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Nieder- und Mittel Gläsersdorf bildeten 1939 die Gemeinde Gläsersdorf, während Ober Gläsersdorf verwaltungsmäßig selbstständig war.
Gläsersdorf [1939] Gemeinde, Kreis Lüben, 15 km, Post Lüben-Land, mit Hummel, Karlsgnaden, Forsthaus Hummel [wird weiter unten Oberau zugeordnet], Sandhäuser, Krickicht, Johannhof und Radeck, 906 Einwohner, 220 Haushalte, Flurgröße 2268 ha, 5 Gemeinderäte, Bürgermeister Wilhelm Sturm, Fernsprecher Heinzenburg 13, Landratsamt, Finanzamt, Amtsgericht, Versicherungsamt, Landkrankenkasse, AOK Lüben / Arbeitsamt Liegnitz, Nebenstelle Lüben / Regierungsbezirk, Arbeitsgericht, Versorgungsamt Liegnitz / Standesamt, Schulgemeinde Gläsersdorf / Gendarmeriebezirk Ober Gläsersdorf / nächster Personenen-, Güterbahnhof Gläsersdorf 4 km / nächste Kraftposthaltestelle Nieder Gläsersdorf 2 km Vorhanden: Elektrisches Stromverteilungsnetz, 2 Volksschulen, 1 Rittergut, 1 Vorwerk
Karlsgnaden [1939]
Kolonie, Gemeinde Gläsersdorf, Kreis Lüben, Post Lüben-Land / 23 Einwohner, 6 Haushalte, nächster Personen-, Güterbahnhof Kleinbahn Niedergläsersdorf 4 km / nächste Kraftposthaltestelle 3 km
Krickicht [1939]
Kolonie, Gemeinde Gläsersdorf, Kreis Lüben, Post Lüben-Land / 14 Einwohner, 3 Haushalte, nächster Personen-, Güterbahnhof Ober-Gläsersdorf, Kleinbahn, 4 km / nächste Kraftposthaltestelle Ober-Gläsersdorf 4 km
Sandhäuser [1939]
Kolonie, Gemeinde Gläsersdorf, Kreis Lüben, Post Lüben-Land, 18 Einwohner, 3 Haushalte, nächster Personen-, Güterbahnhof Nieder Gläsersdorf (Kleinbahn) 2 km / nächste Kraftposthaltestelle Nieder Gläsersdorf 2 km
Radeck [1939]
Gut, Gemeinde Gläsersdorf, Kreis Lüben, Post Gläsersdorf, Lüben-Land, 54 Einwohner, 14 Haushalte, nächster Personen-, Güterbahnhof Nieder Gläsersdorf, Kleinbahn, 2 km / nächste Kraftposthaltestelle Gläsersdorf 2 km
Aus: Alphabetisches Verzeichnis der Stadt- und Landgemeinden im Gau Niederschlesien mit den dazugehörigen Ortsteilen, Kolonien, Siedlungen usw., Kurt-Gruber-Verlag Wirtschaft Recht, Dresden, 1939 |
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Nieder Gläsersdorf [1927]
Dorf Kreis Lüben Regierungsbezirk Liegnitz 627 Einwohner Gemeindevorsteher Jacob Postamt Amtsgericht Kreissparkasse Stadtsparkasse Gewerbegericht Kaufmannsgericht Finanzamt Gewerbeamt Zollamt Lüben Landgericht Reichsbankstelle Liegnitz Elektrizitätswerk Liegnitz (Kraft und Licht 220 Volt Wechselstrom und Drehstrom) evangelische Volksschule Fortbildungsschule ländlich
Dörfer, Emil, Friseur
von Eckenbrecher, landwirtschaftliche Brennerei
Feige, Paul, Tischlermeister
Glathe, Paul, Zimmermeister
Gutsche, Arthur, Gastwirt (siehe auch Geschäftsanzeige von 1928)
Hanke, Gustav, Bäckerei
Hanuschke, Julius, Tischlerei
Hoppe, Oskar, Kolonialwarenhandlung
Jacob, Emil, Gastwirt
Jänisch, Emil, Schuhmacherei
Kühn, Hermann, Müllerei
