Zur Geschichte der Juden in Lüben
Ermordete jüdische Lübener














Der Vorsitzende der polnischen ROJT-Stiftung Andrzej Idziak übermittelte mir aus dem Buch "Bits of the history of Jews in Silesia" (Bruckstücke der Geschichte der Juden in Schlesien) den Abschnitt über Lüben. Ich geben ihn hier in meiner (möglicherweise unzulänglichen) Übersetzung aus dem Englischen wieder. Ihr folgt der Originaltext.

JUDEN IN Lüben hatten nie eine große deutsch-jüdischen Bevölkerung. Lüben lag weder an wichtigen Verkehrswegen, noch hattedie Stadt eine traditionelle jüdische Besiedlung. Ebenso wenig siedelten sich die polnischen Juden, die nach dem Zweiten Weltkrieg in großer Zahl nach Niederschlesien kamen, nicht in Lubin an. Die Geschichte der Juden in der Stadt wird vergessen, um so mehr, als keine materielle Spur ihrer Anwesenheit überlebt hat. Die Synagoge wurde wahrscheinlich während der Kriegshandlungen zerstört, und es gibt keine Spuren mehr von dem Friedhof...

Die erste Erwähnung von Juden in Lüben stammt aus dem Mittelalter. Es gibt Aufzeichnungen aus dem frühen 14. Jahrhundert über die jüdische Präsenz in Lubin, Ścinawa (Steinau an der Oder), Góra (Guhrau) und Wschowa (Fraustadt). Aber zu dieser Zeit bildeten Juden definitiv keine große Gruppe in der Stadt. Organisierte jüdische Siedlung begann in Lüben erst nach dem Preußischen Judenedikt von 1812, aber die Stadt wurde nie Sitz einer unabhängigen jüdischen Gemeinde.

Die Familie von Mendel Hirsch Berliner aus Glogau war die erste, die sich in der Stadt niederließ. Sie kam 1814 nach Lüben. Eine weitere jüdische Familie - der Händler Herz Brieger aus Breslau und seine Frau - ließ sich hier 6 Jahre später nieder. In den folgenden Jahrzehnten wuchs die Zahl der Juden in der Folge von aufeinanderfolgender Siedlungswellen und erreichte im Jahr 1871 das Maximum von 111 in der Stadt und 130 im ganzen Kreis. Die Juden kamen in erster Linie aus der Region Großpolen, aber auch aus den Städten Glogau und Breslau und anderen Orten Niederschlesiens. Juden aus Großpolen bildeten den Kern der jüdischen Bevölkerung in der Stadt und bestimmten die Art der lokalen jüdischen Gemeinde. Es gab große Veränderungen in der Zahl der Juden in Lüben. Am Ende des 19. Jahrhunderts verließen immer mehr von ihnen Deutschlands Westprovinzen in Richtung größerer städtischer Zentren in Schlesien. Einige wanderten nach Nordamerika, Großbritannien und in die Niederlande aus. Die Hauptaufgabe der Lübener jüdischen Gemeinde war es, den religiösen Bedürfnissen ihrer Mitglieder gerecht zu werden, die Gottesdienste und Beerdigungen zu organisieren, ihre eigene Synagoge und den Friedhof zu haben. Anfangs seit ca. 1837 fanden Gottesdienste in gemieteten Räumen statt.

Aber als mehr und mehr jüdische Familien in der Stadt und ihrer Umgebung siedelten, wurden in den frühen 1860er Jahren die Räumlichkeiten zu klein, umso mehr als auch Soldaten jüdischer Abstammung der lokalen Garnison die Dienste in Anspruch nahmen. In der zweiten Hälfte der 1860er Jahre beschlossen die jüdischen Einwohner von Lüben ihre eigene Synagoge zu bauen, nahe dem Marktplatz (Ring) bei Schulpromenade 12. Sie wurde in den Jahren 1867-1868 an exponierter Stelle errichtet. Das Investitionsprojekt wurde dank der Großzügigkeit der lokalen Juden, mit Unterstützung der Stadtverwaltung durchgeführt und erhielt einen Zuschuss der Haymann-Stiftung aus Kopenhagen. Die Synagoge wurde am 14. September 1868 offiziell eröffnet. Das Datum, an dem der jüdische Friedhof in Lüben gegründet wurde, ist nicht bekannt - wahrscheinlich war das in den 1830er oder 1840er Jahren. Die Eröffnung könnte mit den Anweisungen der preußischen Behörden verbunden sein, die von den Juden die Einrichtung von Friedhöfen in größeren jüdischen Bevölkerungszentren verlangte.

