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Zeichnung der Ruinen des herzoglichen Schlosses und der Schlosskapelle.
Das alte SchlossGut zu sehen die Brücke über den Wallgraben, der das Schloss von der Stadt trennte. Piastenschloss und alte katholische Kirche um 1900. Dank an Tomasz Mastalski! Theo Dames In meinen Jugendjahren sah das alles anders aus. Diese Zeichnung hier ist sechzig Jahre zuvor entstanden, etwa 1850. Die Kastanien an der Promenade, die unser Bild rechts begrenzt, waren hoch aufgewachsen und beschatteten das ganze Gelände, das den Charakter eines heimelig-dämmerigen Bereiches hatte, in dem Vögel und Märchenstimmung beheimatet waren. Von dem großen Gebäude dieses Bezirkes des ehemaligen Piastenschlosses (in dem damals der bekannte Dr. Jarmer wohnte) war nur wenig zu sehen, - so sehr war es in das Geheimnis dieses verwachsenen, stillen Winkels einbezogen, und wo hier auf unserem Bilde die gepflegten Gartenanlagen zu sehen sind, war geradezu ein Wäldchen von Erlen und Pappeln entstanden. Das Helldunkel dieses Dickichts bedeckte auch den Vordergrund links, - nur an dem Eckgrundstück zwischen Kastanienpromenade und Liegnitzer Straße waren Nutzgärten angelegt. Dieser ganze Gartenstreifen und sein kühler Grund, der auf unserer Zeichnung noch nicht vorhanden ist, war ein vergessener Ort, - zu romantischen Gefühlen und Gedanken anregend; so still war es hier. Und so geschichtsträchtig! Kaum jemand in Lüben wußte ja so recht Bescheid über die Herkunft dieser Gebäude, - aber ließ nicht das mächtige Gemäuer des hinteren Baues, der einst Wirtschafts- und Stallhaus war, burgartige Erinnerungen im Geist erstehen. Und hier haben wir es ja in der Tat mit dem ältesten Stück des Städtchens Lüben zu tun (das älteste, das "dörfliche" Lüben ist Altstadt!). Das "Jarmerhaus" mit seinem linken (westlichen) Anbau stand so, wie es unser Bild zeigt. Auch der schon erwähnte Stallbau war in der hier dargestellten Art vorhanden; das einzige, große Fenster auf der Giebelseite war ein riesiges Loch, ohne Fensterkreuz. Seine meterstarken Mauern ließen ehrwürdiges Alter erwarten. Es war auch nicht mehr so fehlerlos sauber und so neu wie um 1850. Das aber verlieh gerade dem Ganzen den Eindruck uralter Herkunft. Soviel zu diesem Hauptbau! Aber dieses Bild zeigt auch sonst noch Sehenswertes: da ist zunächst die gotische Schloßkapelle zu sehen, die später als katholische Kirche diente, bevor im Anfang des 20. Jahrhunderts die neue gebaut wurde. Sie zeigt sich hier in guter Form: das neugotische Portal im Westen, das wir noch kennen, war noch nicht da. Und das seitlich angefügte Glockentürmchen ist auch noch nicht vorhanden. An seiner Stelle ist ein kleiner sechseckiger Dachreiter mit hoher Spitze zu sehen. In der Darstellung dieses Türmchens zeigt sich übrigens die beschränkte zeichnerische Fähigkeit des Herstellers unseres Bildchens, - perspektivische Objekte machten ihm in der Wiedergabe Schwierigkeiten wie auch andere Motive. Am Rande des hochliegenden Schloßgeländes steht - ein Stück von der Kapellensüdwand - ein kleines, nüchternes Haus, mit einem nach Süden geneigten Pultdache; es war an die Kapelle nicht angebaut und war keine Zierde des sonst künstlerisch stilreinen Bezirkes. (Nach dem Stadtplan aus der Zeit von 