Kuhnert, Fritz, Bäckerei
Martik, Gustav, Schuhmacherei
Müller, Ernst, Schmiede
Müller, Karl, Sattlerei
Puchelt, Bruno, Fleischerei
Purschke, Karl, Friseur
Schlafge, Gustav, Korbmacherei
Schrödter, Alfred, Gastwirt
Töpfer, Adolf, Stellmacherei
Wächter, Karl, Fleischerei
Walter, Wilhelm, Kolonialwarenhandlung
Wehner, Albert, Viehhändler,
Weiß, Richard, Schneiderei
Zobel, Fritz, Schmiedemeister
aus: Amtliches Landes-Adressbuch der Provinz Niederschlesien für Industrie, Handel, Gewerbe, Verlag August Scherl, Breslau, 1927
Nieder Gläsersdorf [1913]
Dorf (mit Mittel Gläsersdorf Kolonie) + Rittergut (mit Mittelhof): Kreis Amtsgericht Lüben 13 km; Post Amtsbezirk Gläsersdorf (Bezirk Liegnitz) 2 km; Eisenbahnstation Kotzenau 9 km, Polkwitz 12 km; Standesamtsbezirk Nieder und Mittel Gläsersdorf; evangelisches Kirchspiel Hummel; katholisches Kirchspiel Ober Gläsersdorf; 486 + 98 Einwohner
Krickicht [1913]
Kolonie [Nieder Gläsersdorf]: Kreis Lüben 13 km; Post Neuguth-Heinzenburg 2,5 km; Eisenbahnstation Polkwitz 7 km; [11 Einwohner]
Radeck [1913]
Vorwerk [Hummel]: Kreis Lüben 16 km; Post Gläsersdorf (Bezirk Liegnitz) 3 km; Eisenbahnstation Kotzenau 9 km; [23 Einwohner]
Sandhäuser [1913]
[Nieder Gläsersdorf]: Kreis Lüben [18 Einwohner]
aus: Alphabetisches Verzeichnis sämtlicher Ortschaften der Provinz Schlesien, Verlag Wilhelm Gottlieb Korn, Breslau 1913
Gläsersdorf in einem Nachschlagewerk von 1845
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Gaststätte Arthur Gutsche, Siedlung, Straßenpartie, Badeanstalt
Erstaunlich, dass dieses kleine Dorf eine Badeanstalt hatte. Aber Wolfgang Abramowski (1926-2013) erinnerte sich daran! "Ich habe dort - wenn auch vergeblich - Schwimmunterricht gehabt. M. E. ist sie erst zwischen 1933 und 1937 entstanden, war recht primitiv. Aber immerhin... Wolfgang Abramowski, 2009"
1938: Jacob's Gerichtskretscham, Walter's Warenhandlung, Sagner's Bäckerei und Warenhandlung, Badeanstalt
Straßenpartie, Grenzkirche zu Hummel, Volksschule 1934, davor die Lehrerkinder Gundula Reimann, Renate Hlubek, Rosemarie Reimann.
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Warenhaus Hoppe, Fleischerei Arthur Wächter, Familienhaus, Schule |
Niedergläsersdorf 1917: Arthur Wächters Fleischerei |
Meine Heimat Gläsersdorf von Franz Jitschin
Die niederschlesische Landschaft, in der Schornsteine nicht nebeneinanderstehen, führt uns durch herrliche Wälder, üppige Wiesen, leuchtende, blühende Heideflächen, bestbestellte Felder und kilometerlange Dörfer - und da waren wir zu Hause.
Von der schmucken Kreisstadt Lüben aus ging der Weg durch die ertragreichen Felder von Altstadt und Ober-, Mittel- und Nieder-Oberau; und hatte man die Absicht, nach Kotzenau oder Primkenau zu wandern, dann verharrte man, wenn die waldigen Oberauer Berge erreicht waren, und sah - gen Westen blickend - die herrliche Landschaft.