Ein kleiner Friedhof von ca. 700 qm wurde außerhalb der Stadt auf der Straße von Lüben nach Ossig eröffnet. Bestattungen auf dem Friedhof müssen auch in der Zeit zwischen den Weltkriegen erfolgt sein. Wir wissen, dass noch im Jahr 1943 dort Grabsteine waren, obwohl sie bereits teilweise zerschlagen und umgeworfen worden waren, und der Zaun fast völlig zerstört war. Bis in die 1930er Jahre gab es noch eine andere Spur des jüdischen Erbes in Lüben - die Judengasse. Ihre Existenz muss wohl mit der Lage der jüdischen Häuser im Mittelalter in Verbindung gebracht werden. In den 1930er Jahren, nachdem die Nazis an der Macht waren, wurde die Judengasse in Schloßstrasse umbenannt. Die Straße existiert nicht mehr.

Im 19. Jahrhundert betrieben die Juden von Lüben vorrangig Handel mit Pferden, Leder, Wolle und anderen Produkten. Unter den Juden waren auch Handwerker in traditionellen Berufen (Schneider, Kürschner und Gerber), in modernen (Schnapsbrenner und Zigarrenmacher) und als Ärzte, Buchhändler, Anwälte und jene, die der jüdischen Gemeinde dienten (z. B. als Rabbiner oder ritueller Schächter).

Ein interessantes Beispiel ist die Geschichte der Familie des Kürschners Louis Philippsberg, die in Lüben in den 1860er Jahren und über mehrere Jahrzehnte angesiedelt, ein blühendes Geschäft entwickelte, das später von seiner Tochter übernommen, der ersten Frau, die in Deutschland den Titel Kürschnermeister erwarb. Die jüdische Gemeinde war nur bis zum Ende der 1890er Jahre in Lüben aktiv. Sie wurde im Jahr 1897 wegen des Weggangs der jüdischen Bevölkerung aus der Stadt aufgelöst. Ihr Rechtsnachfolger war die jüdische Gemeinde in Liegnitz, die sicherlich auch Eigentümer der Lübener Synagoge wurde. Wir wissen nicht, ob Gottesdienste dort in der Zeit zwischen den Weltkriegen stattfanden.

Im 20. Jahrhundert gehörten die Familien Philippsberg, Nitschke und Hirsch zur Geschäfts-Elite der Stadt. Emanuel Nitschke besaß ein Schreibwarengeschäft, Druckerei und Verlag in der Breiten Straße 12. Max Hirsch war der Besitzer einer Brennerei und Likörfirma auf dem Marktplatz (Ring 25). In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wurden die beiden Unternehmen als "nichtarisches Eigentum" von deutschen Eigentümern übernommen. Im Jahr 1932, kurz vor Hitlers Machtübernahme, lebten 19 Juden in Lüben. Sie waren Mitglieder der Jüdischen Gemeinde in Liegnitz. Bald wurden sie Opfer der Unterdrückung durch das Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze.

Die sogenannte Kristallnacht, das deutschlandweit organisierte Pogrom gegen die Juden markierte den Beginn des Holocaust in Deutschland. Die Lübener Juden waren ebenfalls betroffen. Am 9. November 1938 beschädigten und plünderten die örtlichen Nazis die Synagoge. Sie wurde dann verkauft und der neue Besitzer verwandelte sie in ein Wohnhaus. Das Haus hat nicht bis in unsere Zeit überdauert - das Gebäude wurde während der Kriegshandlungen oder kurz nach dem Krieg zerstört.

