Gurkeneinlegerei und Sauerkohlfabrik
Gymnasium und Direktorhaus














Gurkeneinlegerei und Sauerkohlfabrik Lüben

Ausschnitt aus einer Luftaufnahme mit Blick auf die "Gurkenfabrik" in der oberen Bahnhofstraße. Sogar das Firmenschild ist zu erkennen: Futtermittel, Getreide - W. Hoffmann - Gemüse, Kartoffeln. Die Gebrüder Hoffmann hatten das Grund-stück von Brauereibesitzer Joppich erworben. Es gab weitere Filialen an der Ecke Bahnhofstraße/Hann-von-Weyhern-Straße und in Altstadt. Zwei herrliche Kinderfotos zeigen, wie Ruth Kühn und ihre Freundinnen auf dem Hof der Filiale Bahnhof-/Weyhernstr. auf den riesigen Fässern reiten!

Arbeiter in der Gurkeneinlegerei und Sauerkohlfabrik Lüben

Arbeiter in der Gurkeneinlegerei und Sauerkohlfabrik Lüben (dritter von links mit Pfeife: Heinrich Wersich)

Arbeiterinnen in der Gurkeneinlegerei und Sauerkohlfabrik Lüben

Arbeiterinnen in der Gurkeneinlegerei und Sauerkohlfabrik Lüben

Erinnerungen an die Gurkeneinlegerei und Sauerkohlfabrik Lüben

Ich bin 1934 in dem Haus geboren, in dem die Firma Hoffmann aus Lüben eine Zweigstelle in Altstadt eingerichtet hatte. Auf dem Hof dieser Gurkeneinlegerei und den umliegenden Wiesen war für mich und meine Freunde eine herrliche Spielstätte. Es begann schon in der kalten Jahreszeit, wenn die eingelegten Salzgurken aus den großen Fässern in kleine sortiert wurden und wir den Frauen zusahen, die rot gefrorene Hände hatten.

Waren die großen Fässer leer, so wurden sie ausgescheuert, hinten auf die Wiese gerollt und übereinander gestapelt. Wie herrlich konnte man darauf herumklettern und hineinkriechen! Im Juni wurde Dill angefahren und in langen Reihen auf der Wiese zum Trocknen aufgestellt. Dann begann auch bald die Anfuhr der Gurken. Sie wurden maschinell gewaschen, angestochen, sortiert und liefen dann auf einem Förderband in Körbe.

Zwei Frauen trugen die Körbe und schütteten die Gurken in die Fässer. Meine Mutter bereitete ein 5%-ige Salzlake, die sie mit einem Schlauch auf die Gurken füllte. Abgedeckt wurde mit Dill. Meine Mutter überprüfte den ganzen Winter hindurch den Stand der Salzlake und kletterte auf den Fässern herum.

Nach der Gurkenernte kamen die Kürbisse zur Verarbeitung. Riesige Berge türmten sich auf dem Hof, obwohl 'riesig' relativ sein mag. Denn als ich zum ersten Mal nach der Flucht 1945, es war im Herbst 1991 vor dem Kirchberg in Lüben-Altstadt stand, kam ich ins Grübeln, ob dies wohl der steile Berg aus meiner Kindheitserinnerung war. Die Gurkeneinlegerei wurde nach der Flucht in Oschersleben an der Bode neu eingerichtet und viele Lübener siedelten sich hier an.

Marianne Buhlmann in Lübener Heimatblatt 2/2005

Anzeige im Lübener Heimatkalender 1942

Anzeige im Lübener Heimatkalender 1942

Traditionsgemäß wurde die Firma zwar "Gurkenfabrik" genannt. Auf diesen Angebotslisten von 1925 und 1926 erfahren wir jedoch, dass die Palette viel breiter war: Harzkäsefabrik, Südfrucht- und Gemüse-Großhandlung, Lübener Sauerkraut, Lübener Sauergurken, Essig-Gewürzgurken, Gurkenstücke zum Selbereinlegen. Filialen befanden sich in Liegnitz und (bis 1925) in Glogau! Nicht umgekehrt! Lüben war der Hauptbetrieb!

1923 bezeichnet sich die Firma als Gurkeneinlegerei und Sauerkohlfabrik mit Getreide-, Kartoffel- und Gemüseversand. Am 22. März 1923 wird Herrn Otto Fischer in Lommatzsch ein Angebot für Saatkartoffeln unterbreitet. Aufschlussreich sind die Lieferbedingungen, die dem Käufer alle Risiken aufladen. Selbst Krieg, Streiks und Aufruhr gehen zu seinen Lasten. Es ist die Zeit der Weltwirtschaftskrise und der Inflation in Deutschland. Bewundernswert, wer sein Unternehmen fortführte und durch die Krise brachte!


Ein Angebot der Firma für die Lieferung von Pflanzkartoffeln im Herbst 1943. Beachtenswert die pflichtgemäße Grußformel, zu der sich jedoch niemand namentlich bekennt! Gehörte das zu den stillen Formen des Widerstands?
Drückte es gar den Wunsch aus, der Diktator möge "geheilt werden"?! Denn der Krieg rückte 1943 unaufhaltsam
in Richtung Schlesien...

Angebot der Gurkeneinlegerei im Herbst 1943