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Ober-, Mittel- und Nieder-Gläsersdorf, beginnend mit Böckey und endend mit Hummel-Radeck, tauchten auf und in weiter Ferne suchte das Auge, hinweg über Neuvorwerk, Heinzendorf und Heinzenburg (Neuguth) mit den Kirchtürmen und der Burg bis nach Herbersdorf. Von dem Oberauer Berg aus konnte man sogar die Schornsteine von Kotzenau sehen. Wir aber bleiben heute in unserem Heimatdorf Gläsersdorf, denn was es da an Schönem gibt, wird so mancher damals nicht recht erfaßt haben, aber heute ist uns die Heimat bis zum einst nichtbeachteten kleinsten Strauch noch wertvoller geworden. |
Bäckerei Gustav Hanke, Gasthaus Arthur Gutsche, Warenhandlung Oskar Hoppe, Evangelische Schule
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Das hohe Holzkreuz am Dorfeingang grüßt uns, und es scheint, als ob es heute sagen will: "An Gottes Segen ist alles gelegen!" Und nun - nicht weit davon zur linken Hand, grüßt uns mit dem grünen Jägerhut und der üblichen langen Pfeife, vor seinem Ruhesitz stehend, der 84jährige Oberförster Wegener (1859-1953), "Grünober" oder "Onkel Paul" genannt. Ihm vertrauen wir uns zur Führung an, denn er ist es ja, der über alles Bescheid weiß, da er den Aufbau des Ortes einst selbst miterlebte. Im Gutsgasthaus mit Garten und Saal, bei seinem Nachbarn Waletzko, rät er erst zu einem Glase Bier und dabei macht er uns mit einigem vertraut. Alle Gebäude im Zentrum des Ortes sind Gutseigentum: die Tischlerei, das Wohnhaus des Grünen, das Gasthaus, die Schmiede, Bäckerei, Stellmacherei, zwei schöne Zweifamilienwohnhäuser (1910/12 erbaut), die Post und das Gärtnereiwohnhaus.
Am Gärtnereiwohnhaus betreten wir den Park und zur linken Hand wird das wunderbare Schloß, der Herrensitz des Grafen Nicolaus von Ballestrem, sichtbar. Der ganze Besitz mit 750 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und etwa 1100 ha Wald wurde vom Vater des vorgenannten Besitzers, dem Grafen Valentin, im Jahre 1899 erworben und laufend durch Um- und Neubauten verbessert. Die beiden großen Seitenflügel des Schlosses wurden 1901 neu gebaut und der alte Mittelbau vollständig renoviert, so daß zwischen Alt- und Neubau kein Unterschied zu sehen war. Rechter Hand, am Gartenhaus, sehen wir das wunderschöne Teehaus, das 1909 beim Bau sein Kupferdach erhielt, aber im 1. Weltkriege dieses in ein anderes eintauschen mußte. Hier rechts und links die herrliche Marmorbank mit den Figuren der vier Jahreszeiten, eine wunderbare Arbeit.
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Vor dem Teehaus erfreut der wunderbare Rosenplatz und hinter diesem der Tennisplatz. Diese Anlage wurde 1909 geschaffen und so manche Aufnahme zeugt von jener glücklichen Zeit.
Dicht daneben kommen wir zu den Gärtnereianlagen, meist 1930 neu erbaut - und schon ist der Gärtner Hüttmann zur Stelle. Ohne seine Tätigkeit konnte man sich den gut gepflegten Park und die Anlagen gar nicht vorstellen. Da ist das Weinhaus mit den großen, blauen Trauben, das Pfirsichhaus, das Gurkenhaus mit armlangen Früchten und im nächsten Gebäude findet man schon zu Ostern große, rote Erdbeeren, im Palmenhaus das ist, was der Name besagt, und die schönsten Blumen, ohne die man sich eben eine solche Gärtnerei nicht vorstellen kann, wie man sie aber in den seltensten Fällen auf dem Lande findet.
