Das Epitaph des Bürgermeisters Hans Finster aus dem 16. Jh.
Text auf Polnisch / Tekst w języku polskim Sigrid Lisner geb. Freude














Das Epitaph zum Gedächnis an den Bürgermeister Hans Finster aus dem 16. Jh.
von Matthias Finster, Görlitz, 2011

Die Familienforschung der Familie Finster setzte kurz vor der Jahrhundertwende 1900 ein. Im Jahre 1906 kam ein erster Stammbaum heraus. In den folgenden Jahrzehnten wurde intensiv geforscht und namentlich erweitert. Inzwischen umfasst unsere Familienchronik mehr als 1.000 Namen. Unser Familien-Stamm hat seine Wurzeln in Lüben in Schlesien. Die ersten beurkundeten Namen tauchen 1506 und 1511 auf. Es finden sich - besonders im 16. Jahrhundert - eine große Anzahl Finster als Tuchmacher, Gerber, Mälzer und andere Handwerker. Die Nachkommen des Bürgermeisters Hans Finster haben durch Generationen auf dem "Mühlhofe" gesessen.

Eine einschneidende Änderung erfolgte 1675, als nach dem Tode des letzten Piastenherzogs die Fürstentümer Liegnitz, Brieg und Wohlau als erledigte Lehen an den Kaiser zurückfielen und dieser die Gegenreformation durchführte. Durch die harten Maßnahmen wanderten viele Familien nach dem benachbarten Sachsen aus und begründeten dort eine neue Heimat, so auch die beiden Brüder Johannes und Gottfried, die nach Görlitz übersiedelten. Während Johannes nur Tochter Helene hinterließ, wurde Gottfried zum Stammvater aller Görlitzer Finster. So weit ein kleiner Streifzug durch unsere Familienchronik.

Im Jahr 1937 wurde erstmalig von einem wertvollen Renaissance-Epitaph in der Stadtpfarrkirche zu Lüben berichtet, das Bürgermeister Hans Finster († 9.4.1552) und seiner Familie gewidmet ist und sich gut erhalten dort befindet.

Mein Großvater beschrieb das Epitaph folgendermaßen:

Epitaph zu Ehren des Bürgermeisters Hans Finster aus dem 16. Jh.

Das Epitaph auf einem Foto von 1937 in der Evang. Kirche zu Lüben

"Das Mittelbild stellt Christus in Gethsemane dar. Rechts schlafen die Jünger, im Hintergrund dringt eine Schar Bewaffneter durch ein Tor, an ihrer Spitze Judas. Im Vordergrund links kniet der Bürgermeister Hans Finster mit schwarzem Haar und Vollbart, rechts seine Ehefrau Veronica geb. Bognerin und ihre Töchter Anna verehel. Breithor und Katharina verehel. Homberger. Es darf angenommen werden, daß die beiden am deutlichsten dargestellten Jünger die Züge der Ehemänner tragen. Die Kleidung der drei Frauen ist reich. Zu Füßen des Ehepaares findet sich je ein Wappenschild mit einem Beschauzeichen, das wahrscheinlich auf die Tuchmacherzugehörigkeit der beiden Familien Finster und Bognar hinweist. Das Epitaph ist in Konrad Kloses Geschichte der Stadt Lüben mit mehreren anderen auf S. 100 (Fußnote 386) aufgeführt." Es trägt vier Aufschriften, deren mittlere auf dem Foto von 1937 gut zu lesen sind:
  1. Christus vita nostra
  2. Du hast mir Arbeit gemacht in Deinen Sünden. Und hast mir Mühe gemacht, in Deinen Missethaten, ICH ICH tilge Deine Übertretung um meinetwillen und gedenke Deiner Sünde nicht. Jesaja 43. Kap.
  3. Im 1552 Jahr am Abend Palmarum, ist in Gott selig entschlaffen Der Erbar wolweise Herr Hans Finster, die Zeitt Bürgermeister alhie, Anno 1575, den 11. Sept: die ehrentugentsame frau Veronica Bognerin seine Ehliche haußfrau. Anno 1586 den 7. Janna: Frau Anna Herr David Breithors eheliche, Ihre elteste tochter. Zuvor Anno 1572 den 28. Sept: Frau Kathari: Herr Melchior Hombergers ehliche, Ihre ander tochter. Denenn gott und uns Allen genedig sey Und am Jüngsten Tage Eine fröliche aufferstehung Verleihen wolle.
  4. Renovatum Anno 1+6+0+1

Schon lange hatten wir den Wunsch, das Epitaph mit eigenen Augen zu sehen. Bei der Vorbereitung unserer Fahrt nach Lubin lieferte uns Ihre Internetseite wertvolle Informationen. Am Sonntag, dem 17. April (Palmarum) 2011, ist unsere Familie nach Lubin gefahren. In der Pause zwischen zwei Messen gelang es uns, in die Kirche zu gehen und "unser Epitaph" zu suchen. Wir fanden es tatsächlich! Rechts neben dem Altar hängt das Mittelbild unseres Epitaphs! Der Rahmen mit der Widmung fehlt leider völlig. Vermutlich erlitt er in der Nachkriegszeit das gleiche Schicksal wie das Jesuskind vom Weihnachtsaltar, von dessen wundersamer Rettung Pastor Rudolf Irmler berichtete.

Dennoch können Sie sich sicherlich unsere Freude, das Bild mit den Ahnen zu entdecken, vorstellen. Dass der Rahmen mit den Aufschriften verschwunden ist, ist ein großer Verlust. Es gibt in der Pfarrkirche noch eine Reihe anderer Epitaphe, die vollständig erhalten sind. Deshalb richten wir hier die Frage an alle, die sich an das Epitaph erinnern oder aus anderen Gründen etwas darüber wissen: Gibt es irgendwo Hinweise, warum von diesem Epitaph "nur" das Mittelbild vorhanden ist.

Wir freuen uns, dass Sie uns die Möglichkeit einräumen, die Geschichte des Epitaphs des Bürgermeisters Hans Finster auf Ihrer Internetseite darzustellen. Es freut mich und uns, dass damit ein kleines Stück der Geschichte Lübens der Nachwelt erhalten bleibt. Da das Mittelbild des Epitaphs heute ohne jegliche Erklärung in der Kirche hängt, trage ich mich auch mit dem Gedanken, die Aufschriften ins Polnische zu übersetzen und der dortigen Pfarrei zu übergeben.

Ich grüße Sie ganz herzlich aus Görlitz,
Matthias Finster

Mittelbild des Epitaphs im Jahr 2012

Das Mittelbild des Epitaphs im Jahr 2012 in der Kirche zu Lubin. Fotografiert und übermittelt von Marcin Marczak! Herzlichen Dank!