Nach einer Zählung der jüdischen Bevölkerung, im Jahre 1939 in Schlesien durchgeführt, lebten im Kreis Lüben 27 Juden - 18 Frauen und 9 Männer. Fünfzehn Juden lebten noch in der Stadt selbst. Unter ihnen waren Bianca Philippsberg und Meta-Joseph, zwei Frauen, die ihre Familienbetriebe bis 1938 geführt haben. Erstere war seit 1912 verantwortlich für Louis Philippsbergs Familienunternehmen. Es war ein Einzelhandelsgeschäft für den Verkauf von Kleidung, Pelzmänteln und Pelzwaren. Meta-Joseph war Textilhändlerin. Keine von ihnen hatte die Absicht, Lüben zu verlassen. Die Namen der beiden Frauen sind auf den Listen der Holocaust-Opfer.

Das letzte Mal, dass Lüben ein bedeutendes Zentrum jüdischer Bevölkerung war, war im zweiten Weltkrieg, als eine Gruppe von 100 polnischen Juden, Gefangene eines Zwangsarbeitslagers, in der lokalen Zuckerfabrik arbeiteten. Die letzte physische Spur der fast 130 Jahre langen jüdischen Präsenz in der Stadt war der Friedhof. Er wurde offiziell erst während des Bau des Przylesie-Siedlung am Ende der 1970er Jahre geschlossen. Damals gab es noch einige Grabsteine, die die Zeit überdauert hatten, sie wurden entfernt. Es ist nicht bekannt, was mit ihnen passiert ist. Noch im Jahr 2005 war der ehemalige jüdische Friedhof auf der Krucza-Straße in Lubin im Frühling ein mit Veilchen bewachsenes Quadrat. Aber sechs Jahre später wurde ein moderner Spielplatz für Kinder auf dem Gelände errichtet.

