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Erich Menzel (1905-1945) und Else Menzel geb. Zingel (1898-1945)
Else Zingel war die älteste Tochter des Lübener Lehrers Gustav Zingel. Ihre Kinderzeit war ungetrübt und voller Sonnenschein, was sich in ihrem Wesen auch später immer wieder erkennen ließ. Sie besuchte die Höhere Töchterschule in Lüben unter Fräulein Meta Mayer. Anschließend besuchte sie in Liegnitz das Oberlyzeum und bestand dort das Lehrerinnenexamen. Im Jahre 1919 trat sie an der Städtischen Höheren Töchterschule zu Lüben als Lehrerin ein. Sie kam als eine sehr junge Lehrkraft und zum Teil mit neuen Methoden geschult. Voller Idealismus ging sie an ihre Ärbeit und hatte sehr bald den Kontakt mit den ihr anvertrauten Schülerinnen. Sie, die mit der Natur von Kindheit an so verbunden war, die ihre schlesische Heimat zu einem großen Teil schon durchwandert hatte, konnte den Naturkundeunterricht so interessant gestalten, sie machte uns auf Schulwanderungen auf vieles in der Natur aufmerksam, wo mancher sonst uninteressiert vorbeigelaufen wäre. Und Turnunterricht bei Fräulein Zingel, das bedeutete viel Freiheit, da wurden die herrlichen Ballspiele gemacht, wobei wir uns so recht austoben konnten. Aber auch bei den Turnübungen wurde ernste Arbeit geleistet, denn sie ließ wohl die Zügel locker, aber nur bis zu einer gewissen Grenze. Und da sie versuchte, sich in die Jugend hineinzuversetzen, so gelang es ihr aber auch immer, im rechten Augenblick eine losgelassene Mädchenklasse zu bändigen. Sie war bei allen Schülerinnen beliebt, und noch über die Schulzeit hinaus blieb manches gute Verhältnis bestehen oder festigte sich.
Außer der Schule wirkte sie in der Jugendbewegung, im Wandervogel und beim Theaterspielen. Weit über den Rahmen des Gewöhnlichen hinaus tat sie Gutes, so wie sie nur konnte, und nur selten erfuhr es die Allgemein-heit. Im Jahre 1932 heiratete sie Erich Menzel, der in Lohbrück bei Breslau als Lehrer tätig war. Von den fünf Kindern des Paares überlebten nur drei den Krieg. |
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1945 verließ Else nach treuer Pflichterfüllung als eine der letzten den Ort. Ungeheuer schwer trug sie am Verlust der Heimat. Dies zeigten ihre letzten Briefe aus Sachsen, die sie ihren Geschwistern schrieb. Nach der Kapitulation machte sie sich mit ihren verbliebenen vier Kindern (Sohn Wolfgang war schon 1940 verstorben) wieder nach Schlesien auf. Klaus (* 1933), Waltraut (* 1936), Sigrid (* 1939) und Gudrun (* 1941). Die Entbehrungen hatten ihren Körper so geschwächt, hinzu kam die seelische Not, so daß sie im Oktober 1945 in Waldenburg verstarb und dort auf dem Knappschaftsfriedhof beigesetzt wurde. Auch die sechsjährige Tochter Sigrid überlebte Hunger und Krank-heiten nicht. Die Spur von Erich Menzel verlor sich im April 1945 bei den Kämpfen um Berlin. |
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Dieser Bericht ist eine Zusammenfassung verschiedener LHB-Artikel. Die Fotos verdanken wir den Kindern von Else und Erich Menzel. Hier Erich Menzel auf einem Bild mit Freunden aus der Wandervogelzeit Ende der 1920er Jahre.