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Evangelische Kirche, Gasthaus Arthur Gutsche, Inspektorwohnung, Fleischerei Arthur Gutsche
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In dem 8 ha großen Park mit Silberpappeln, die etwa vier Mann umfassen können, den gepflegten Wegen, Plätzen und Hecken taucht der Schloßteich auf, mit herrlichen Wasserrosen und der Enteninsel. Im Winter tummelte sich hier auf dem Eis des Teiches die Jugend.
1898 und 1899 waren auf dem Wirtschaftshof die Brennerei, der Speicher, eine Scheune und der Ochsenstall abgebrannt und später wieder aufgebaut worden. 1904 wurden ein 35 m langer Wagenschuppen, 1905 der Kuhstall und im Jahre 1911 sogar eine große Reitbahn errichtet. Die Stärkefabrik wurde in den Jahren 1913/14 zu Wohnungen ausgebaut. Ein schöner Blick bietet sich durch den Torbogen nach der Schäferei, die 1917 gleichfalls zu Wohnungen für die Belegschaft umgebaut wurde; diese mündet in die sogenannte Kastanienallee.
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Nun stehen wir vor der katholischen Kirche, die 1910 vollständig renoviert wurde und durch den Bischof erneut die Weihe erhielt. Die Kirche ist zweischiffig und besitzt außer dem herrlichen Hochaltar mit den vielen alten Sandsteindenkmälern an den Seiten des Presbyteriums noch drei Seitenaltäre, die dem Ganzen das volle, würdige Gepräge einer schönen Kirche geben. Der Blumenschmuck aus dem Palmenhaus der Gärtnerei war nicht mehr wegzudenken. Und hier arbeiteten Schwesternhaus und Gärtnerei Hand in Hand. Ein Stück über die Straße steht die im Jahre 1906 von dem Besitzer neu erbaute Schwesternstation. Ein geräumiger Bau, unter der Leitung der Grauen Schwestern, die außerdem den gut eingerichteten Kindergarten für Gut und Gemeinde pflegten und all die Kleinen betreuten. Die Schwestern brachten aber auch den Kranken ihre Hilfe. Diese segensreiche Einrichtung erstand zu einer Zeit, da man diese Hilfsmaßnahmen auf dem Lande noch nicht kannte.
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Gasthaus Lange, Inspektorwohnung, Gutshof, Dorfstraße
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Die katholische Schule wurde 1916, die evangelische Schule 1936 neu gebaut. Die Kleinbahn Lüben-Kotzenau, die auch Obergläsersdorf berührte, wurde 1917 in Betrieb genommen. Weitere gute Verkehrsmöglichkeiten wurden 1915/19 geschaffen durch den Bau der Chaussee Obergläsersdorf-Böckey und 1935/36 durch die Verlängerung von Böckey nach Lübenwalde. Die landwirtschaftliche Verwaltung baute mit eigenen Kräften ca. 8 km Feldwege chausseemäßig aus.
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Noch immer begleitet uns der "Grünober" auf unserer Wanderung, und er führt uns jetzt durch den Pflanzgarten; er erklärt weiter seinen Wald und spricht von der Jagd, zeigt in der Hasenkammer, im Gaumerschlag, im Tumteich, wie ganze Rudel Rehe, bis zu 70 Stück, friedlich äsen oder mit ihren Jungen aus einer Waldschneise vorsichtig äugen, oder wie er am Fiebigsteich an den Abenden den Schnepfenstrich verfolgt, oder wie im herrlichen Adlergrund und auf dem Mühlberge die Fasanen ihr Futter suchen.
