Else Senftleben (1877-1955)
Erwin Siebenhaar (1882-1963)














Sommersingen 1932

Dieses Foto von Georg Böer vom Sommersingen in Lüben wurde im März 1932 auf dem Hof der Drogerie Senftleben, Liegnitzer Straße, aufgenommen. Georg Böer (44) erwähnt, dass jedes Kind nach dem Singen einen Gutschein von Frau Senftleben bekam, für den es sich ein paar Tage später dieses Bild abholen konnte. Diese Episode erinnerte mich an weitere anrührende Erinnerungen an Frau Senftleben und sie brachte mich auf die Idee, dass die Frau auf dem Foto (1) Frau Senftleben sein muss! Ihr sei diese Seite gewidmet. Inzwischen hat mir Rudolf Klose bestätigt, dass sie es ist. Er hat ebenfalls schöne Erinnerungen an das Sommersingen vor der Drogerie Senftleben und erkennt sich in dem Jungen mit der Schülermütze (9)!
Vom Ring aus gesehen auf der rechten Seite der Liegnitzer Straße befand sich in Nr. 2 die Drogerie von Max Senftleben, die er nach dem Tod seines Vaters August Senftleben (1840-1924) übernommen hatte. Das folgende kleine Fotoalbum mit dem Werbeaufdruck von Max Senftleben verdanken wir Rudi Kurzke. Nach dem frühen Tod des nur sechsundfünfzig-jährigen Max Senftleben im Jahr 1931 leitete seine Witwe Else Drogerie und Destille Senftleben in der Tiefen Straße.

Werbematerial Drogerie und Photohaus Max Senftleben


Frau Senftleben - eine Lübenerin mit großem Herzen
von Kurt Passon

Sie war von Figur eine kleine Frau, mit kaum nachahmbarer Sprache in selten hoher Tonlage. In ihrer Umgangsform glich sie Hans Moser, nur mit dem Unterschied, daß dieser sehr geizig gewesen sein soll, während Frau Senftleben sehr großzügig war, christlich dachte und danach handelte. Wenn sie sprach, ob hinter dem Ladentisch in der Drogerie oder hinter der Theke in der Destille, dann hatten alle anderen Pause. Sie verstand es nach dem Tode ihres Mannes, am Anfang der dreißiger Jahre, die zwei Geschäfte in der Tiefen Straße unter einem Dach gekonnt zu leiten. Hier lernte auch Irmgard Hartmann, die Tochter einer kinderreichen Familie aus Lüben, ihren Beruf als Drogistin.

Weihnachtsgeschenke waren bei Frau Senftleben für ihre Mitarbeiter ein kleiner Goldregen. Bei Hochzeiten schenkte sie mehr als nur ein Sortiment Kochlöffel. Kein Wunder, daß es hier kaum eine Fluktuation gab, man fühlte sich wohl bei der kleinen Frau.

Das große Herz offenbarte Frau Senftleben als Witwe täglich, indem stets elf Kinder armer Leute bei ihr kostenlos Mittagsgäste waren. Alle 4 Wochen wurde gewechselt. Die Kinder kamen zwar zu unterschiedlichen Zeiten aus der Schule, dennoch versuchte Frau Senftleben alle Mittagsgäste zu begrüßen, um sich deren Tischgebete anzuhören. Wurde das Gebet zu oft wiederholt, so gab sie den Rat, sich mal etwas anderes einfallen zu lassen bzw. in der Sonntagsschule in der Kirche etwas Neues zu hören und zu lernen. Gab es Zeugnisse in der Schule, so nahm Frau Senftleben, die an sich sehr beschäftigt war, auch noch Einsicht in die Zensuren, und dann mußte sich manches Kind eine Gardinenpredigt anhören. So nahm sie auch noch Einfluß auf Bildung und Erziehung.

Am Sommersonntag Laetare mußten die bei ihr zu Gast gewesenen Kinder zweistimmig ihr Wunschlied singen: "Nun will der Lenz uns grüßen" und als Zugabe: "Harre meine Seele, harre des Herrn". Wo mag wohl diese großherzige Lübenerin ihre Ruhe gefunden haben? Sie war eine fromme, freundliche, erfolgreiche, sozial vorbildliche Lübenerin.

Kurt Passon, LHB 5/1990
Nachruf für Else Senftleben

Am 29.5.1955 ist Frau Else Senftleben, Kronen-Drogerie Lüben, mitten heraus aus ihrer uns allen bekannten Emsigkeit im Alter von 78 Jahren plötzlich verschieden. Sie lebte zuletzt in Bockenem im Harz, wohin sie der Fluchtweg geführt hatte. Sie blieb bis zuletzt die Geschäftsfrau und verkaufte Wolle, umhäkelte Taschentücher, vor allem aber war sie ihrem Geschäftszweig treu geblieben. Noch immer füllte sie Spirituosen ab und trug auf den Flaschenetiketts die alte, gut bekannte Firma "Max Senftleben" weiter. In einem sehr bescheidenen Raum lebte sie ein bescheidenes Leben, ein Mensch, der einst nicht nur ein gutes Auskommen hatte, sondern viel Gutes tat. So manche finanziell sehr schlechtgestellte Familie durfte sich mittags das Essen holen. In so mancher Familie versuchte sie Not zu lindern. Ihre Neffen und Nichten aber wurden zu besonderen Festtagen, besonders, wenn sich eines verheiratete, nie vergessen. Sie selbst liebte das Leben um sich herum, und ihr mag wohl nur wohl gewesen sein, wenn sie von dem Trubel des Alltags, der für sie oft genug auch Schattenseiten gehabt haben mag, mitgerissen wurde. Nicht nur Landsleute aus Lüben, sondern auch aus dem Kreis werden diese kleine, lebendige Frau, die bis zuletzt sich selbst erhielt und dem Leben etwas abzugewinnen versuchte, nie vergessen können. LHB 13/1955

Grabstätte der Familie Senftleben auf dem Lübener Friedhof

In den 1960er Jahren existierte auf dem Friedhof in Lubin noch die Grabstätte der Familie Senftleben.