"Bits of the history of Jews in Silesia" in Lubin

JEWS IN LÜBEN Lubin (German: Lüben) never had a large German-Jewish population. It was not located on important transport routes nor had a tradition of Jewish settlement. Likewise, the Polish Jews who came to Lower Silesia in great numbers after World War II did not settle in Lubin. The history of Jews in the town is forgotten, the more so as no material trace of their presence has survived. The synagogue was probably destroyed during war operations and there is no trace left of the cemetery.
The first mention of Jews in Lüben comes from the Middle Ages. There are records surviving from the early 14th century about Jewish presence in Lubin, Ścinawa (Steinau an der Oder), Góra (Guhrau) and Wschowa (Fraustadt). But at that time, Jews definitely did not form a large group in the town.
Organized Jewish settlement began in Lüben only after the 1812 emancipation edict, but the town never became the seat of an independent Jewish Community. The family of Mendel Hirsch Berliner from Glogau (G?ogów) was the first to settle in the town. He came to Lüben in 1814. Another Jewish family - merchant Herz Brieger from Breslau (Wroc?aw) and his wife - settled here six years later. In the following decades the number of Jews was rising in the wake of successive waves of settlement to reach in 1871 the maximum of 111 in the town and 130 in the whole county. The Jews were coming mainly from the region of Wielkopolska (Greater Poland), but also from the towns of Glogau and Breslau and other places located nearby in Lower Silesia.
Jews from Wielkopolska made up the core of the Jewish population in the town and determined the shape of the local Jewish Community. There were big variations in the number of Jews in Lüben. At the end of the 19th century, more and more of them were leaving for larger urban centres in Silesia and for Germany's western provinces. A few emigrated to North America, Britain and Holland. The main task of Lüben's Jewish Community was to meet the religious needs of its members, which included organizing religious services and funerals and involved the need to have their own synagogue and cemetery. Initially, since around 1837, religious services were held in rented premises.
But as more and more Jewish families settled in the town and its vicinity, in the early 1860s the premises turned out to be too small, the more so as soldiers of Jewish descent from the local garrison also took part in the services. In the second half of the 1860s, the Jewish residents of Lüben decided to build their own synagogue. It was constructed in the years 1867-1868 in a prominent place - close to the Market Square (Ring) at Schulpromenade 12 (now Miko?aja Kopernika Street).
The investment project was carried out thanks to the generosity of the local Jews, support from the municipal authorities and a subsidy from the Haymann Foundation from Copenhagen. The synagogue was officially opened on September 14, 1868. The date when the Jewish cemetery in Lüben was established is not known - this probably took place in the 1830s or 1840s. Its opening should be connected with the orders of the Prussian authorities requiring Jews to set up cemeteries in larger Jewish population centres.
A small cemetery, covering 700 sq m, was opened outside the town on the road from Lüben to the village of Ossig (Osiek). Burials must have continued at the cemetery in the period between the world wars. We know that in 1943 there were still gravestones there, though they were already overturned and partly smashed, and the fence was almost totally destroyed. Until the 1930s, there was yet another trace of the Jewish heritage in Lüben - Judengasse (Jewish Alley). Its existence should probably be associated with the location of Jewish houses in the Middle Ages.
In the 1930s, after the Nazis came to power, Judengasse was renamed Schlosstrasse. The street no longer exists - it was situated between the present Mieszka I Street and 19-22 Market Square (Rynek). In the 19th century, the Jews of Lüben were mainly involved in trade in horses, leather, wool and other products. Among the Jews were also craftsmen, working in traditional occupations (tailors, furriers and tanners) and more modern ones (distillers and cigar maker), and professionals: physicians, booksellers, lawyers and those serving the Jewish community (shochets and cantors).
An interesting example is the history of the family of Louis Philippsberg, a furrier who settled in Lüben in the 1860s and over several decades developed a thriving business, which was later taken over by his daughter, the first woman in Germany with the title of master furrier. The Jewish Community was active in Lüben only until the end of the 1890s. It was dissolved in 1897 because of the outflow of the Jewish population from the town. Its legal successor was the Jewish community in Liegnitz (now Legnica), which certainly also became the owner of the Lüben synagogue. We do not know whether religious services were held there in the period between the world wars.
In the 20th century, the Philippsberg, Nitschke and Hirsch families belonged to the town's business elite. Emanuel Nitschke owned a stationery store, printing house and publishing house on 12 Breite Strasse (now Tysi?clecia Street). Max Hirsch was the owner of a distillery and liqueur plant in the Market Square (Ring 25). In the second half of the 1930s, the two firms, as "non-Aryan property," were taken over by German owners. In 1932, just before Adolf Hitler came to power, there were 19 Jews living in Lüben. They were members of the Jewish Community in Liegnitz. Soon, they fell victim to repression caused by the entry into force of the Nuremberg Laws.
The developments of the Kristallnacht (Night of Broken Glass) pogrom marked the beginning of the Holocaust in Germany. The Jews of Lüben were also affected - on November 9, 1938, the local Nazis damaged and plundered the synagogue. It was then sold and the new owner converted it into a residential building. However, the synagogue did not survive until our times - it was destroyed during war operations or soon after the war.
According to a census of the Jewish population in Silesia conducted in 1939, the Lüben county was inhabited by 27 Jews - 18 women and nine men. Fifteen Jews still lived in the town itself. Among them were Bianca Philippsberg and Meta Joseph, two women who had run their family businesses until 1938. The first woman, was in charge of the Louis Philippsberg family firm since 1912. It was a retail business selling clothing, fur coats and fur products. Meta Joseph was a textile retailer. None of them managed to leave Lüben in time. The names of the two women are on the lists of Holocaust victims.
The last time Lüben was a significantly large centre of Jewish population was during World War II when a group of 100 Polish Jews, prisoners of a forced labour camp, worked in a local sugar factory.
The last physical trace of the nearly 130-year-long Jewish presence in the town was the cemetery. It was officially closed down only at the end of the 1970s during the construction of the Przylesie housing estate. There were still some gravestones surviving at that time and these were removed. It is not known what happened to them. As late as in 2005, the former Jewish cemetery on Krucza Street in Lubin was a square overgrown with violets in spring. But six years later, a modern playground for children was built on the site.