, er war in der Landsmannschaft und zuletzt noch in der Notgemeinschaft evangelischer Deutscher, sowie zwei Jahre Vorstand des Diözesan-Vereins von Böckingen.

Aus seinem privaten Leben wissen wir, daß er am 17. Mai 1922 die in Lüben beliebte Diakonisse Schwester Elisabeth Folta aus Strehlitz heiratete. Sie war als Krankenpflegerin der Schwesternstation in der Schulpromenade tätig. Aus der Ehe sind zwei Töchter und ein Sohn. Er konnte sich zuletzt über sieben Enkel freuen. Nach dem Hinscheiden seiner Frau war er einsam geworden - und doch fand er im Alltag immer noch Dinge, mit denen er sich geistig beschäftigte; so hinterläßt er einige beachtenswerte Bücher und einen großen Freundeskreis...

Paul Küster starb am 25.11.1976 nach einem Verkehrsunfall.

(Aus dem Nachruf im Lübener Heimatblatt 12/1976)

Evangelische Jugend Lübens
von Siegfried Klaß in LHB 13/1967

Eigentlich müßte die Überschrift heißen "Unser Pastor Küster und sein Bibelkreis (BK)", denn er war es, der es verstanden hat, uns als junge Menschen zusammenzuhalten; zu ihm konnten wir aufschauen, zu ihm, der uns im wahren christlichen Geist ausrichtete - der aber von uns BK'lern als einer von uns betrachtet wurde! So sah diese Gemeinschaft aus!

In seiner am Kirchplatz gelegenen Wohnung, direkt am Efeuturm, oder im Gemeindesaal kamen wir wöchentlich einmal zusammen. Wie vielseitig verstand er diese Abende zu gestalten. Es wurden Gemeinschaftsspiele gemacht, an den langen Winterabenden, besonders vor Weihnachten, wurden Bastelarbeiten für unsere Eltern ausgeführt. In Gedanken sieht man sie alle wieder um den Tisch sitzen: der Reche Gerhard, der Neß Herbert, Lorenz Walter, Hilbig Walter und der Prokop Jürgen, Engel Kalle, Nieth Herbert, Stube, Klaß Siegfried, Zwiener Fritz, Hübner Martin (genannt Okel), Mage André... man kann nicht mehr alle aufzählen, es ist doch schon so lange her.

Oft waren wir im frohen Spiel zusammen; so denke ich noch an die Speerschlachten. Die Speere wurden mit Stoff umwickelt, und so schlugen wir uns tapfer und zeigten, wer am geschicktesten werfen konnte. Wenn die Sonne höher stieg, dann ging es auf Fahrt, mit dem Rucksack auf dem Rücken, mit Kochtöpfen, damit wir selbst abkochen konnten. Und was wir da alles kochten, dafür aber mundete dann alles viel besser als das tollste Essen daheim! Nachtwanderungen standen mit im Plan, gezeltet wurde auch. Besonders schön war es, wenn vier Mann so eine Plane festhielten und einer sich hineinlegen durfte und hochgeworfen wurde!

Hans-Sachs-Spiele wurden eingeübt und im Landkreis aufgeführt. Als Dank bekamen wir dann immer Lebensmittel wie Eier, Milch u. a. Wie mundeten dann die Eierkuchen, die von Lorenz Walter und dem kleinen Anders hergerichtet wurden. Durch unsere Wanderungen kamen wir im Landkreis herum, wir lernten die engere Heimat kennen. Wir sahen all die Schönheiten, erlebten die blühende Heide, den herrlichen Wald, und wissen erst heute richtig, wie schön es daheim war.

Besonders gern erinnere ich mich an die große Fahrt, die von Schweidnitz aus über die Eule, Silberberg mit Festung Donjon, Habelschwerdt nach Maria-Schnee im Glatzer Bergland führte. Diese Zeit im BK gab uns durch den Gemeinschaftsgeist fürs spätere Leben manches mit...

Ein fröhlicher Abend in der Wohnung von Pastor Küster um 1930

Ein fröhlicher Abend in der Wohnung von Pastor Küster um 1930
links Pastor Paul Küster, obere Reihe: Herbert Hilbig, Martin Hübner, Herbert Nieth, Johannes Engel, Erich Falke, Siegfried Klaß;
untere Reihe: Helmuth Wucherpfennig, Herbert Neß, Walter Lorenz, Willi Engel genannt Kalle, Kurt Heinze.