Er zeigt uns die großen Kartoffelfelder, die im Juni in voller Pracht blühen und in denen die Rebhühner im Herbst dem Flintenlauf zu entwischen suchen, oder er weist auf die Getreidefelder, da wo die Wildkaninchen, schnell wie der Wind, dem Getreide- und Waldverbiß huldigen, er zeigt aber auch nasse Pfützen, wo erst kurz zuvor ein "Hoch-Geweihter" sich in seiner Suhle wohlgefühlt hat. Nicht müde wird der "Grünober" zu berichten, daß 1922/23 wegen Raupenfraßes über 700 Morgen Wald abgeholzt werden mußten, und er es war, der mit Hilfe von bayerischen Waldarbeitern den Kahlschlag, sowie die Wiederaufforstung schnell durchführte. Alle Kunst bestand darin, zu hegen und zu pflegen, hier herrschte kein Raubbau, vielmehr der Gedanke, der nächsten Generation einen gut bestellten Besitz zu erhalten.
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1907:
Schlösser Obergläsersdorf und Niedergläsersdorf-Hummel-Radeck, Pollaks Gasthaus, Kirche
1920: Schoss Gläsersdorf, katholische Kirche, Schwesternhaus, Warenhaus Letzner
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So sehen wir unser Obergläsersdorf im Jahre 1944, von Böckey bis Hummel-Radeck, ein langgestrecktes Dorf von 7 km Länge, jeder Bauer und Mitbürger hatte sein Recht. Um die Gehöfte war ein Garten, hinter dem sich der Acker anschloß. Und wenn auch hier kein erstklassiger Rüben- und Weizenboden zu finden war, sondern meist ein leichterer, so hat es sich gezeigt, daß durch unermüdlichen Fleiß im Laufe der Jahre auch hier Zuckerrüben, Weizen, Flachs und Rotklee mit Erfolg angebaut werden konnten, obwohl an vielen Plätzen im Walde noch das Heidekraut einen überaus schönen Anblick bot und den Bienen billiges Futter lieferte. Auch in unserem Dorf fehlte das Storchennest nicht. Wenn es im August wieder über das große Wasser gehen sollte, so war auf der Rapsteichwiese zu Hunderten die große Beratung.
So wie sich nun hier seit 1900 bis zum Verlassen unserer Heimat das Dorfbild wesentlich verändert hatte, so zeigten sich diese Verbesserungen auch in den Verkehrsverhältnissen. Erweiterungen entstanden 1913 durch den Zukauf von Mittel- und Nieder-Oberau mit den ertragreichen Feldern und den angrenzenden Wäldern, mit der idyllisch gelegenen Exner- und Schubertmühle.
In dieser schönen Heimat schließlich den letzten Ruheplatz zu finden, das ist unser aller Wunsch, die wir unfreiwillig von diesem herrlichen Fleckchen Erde auszogen. Unser "Grünober" aber, der uns kurz den Werdegang von 40 Jahren schilderte und der sich 94jährig im Mai 1953 in Linz (Rhein) zur letzten Ruhe legte, er hätte weiß Gott alles dafür gegeben, wenn er im "Adlergrund" seinen letzten Platz gefunden hätte und die Singvögel aus den von ihm angebrachten Nistkästen ihm jeden Tag das ewige Heimatlied singen würden.
Franz Jitschin, 1956 im Lübener Heimatblatt |
Zwischen Heide und Bruch - Die beiden Gläsersdorfer Schlösser
Hoch oben am Himmel ziehen die Wolken in eiliger Flucht, getrieben vom Nordwind, der über das Kiefernmeer fegt. Vom Waldrand der erheblich höher als die westliche benachbarte Bruchlandschaft gelegenen Heide blicken wir hinab auf Gläsersdorf, das sich in sanftestem Gefälle aus der Heide ins Bruch hinabzieht. Wie schon der Name sagt, ein Dorf, in dem einstmals Glas gemacht wurde. Ein altes deutsches Reihendorf, das am unteren Auslauf in das zugehörige Hummel übergeht, ein Haufendorf, sehr aufgelockert und verstreut, schon ganz in einer der östlichen Ausbuchtungen des Sprottebruches. Damit gleitet Gläsersdorf also aus der Kiefernlandschaft einstiger Eiszeitdünenschüttungen in das Gebiet des mächtigen eiszeitlichen Stausees hinab, der hier im Breslau-Magdeburger Urstromtal wogte. Wandert man im Frühling oder Sommer von Obergläsersdorf nach Hummel hinab, so kommt man aus einer Region des würzigen Harzgeruchs in eine völlig andere, deren Luft nach jedem großen Grasschnitt erfüllt ist vom nicht minder markanten Geruch des frischen Heues, das in der Sonne bäckt. Erinnert Hummel mit seiner alten malerischen "Grenzkirche" an die Zeit der Gegenreformation, die den unseligen konfessionellen Riß in furchtbarer Weise vertiefte, so sind es in Gläsersdorf zwei Schlösser, die die Geschichte des Dorfes bestimmen.