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Im Jahr 2012 sandte mir Waltraut Sturm geb. Menzel, Enkelin des Lübener Lehrers Gustav Zingel, Aufzeichnungen ihrer schrecklichen Erinnerungen an die Flucht, an das Sterben ihrer Mutter und ihrer Schwester, an den Verlust des Vaters. Hier eine Zusammenfassung: |
Unsere Mutter Else Menzel war Anfang 1945 mit den vier Kindern aus dem Kreis Breslau nach Zwönitz in Sachsen geflüchtet. Im Mai 1945 kehrten wir nach Schlesien zurück. Nebenstehender Passierschein - in Deutsch und Russisch - sollte uns Schutz bieten. Die Fahrt im Güterzug von Sachsen bis Breslau dauerte bei extremer Sommerhitze und unter unbeschreiblichen humanitären Zuständen mehrere Wochen. Die Heimat fanden wir verwüstet und die Häuser ausgeplündert vor. In unserem Haus saß die sowjetische Kommandantur. Ein großes Stalinbild verdeckte den Granateneinschuß an einer Außenwand. Mutter musste für sich und uns Kinder die Ernährung durch schwere Erntearbeiten sichern. Von unserem Vater erhielten wir keine Nachricht. Allmählich zeichnete sich ab, dass Schlesien verloren war. Deshalb entschloß sich Mutter im September 1945 zum zweiten Mal, Schlesien zu verlassen. Sie wollte mit uns nach Güstrow in Mecklenburg, wo Onkel Rudi, Mutters ältester Bruder, wohnte. Irgendwo unterwegs auf der Strecke Breslau-Berlin erlitt Mutter einen schweren Herzanfall. Wir mussten den Zug verlassen. Sie wurde in ein Krankenhaus in Waldenburg gebracht. Wir Kinder in das dortige Lager. Da wir die Krankenhauskosten nicht aufbringen konnten, wurde sie nach wenigen Tagen ins Lager entlassen. Ihr Zustand verschlechterte sich rapide. In der Nacht zum 5. Oktober 1945 starb sie. Ein deutscher Pastor hat sie in meinem und Klaus' Beisein beerdigt und uns Waisenkindern Hilfe versprochen. Wir Geschwister wurden danach bei vier verschiedenen deutschen Familien in Bärsdorf Kreis Waldenburg untergebracht. Die schlimme Zeit hatte uns alle sehr geschwächt. Für unsere sechsjährige Schwester Sigrid kam jede Hilfe zu spät. Sie starb am 13.11.1945 bei den Pflegeeltern und wurde in Bärsdorf beigesetzt. Gudrun und ich wurden im Frühjahr 1946 zusammen mit den Pflegefamilien auf Anordnung der polnischen Verwaltung im Rahmen der 1. Ausweisungswelle ausgewiesen. Wieder ein Güterzug-Transport. Ankunft in Nordrhein-Westfalen. Gudrun kam in die Nähe von Essen, ich nach Sinsen bei Recklinghausen. Klaus war bei einer deutschen Landwirtin untergebracht, die ihre Heimat erst mit der dritten Ausweisungswelle verlassen musste - oder soll man sagen "durfte"? Weihnachten 1946 tauchte er unerwartet in Oberbayern auf. |
Passierschein
Frau Menzel, Else mit 4 Kindern will in ihre Heimat Lohbrück Kr. Breslau zurückkehren. Sie war nur vorübergehend in Zwönitz aufhältlich. Zwönitz, am 30.5.1945. Der kommissarische Bürgermeister der Stadt Zwönitz. i. A. Bauer
Пропуск
Гос. Menzel, Else, с семей желает вернуться на родину
Lohbrück/Breslau. Она проживал временно в
городе Цвейниц.
Цвейниц, бургермайстер
города
Цвейниц i. A. Bauer
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Tante Hilde, Mutters Schwester, holte uns alle drei zu sich. Wir haben unser Leben trotz dieser traumatischen Ereignisse gemeistert, wohl weil unsere unvergessenen Eltern einen guten Grund gelegt hatten. Waltraut Sturm geb. Menzel, 2012 |
Was mich mit Else und Erich Menzel verbindet Heidi
Das Schicksal von Else Menzel-Zingel bewegt mich nicht nur wegen seiner Unerbittlichkeit. Es gibt einen Zusammenhang zum Leben unserer Familie, den ich hier aufzeigen möchte. In den Nachkriegsjahren hielten die ehemaligen Lübener eng zusammen. Auch wenn sie weit voneinander entfernt wohnten, besuchte man sich und lud die Kinder zu Ferienaufenthalten ein. Ich erinnere mich an Besuche bei Sattlermeister Otto Groß, der nach dem Krieg in Trebbin lebte.
Wie im Jahresabschlußbericht des Lübener Gymnasiums von 1925 festgehalten ist, verließ Erich Menzel 1928 die Schule nach der Reifeprüfung (siehe Tabelle). Als "Stand und Wohnort des Vaters" wird bei ihm angegeben: Vormund: Otto Groß, Sattlermeister Lüben. Seine Ehefrau Martha Groß war eine geborene Menzel! Sie muss also die Mutter von Erich Menzel gewesen sein, die unverheiratet als 18jährige einen Sohn zur Welt brachte. Das war damals ein Tabuthema. Und weil Erich Menzel den Krieg nicht überlebte, fiel es leicht, seine Herkunft dem Vergessen anheimzugeben. Den letzten Anstoß zum Verständnis gab mir Elisabeth Arendt, die sich erinnerte, dass Emma Grögel, die Schwester von Martha Groß und Tante von Erich Menzel war...
Ich habe also die Mutter von Erich Menzel gekannt! Die Geschichte scheint nur verworren. In Wahrheit spiegelt sie wieder, wie wir alle miteinander verbunden sind... Und welche Lübener Menzels gehörten außerdem in diese Familie? Rechts ein Foto von Otto und Martha Groß und meiner Schwester Gabi als Ferienkind 1952 in Trebbin.
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Else Zingel-Menzel |
Erich Menzel |
Links die Verweise zu den Personalkarten von Else und Erich Menzel auf der Website der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung
des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung
Das Copyright der Bilder liegt bei BBF/DIPF-Archiv, Gutachterstelle des BIL - Preußische Volksschullehrerkartei, wohin die Verweise führen. |
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