Kunstdenkmäler in der Ossiger Kirche
Gemeinde Ossig














Kunstdenkmäler in der Ossiger Kirche

Nach wissenschaftlichen Mitteilungen bearbeitet von Dr. med. Gerhard Anders/Lüben (1887-1941) mit freundlicher Genehmigung des Herrn Rittergutsbesitzers Major v. Lucke/Ossig (1860-1930). Aus: "Führer durch die Lübener Landschaft", Ortsgruppe des Riesengebirgsvereins RGV Lüben, 1928, S. 28-32. Darüber hinaus s. auch Informationen über die Kirche in den Berichten der Provinzial-Konservatoren zwischen 1896 und 1934.

Wenn man etwas vom Kreise Lüben schreibt, so wird man nicht umhin können, eines der größten Söhne zu gedenken, den dieser Landstrich hervorgebracht hat, Kaspar von Schwenckfelds, geboren Ende 1489 zu Ossig, Kreis Lüben.

Es ist hier nicht der Ort, auf seine Tätigkeit als Sektierer zurückzukommen. Es sollen im folgenden lediglich Dinge berührt werden, die sich auf die Historie der Ossiger Kirche als der "Schwenckfeldischen" beziehen. Ich verdanke die Kenntnis derselben der Freundlichkeit des derzeitigen Dominialbesitzers, Herrn Major v. Lucke und seiner Tochter Ilse v. Lucke.

Im Jahre 1918 ließ der Patron der Kirche, Herr v. Lucke, die angebliche Gruft vor dem Altar öffnen. Vor dem Altar liegt ein großer Stein, dessen untere Hälfte mit vier Wappenbildern bedeckt ist. Mit Hilfe von Fachwissenschaftlern und Photos konnten die Bilder entziffert werden. Oben links steht das Wappen derer von Waldau, rechts oben derer von Falkenhayn, unten links das derer von Stosch und rechts unten das derer von Mole. Die über den Wappenschildern vermutete Inschrift ist unkenntlich, da abgetreten.

Zur größten Enttäuschung der Gruftforscher fand man an ihrer Stelle eine metertiefe Sandschicht. Im Verlauf der Arbeiten wurde man aufmerksam auf ähnlich große Steinplatten, wie die erwähnte, welche, offenbar mit der Schrift nach unten abgelegt, den Gang der Kirche bedeckten.

Kaspar von Schwenckfelds

Auf dringende Vorschläge des Geistlichen, Herrn Pastor Petermann, und Befürwortung des Patrons, beschloß der Gemeindekirchenrat, die Platten aufzunehmen und nach wissenschaftlicher Erforschung in der Kirche aufstellen zu lassen. Diese Arbeit ging in der Woche vom 30. Juli bis 4. August 1918 vor sich. Das Resultat war folgendes:

Stein 1 am Kircheingang bis zur Unkenntlichkeit abgetreten.
Stein 2 wurde mit Stein 4 zu einem Ganzen zusammengesetzt und in der Turmvorhalle neben der von Lutsch erwähnten schmiedeeisernen Tür (Verzeichnis der Kunstdenkmäler III, 198) aufgestellt. Auf der Steinmitte eine Frau in der Tracht des 16. Jahrhunderts. In den Ecken vier Wappenschilder, stark abgetreten. Man glaubt aus Merkmalen zu entnehmen, daß es sich links oben um ein Wappen der Kanitze handelt. Rechts oben das Wappen der Niebelschütze mit der Inschrift: DER V. NIEBELSCHITZER. Wappen links unten unkenntlich, rechts unten das Wappen der Kreckwitzer. Der Rest der Inschrift lautet:... JHAR. DEN MONTAGK. VOR. PAULI. BEKERVNG. IST. J(N GOTT. SELICHEN. ENTSCHLAFEN. DIE. ALTE. TUGENDSAME. FRAU. ANNA...
Stein 3, ebenfalls stark abgetreten, läßt in der Mitte das Schwenckfeldwappen in rund ausgehauenem Feld von 60 cm Durchmesser noch gut erkennen. Die Umschrift, oben links angefangen, ergab: ANNO DO... MARIA. GEBURT... (E)RENFESTE. HANS. SCHWENCKFELT. ERBHER. ALHIE. ZU OSSINK... BEGRAB(EN)... Dieser Stein wurde in der Seitenvorhalle rechts vom Eingang aufgestellt. Bei diesem Hans v. Schwenckfeld handelt es sich um den Vater unseres Kaspar v. Schwenckfeld.
Stein 5, in drei Bruchteilen vorhanden (Teil 4 fehlt) bietet keinerlei Anhaltspunkte außer der Jahreszahl: ANNO. DM. MCCCCXVII...
Stein 6, der größte und schwerste (190 cm hoch, 100 cm breit, 20 cm stark), dokumentiert sich als eine Kunstwerk. Wieder ist eine Frau dargestellt, deren Tracht von der Haube bis zu den Schuhen wundervoll erhalten ist, sogar die Spitzen des Kleides sind bis ins Kleinste ausgearbeitet. Oben links das Wappen derer v. Stusche, rechts das derer v. Slitig (Schlichting). Die Umschrift um den Rand lautet: 1.5.5.9. IORE. AM. SONTAGE. VOR. MARIE. GEBVRT. IST. IN. GOT. VOR. SCHIDEN DI EDLE. TUGETSAME. FRAV. MARGARETA. SCHTOSCHIN. HANS SCHWENKFELDES. ZU. OSSIK. NOCH. GELOSE. WITW. D. G. G. Dieser Hans ist der Bruder des Reformators. Stein 6 kommt neben 3 zu stehen.
Stein 7, nur halb erhalten, zeigt ebenfalls eine Frauengestalt in betender Haltung. Wappenschild links oben unkenntlich, rechts oben das derer v. Gekeritz (Kökeritz). Von der Inschrift ist folgendes erhalten: ANNO 1569 DEN 11. JANUARY. IST IN GOT SELICH ENT(SCHLAFEN)... Dieser Steinrest befindet sich in der Seitenvorhalle zur Kirche links von der zur Kirche führenden Tür.
Stein 8, der letzte der geborgenen, wurde leider beim Richten erheblich demoliert, sodaß die obenstehenden Wappen fast gänzlich zerstört wurden. Doch ist noch festgestellt worden, daß es sich um das Wappen der Schwenckfelds und Stosche handelt. Unten befinden sich die Wappen derer v. Kreckwitz und Schlichting. Alle sind tellerförmig eingelassen. Die stark ledierte Schrift ließ sich wie folgt entziffern: ANNO 1580 DEN 14. SEPTEMBER (?) IST IN GOT SELIGLIG (H)EN VORSCHIDED DIF EDLE ... THUGENREICHE FRAU (HELENE) GEBORNE SCHWENCKFELD(IN) FRIDRICH SCHWEINITZ... LIEBNAW ZV MOLREDL(ITZ) EHLICHE HAVSFRAU DEM (G. G.) Es handelt sich hier um die erste Frau Friedrichs von Schweinitz auf Mühlrädlitz. Sie war die Tochter des Hans von Schwenckfeld und seiner Gattin Margarete geb. von Stosch (siehe Stein 6). Stein 8 wurde ebenfalls in der Seitenvorhalle der Kirche aufgestellt, sodaß die Grabdenkmäler von Mutter und Tochter nebeneinander stehen.

Soweit der Bericht des Forschers. Die Kirche zu Ossig in ihrer heutigen Form stammt aus dem Jahre 1619. Wann die Steine in den Kirchengang gekommen sind, ist unbekannt.

Im Innern der Kirche sind noch erwähnenswert das Grabdenkmal des Hans v. Schwenckfeld (bei Lutsch Band III, 198, Nickel genannt), des Bruders Kaspars, und das des Neffen des Reformators, ebenfalls Kaspar genannt. Ersteres steht im Innern der Kirche der Kanzel gegenüber in die Wand eingemäuert rechts vom Eingang. Oben sehen wir das Kruzifix, rechts und links kniende Frauen, auf der unteren Hälfte das Familienwappen mit der Randschrift: ANNO 1553 am abent Maria Geburt ist in Gott verschiden der Edle Ehrenveste HANS Schwenkfeld zu Ossig dem Got genade.

Der Stein ist leider übertüncht. Das Denkmal des Kaspar steht an der Kanzeltreppe, zum Teil verdeckt, und zeigt die Figur des Ritters in Lebensgröße. Außer den Wappen der Familie zeigt es die Wappenschilder der Stosche, Kreckwitze und v. Schlichten. Die Umschrift lautet: Anno 1575 den 7 Maii ist in Gott seliglich entschlafen der Edle Wohlehrenfeste Caspar von Schwenckfeld dem Gott gnädig und barmherzig sein wolle und uns allen. Amen. Auch dieser Stein ist stark übertüncht.

Soweit der Chronist und Altertumsforscher. Wir aber sehen, welchen Schatz in Kunstdenkmälern wir in dem bescheidenen Dorfkirchlein so hart an Lübens Grenze haben. Wer war denn schon dort?? Wie viele kennen nicht einmal den Namen Schwenckfeld!! Bedauerlich ist, daß soviel durch Vandalismus und Unverstand verloren ging, was unwiederbringlich verloren ist. 1928


Wie viel mehr Vandalismus und Unverstand brachte erst der Krieg! Aber welch glücklicher Umstand! Die Ossiger Kirche ist erhalten und in bestem Zustand. Was aber mag aus den Steindenkmälern geworden sein, die von dem großen Sohn eines kleinen Dorfes zeugten? Kann uns jemand Fotos aus dem Innern der Kirche übermitteln?

Immerhin fand sich eine Aufnahme vom Inneren der Ossiger Kirche von 1936!

Kirche zu Ossig 1928, Foto von Dr. med. Gerhard Anders

Kirche zu Ossig 1928, Foto von Dr. med. Gerhard Anders

Kirche zu Ossig 2010, Foto von Piotr K.

Kirche zu Ossig 2010, Foto von Piotr K.