Ein guter Freund ging von uns!
Willi Engel (gen. Kalle) in LHB 12/1976

Am 25. September 1976 starb in Heilbronn Superintendent Pastor i. R. Paul Küster. Mit ihm verloren wir ehemaligen BK'ler (Bibelkreis) unseren besten Freund! Wir trafen uns einst in dem Gemeindesaale hinter der Töchterschule (Schulpromenade). Zunächst wurden immer ausgiebig auf den angrenzenden Wiesen Ballspiele durchgeführt. Zu der Zeit war Schlagball und Faustball noch ein beliebter Sport, doch auch Fußball fing an sich durchzusetzen. Bei all diesen Sportarten war unser Pastor Küster ein guter Ausbilder. Anschließend saßen wir im Gemeindesaal, sangen Wander-, Volks- und Kirchenlieder und sprachen dann eine Geschichte der Bibel durch. Viel zu schnell verging uns immer die Zeit an diesen schönen Nachmittagen. An einem Abend in der Woche trafen wir uns in seiner Wohnung, und da bewundere ich noch heute Frau "Paster" Küster, der unser Krach nie auf die Nerven ging. Bei Gesellschaftsspielen und Musizieren war natürlich große Lautstärke ein Dauerzustand.

Auf seinem Dachboden war die Werkstatt, in der unsere Wurfspeere angefertigt wurden. An langen Bambusstäben wurde oben ein großer Korken befestigt, der mit Lumpen umwickelt wurde. Mit diesen Speeren zogen wir dann los in Richtung Brauchitschdorfer Wald. Am Schießstand der Wehrmacht ging es vorbei, etwa 500 m vor dem Wald war eine einzelne große Kastanie. Dort spielten sich oft die ersten Kämpfe ab. Eine Gruppe ging früher los und überfiel dann die Nachfolger. Dann ging es in den Wald hinein und dabei führten wir oft Leiterwagen mit, die schnell mit Brennholz oder Tannenzapfen gefüllt wurden. Den Inhalt brachten wir dann einer alleinstehenden älteren Frau in Lüben mit. So efüllte unser Spiel auch noch einen guten Zweck.

Sonnabend und Sonntag, aber auch oft in den Ferien, gingen wir auf Fahrt und lernten so den ganzen Kreis Lüben sowie darüber hinaus unsere engere Heimat kennen. Der Kuhstall von Inspektor Weiß in Talbendorf hat uns so manche Nacht aufgenommen. Unser Paster kam mit dem Fahrrade nach, wenn es seine Zeit nicht anders erlaubte. Eine Silvesternacht auf dem Pilz bei Koslitz bleibt mir in ewiger Erinnerung. Punkt 24 Uhr waren wir oben und hörten dort die Glocken vieler Dorfkirchen und auch die von Lüben.

In Klaptau führten wir oft einen Gemeindeabend durch, wobei wir ein kleines Theaterstück aufführten, sangen und anschließend zeigte Pastor Küster Lichtbilder. Frau Gruhn lud uns stets zum Abendbrot ein, danach ging es fröhlich per Fuß nach Lüben zurück. Verabschieden mußten wir uns immer bei Frau Gruhn mit dem Kartoffellied und mit Es, es, es und es.

Paul Küster (1895-1976)

Bei Zusammenkünften der Frauenhilfe, geleitet von Pastor Küster, spielten wir im Gasthaus "Zur Stadt Liegnitz" Theater, machten Musik und sangen fleißig. Bei Herbert Neß wurde geprobt, er spielte Klavier; Martin Hilbig, Fritz Zwiener und ich spielten Geige.

Dabei soll nun noch des Geburtstages unseres Pastors Küster, am 8. März, gedacht werden, wozu wir uns alle einfanden und ihm schon früh ein Ständchen brachten. Frau Küster oder seine treue Stütze Frau Neumann ließen uns in die Wohnung und wir griffen tüchtig in die Saiten. Kaffee und Kuchen war danach ein willkommener Lohn.