Das Schloß Ober-Gläsersdorf hat überragend kulturhistorische Bedeutung. Es ist ein barockes Juwel in der Heide des Lübener Kreises, ein Gedicht in Stein. Der Baumeister des 1711 erbauten Schlosses war der in Gmünd in Kärnten geborene Johann Blasius Peintner, Hofarchitekt des Breslauer Fürstbischofs Franz Ludwig. Die Gartenseite und das Hauptportal des Schlosses, das einem der Zweige der gräflich Ballestremschen Familie gehörte und in dem der 1795 geborene Reiterführer General Bernhard Ernst Graf Clairon d'Haussonville aufgewachsen ist, sind von großer Schönheit.
Das Schloß Nieder-Gläsersdorf, schon ganz im Bereich des oberen Sprottebruches gelegen, wartet mit großen geschichtlichen Erinnerungen auf. Allerdings nicht der Schloßbau von heute, denn das alte Schloß ist in der Nacht zum 29. Dezember 1894 völlig abgebrannt. Es war einstmals ein festes Wasserschloß, das in trüber deutscher Zeit eine Raubritterburg wurde. Von Sagen umrankt, die noch heute in den Dörfern dieser Gegend weiterleben. Es gab da eine "weiße Frau", die nächtlicherweise im malerisch verwilderten Schloßpark spukte. Es gab ein Gespensterzimmer mit einem geheimnisvollen Blutfleck, das war der Raum des Schlosses, der in dem nächtlichen Brande von 1894 zuletzt zusammenstürzte, nachdem man noch bis ganz zuletzt den schrecklichen Blutfleck gesehen haben will. Und dann die Sage von dem unterirdischen Gang, der von diesem Schloß bis zur Heinzenburg geführt haben soll und aus dem einst ein neugieriger Schornsteinfeger, der ihn erforschen wollte, nicht mehr herauskam. Die Existenz eines so langen Ganges ist ebenso unwahrscheinlich wie jene Sage, daß ein unterirdischer Gang die Heinzenburg mit Polkwitz verbunden haben soll.
Nicht weit von Gläsersdorf läuft die große historische Landstraße Berlin-Breslau, auf der Friedrich der Große so manches Mal über Krassen, Grünberg, Polkwitz und Lüben nach Schlesien gefahren ist. Zum ersten Mal, als er im Dezember 1740 mit seinem Heer in Schlesien einrückte und damit der 1. Schlesische Krieg begann. Der König betrat den schlesischen Boden zuerst am 16. Dezember in Deutsch-Kessel (Kreis Grünberg) und übernachtete am 26. Dezember im Gräflich Nostitz'schen Schloß in Nieder-Gläsersdorf.
