Das bin ich, Sigrid geb. Freude auf dem Klassenbild der Quarta des Lübener Gymnasiums aus dem Jahr 1943, ganz links sitzend. Ich bin 1930 in Duisburg geboren worden. Wieso ich dann in Lüben das Gymnasium besuchte? Nun - meine Mutter stammte aus dem Kreis Lüben. Sie war eine geborene Weidner. Dieser Name war sowohl in der Stadt Lüben, als auch im Kreis - besonders in Groß- und Klein-Krichen - sehr verbreitet. Ungefähr 1927 ging meine Mutter zu Verwandten nach Duisburg. Dort lernte sie Paul Freude, einen gebürtigen Bunzlauer kennen. Sie heirateten 1929.

Schon vor dem Krieg fuhr meine Mutter mit meinem Bruder Günter und mir in den großen Ferien nach Klein-Krichen zu meiner Oma.
(Sie war die Schwägerin von Wilhelm Weidner.)

Als bedeutender Standort der Chemie-, Stahl- und Hüttenindustrie wurde Duisburg während des Krieges ein regelmäßiges Angriffsziel alliierter Bomber. Dabei wurden nicht nur Häfen, Gleis- und Industrieanlagen, sondern auch gezielt die zivile Bevölkerung angegriffen. Als eine Einflugschneise zum Ruhrgebiet erlebte die Stadt daher ab 1942 praktisch täglich Luftalarme. Nach offizieller Zählung der Duisburger Luftschutz-Polizei war die Stadt 299 Bombenangriffen ausgesetzt.

Die ersten Bomben fielen schon 1940. In diesem Jahr fuhren wir wie gewohnt in den großen Ferien nach Kleinkrichen und da die Meldungen von zu Hause nichts Gutes verhießen, blieben wir erst mal dort. Ich wurde bei meiner Tante und ihrem Mann, Max und Ella Weidner, die in Lüben in der Niederglogauer Straße eine Fleischerei hatten, untergebracht und war bis Ostern 1944 Gastschülerin des Lübener Gymnasiums. Daher stammt auch das Klassenbild mit unserem Lehrer Dr. Weisker.

1944 wurde ich in Lüben konfirmiert. Diese Konfirmation war wohl die letzte in dieser Kirche. Sie fand am 19. März 1944 in der evangelischen Stadtpfarrkirche zu Lüben statt.

Pfarrer Walter Groß (1877-1960) widmete mir den Spruch "Es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade. Hebr. 13,9".

Nach Ostern 1944 kam ich auf die Mittelschule in Liegnitz, diesmal als reguläre Schülerin um dort den Abschluß zu machen. Dazu ist es nicht mehr gekommen.

Meine Mutter lebte zu der Zeit mit meinem Bruder in Klein-Krichen bei meiner Oma und meinem Onkel Wilhelm auf dem Bauernhof. Mein Bruder besuchte 2 Jahre die Volksschule in Lerchenborn und kam 1942 ins Schülerheim in Lüben.

In meinen Unterlagen befindet sich auch der Gesellenbrief von meinem Vetter Manfred. Dies war der Sohn von Gerhard und Martha Weidner (geb. Weidner) aus Groß Krichen. Sie führten dort eine Gastwirtschaft und Fleischerei. Sie hatten drei Kinder, die "große Sigrid", Manfred und Eberhard. Eberhard ist der einzig Überlebende, er lebt in Tönisvorst bei Krefeld, nicht weit von uns. Überhaupt sind viele aus der Familie in Duisburg und Umgebung ansässig geworden, da hier auch schon durch uns Kontakte bestanden.

Sigrid Lisner geb. Freude, Mai 2009