Auch bei sportlichen Veranstaltungen schnitten wir stets gut ab. Durch Johannes Engel, meinen Namensvetter, Erich Falke, Fritz Zwiener, Georg Prokop - um nur einige hier zu nennen - blieben die Erfolge nie aus. Unser Wimpel bestand aus zwei ehemaligen Reiterfahnen (Lanzenfahnen), die ich besorgt hatte und die die Schwestern von Walter Lorenz bestickt hatten. Wanderungen nach Sabitz, auf das Gut von Gotthard Frhr. von der Recke, waren immer eine schöne Abwechslung. Unterwegs im Gasthaus in Lerchenborn wurde kurz eingekehrt, wo uns der Paster in die Kunst des Billardspiels einweihte. Alle diese Spielarten beherrschte er meisterhaft. Für Nachtwanderungen mit uns nahm er sich ebenfalls Zeit.

Wir bedauerten es sehr, als unser Pastor Küster nach Patschkau versetzt wurde; trotzdem blieb der Kontakt zu ihm weiter bestehen. Für uns war unser Pastor Küster immer wie ein älterer Bruder und ganz guter Freund, zu dem wir mit allen Sorgen und Nöten des Lebens kommen konnten. Zum Teil duzten wir uns. Er fand auch immer wieder Zeit, uns daheim zu besuchen, so wie es unter guten Freunden üblich ist.

Wir alten BK'ler danken ihm, daß er uns in unserer Jugendzeit diese Wege führte, er bereitete uns damit ungetrübte, frohe Jahre, aus denen wir viel fürs weitere Leben mitnehmen konnten. Sein Wirken, aber auch so manches Opfer für uns, war nicht umsonst! Ich freue mich, daß ich ihm in Heilbronn noch einen Besuch abstatten konnte.


Allein

Ich stehe auf - sagt niemand "Guten Morgen" -,
ich zieh mich an und mach mein Bett,
frühstücke, blicke in die Zeitung
und überdenke mir den angefangnen Tag.

Zu tun gäb's mancherlei, doch nichts ist dringend,
es ist ja alles immer nur für mich.
Ich koche, esse, spüle, bin nun fertig
und kann zum Mittagschlaf mich niederlegen.

Ausgiebig pfleg ich ihn, mich drängt ja nichts.
Ich fahr zur Stadt, will Menschen sehen,
doch bin ich wie ein offnes Boot im Ozean
und fühl das doppelt grade unter vielen.

Gut, daß ich meine Bücher habe und die Schachprobleme,
mein kleines Billard oder meine Bastelei,
doch ist kein Partner da, kein Gegenüber,
es ist kein Muß mehr da, das früher mich bedrängt.

Jetzt wär ich dankbar über seinen Stoß.
Das bißchen Abendbrot ist schnell gerichtet.
Ein langer Abend endet einen langen Tag.
Fürcht ich mich nun denn vor dem Nichts?

Zu fürchten ist doch nichts,
es kommt ohndies nichts Neues.
Doch halt! Ich hab's! Das eben könnt es sein:
Genau wie heute bin ich morgen:
bin allein.

Paul Küster, 1976

Die Schwalbe - Zeitschrift für Problemschachfreunde 7/1971 Die Schwalbe, 7/1971, S. 193

In berührender Offenheit beschreibt Paul Küster in nebenstehendem Gedicht einen gewöhnlichen Tag im 80. Lebensjahr. Dass er als Seelsorger den Mut hatte, anderen von dieser Hoffnungslosigkeit zu erzählen, ist bewundernswert. Man wünscht sich, dass er sich von solchen Stimmungen nicht hat unterkriegen lassen.

Um so mehr freute ich mich, als ich eine Schachzeitschrift von 1971 fand, in der er an 20. Stelle einer Liste der Löser von Schachproblemen genannt, in der seine Auszeichnung mit dem 3. Stern für Problemschach-Lösungen bekannt gegeben und ihm zum 76. Geburtstag gratuliert wurde.

Die Zeitschrift Die Schwalbe existiert heute noch und ich bin sicher, Pastor Küster ist darin noch mehrfach zu entdecken. Sind unter den Besuchern dieser Seite Schachfreunde, die danach suchen könnten?

Und wer von den vielen Teilnehmern am Bibelkreis hat Bilder über die schlimme Zeit retten können? Wer zeigt sie den Nachgeborenen? Finden wir Kontakt zu seinen Enkeln?

Die Schwalbe, 7/1971, S. 192

Links: Superintendent Paul Küster errang den 3. Stern.
Ihm wird zum 76. Geburtstag am 8.3.1971 gratuliert.
Oben: An 20. Stelle werden seine Schachlösungen genannt.