Und damit sind wir auch schon bei einer anderen historischen Erinnerung an eine der markantesten Persönlichkeiten der friderizianischen Kriege, an den kursächsischen Generalmajor Georg Ludwig Reichsgraf von Nostitz. Seine Familienverhältnisse brachten es mit sich, daß er, der aus altem schlesischen Adel stammte, auf österreichischer Seite gegen Friedrich II. kämpfte. Daß Friedrich die Niederlage bei Kolin (Böhmen) erlitt, daran hatte Nostitz entscheidenden Anteil. In der Schlacht bei Leuthen wurde er schwer verwundet. Man sagt, daß er den Tod gesucht habe, weil man ihm wegen der großen Verluste, die sein draufgängerisches Vorgehen zur Folge hatte, heftige Vorwürfe gemacht hatte. Mit 14 Wunden blieb er bis zum Abend auf der gefrorenen Erde liegen, dann brachte man ihn nach Neumarkt ins Hospital, wo er am 7. Januar seinen Verwundungen erlag. Am 1. Februar wurde er in der Kirche in Hummel im Erbbegräbnis der Familie bestattet. |
Nieder Gläsersdorf 1905:
Schloss Hummel Radeck, Jakobīs Gasthaus, Spatzkeīs Warenhandlung und Glockenturm
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Seine Kinder kehrten später in die alte schlesische Heimat zurück. Sein Enkel, Reichsgraf Ludwig August Ferdinand von Nostitz auf Schloß Zobten bei Löwenberg, war Blüchers persönlicher Adjutant und rettete diesem in der Schlacht bei Ligny unter eigener Lebensgefahr das Leben. Er wurde Generaladjutant Friedrich Wilhelms III., 1843 Chef der Blücher-Husaren und starb 1866 als zweiter Kommandant von Berlin. Dessen Sohn war Graf Wilhelm von Nostitz auf Zobten, der 1870 als Rittmeister Adjutant im Großen Hauptquartier war und in der Nacht zum 2. September im Schloß zu Dochery den Verhandlungen zwischen Moltke und Wimpfen beiwohnte, die zur Kapitulation von Sedan führten. Das bekannte Bild Anton von Werners zeigt die Hünengestalt des Gardedragoner-Rittmeisters im hellblauen Dragonerrock mit der Adjutantenschärpe.
Aus einer Zeitung von 1944, veröffentlicht in LHB 3/1991, eingesandt von Hildegard Paech
1908: Schloss Hummel Radeck, Jakobīs Gasthaus, Schloss Ober-Gläsersdorf, Jahns Warenhandlung und Posthülfsstelle
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Rittergut Niedergläsersdorf
Ergänzungen zu obigem Artikel von Ursula Stettin geb. Eckenbrecher:
Das "Schloß" war das alte Inspektorhaus. Inspektor Mutke wohnte bis 1916 darin. Danach unsere Mutter Frau von Eckenbrecher mit uns Kindern. Das alte Barockschloß brannte 1989 ab. Besitzer nach der Familie von Nostitz auf dem Rittergut Niedergläsersdorf waren auch meine Urgroßeltern Wilhelm Collin und seine Ehefrau Marie geb. Gladowska. Sie hatten drei Kinder, Luise, Gertrud und Hans. Am 26. 12. 1884 heiratete mein Großvater Arthur von Walther-Croneck, Majoratsherr auf Kapatschütz (Kr. Trebnitz), Gertrud Collin. Da Gläsersdorf arg verschuldet war, kaufte mein Großvater das Gut seinen Schwiegereltern ab. Es wurde als Nebengut von dem Inspektor Herrn Mutke bewirtschaftet.
Am 5. Mai 1916 starb mein Großvater, und seine Tochter, meine Mutter Marie-Luise von Eckenbrecher, erbte das Gut. Sie bewirtschaftete es mit Inspektor Seidel, den sie 1927 heiratete. Durch die Inflation verlor Mutter ihr Vermögen. Dazu kamen die schweren Jahre nach dem 1. Weltkrieg, die besonders hart für die Landwirtschaft waren. So wurde Mutter gezwungen, das Gut Gläsersdorf zu verkaufen. Es wurde 1930 aufgesiedelt.
In Gläsersdorf verlebte ich mit meinen Brüdern Hellmuth, Hasso und Konrad, mit den Hofe- und Dorfkindern glückliche Kinderjahre. Meine Brüder leben nicht mehr. Konrad ist seit 1944 vermißt, Hasso seit 1945... Hellmuth starb 1984 in Buenos Aires, wo er mit seiner Familie wohnte.
Ursula Stettin (1914-2005), die Eckenbrecher-Ulla, in LHB 6/1991 |
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