1715 bis 1740 lag dieses Häuschen sogar außerhalb des Schloßbereichs.) Über das Kapellendach aber schaute, senkrecht zum First der Kapelle, ein zu meiner Zeit nicht mehr vorhandenes Gebäude herüber, das mit dem parallel zur Kapelle gelegenen Gebäude verbunden und wohl das Torhaus des Schlosses war. Diese dort sichtbaren Walmdächer sind wohl die Reste des im 18. Jahrhundert noch vorhandenen Komplexes, der vom Tor über den Hedwigsturm zu den im Norden den Hof begrenzenden Häusern reichte. Der Turm, den F. B. Werner auch darstellte (mit quadratischem Grundriß und waagerechtem Abschluß oben), ist vielleicht nur noch in den unteren Teilen erhalten gewesen. Zu erkennen ist weiterhin ein Zaun, der den Schloßhof gegen den umliegenden Garten abgrenzte. Ein Rundbogentor führt dort über eine Treppe in das tiefer liegende Gebiet hinunter. Und Bäume stehen im Innern des Hofes, - es muß ein recht malerisches Bild gewesen sein, dieser geschlossene Baubereich, der doch um 1900 nur noch zwei Gebäude sich bewahrt hatte und uns immer noch stimmungsvoll schien. Diese zwei waren: Schloß und Kapelle. Bemerkenswert ist, wie oben angedeutet, daß das gesamte Gelände des Schlosses auf einem kleinen Landrücken in das feuchte Umland hineinragte und - wie auf der linken Bildseite zuerkennen ist - vom städtischen Boden durch einen anscheinend tiefen Graben getrennt war. Die hier über den Graben, der eben der "Schloßgraben" war, rundbogig führende Brücke war die Nachfolgerin einer Zugbrücke, und über sie ging es durch den Torbogen zwischen der Kapelle und dem (auf unserem Bilde) verdeckten Gebäude hindurch. Diese massive Brücke war nach Süden durch einen Pfeiler abgestützt, - und hier stand, wohl jenseits der Brücke, eine winzige Kapelle oder ein Wächterhaus, - außerhalb des Schloßbereichs, noch im Städtischen. Was ich hier soeben beschrieb, ist der Zustand vor hundert Jahren. Er ist keinesfalls ursprünglich so gewesen. Das katholische Pfarrhaus ist noch nicht vorhanden. Links läuft an seiner Stelle ein niedriges, langgestrecktes Haus dahin. Und wer sich daran erinnert, daß dieser Graben zu unserer Zeit zugeschüttet war, daß somit die kleine Brücke beseitigt, war - und daß der im Norden der ehemaligen Brücke gelegene, nicht immer saubere Tümpel der Rest des alten Schloßgrabens war -, der kann ermessen, was hier an guter Baulichkeit und landschaftlichem Reiz verlorengegangen ist! Rechts im Hintergrund sind die Giebelhäuser des Bleicherdammes zu sehen. und links im Vordergrund ist ein Schild aufgestellt, auf dem sicherlich vermerkt ist, daß die Anlagen "dem Schutze des Publikums empfohlen" sind. Wie wir das so kennen! Vielleicht waren diese Beete und Wege hier überhaupt die damaligen städtischen Anlagen, denn den Schillerpark gab es ja noch nicht. Und lustig ist die Ausstattung dieses Bildes mit Lübener Bürgern! Sie gehen spazieren, vier Damen mit Krinolinen und Schutenhüten - und dazu Schürzen! Die beiden Kinder laufen brav voraus, ein Knabe und ein Mädchen. Er trägt einen Helm, eine "Pickelhaube", auf dem Kopf; sie hütet eine Puppe im Arm. Im Hintergrund führt ein Herr seinen Hund aus und hat dazu seinen Zylinderhut aufgesetzt. Das machen wir heute nicht mehr. Zwei weitere Bürger kommen auf der Kastanien-Promenade daher; sie konnten noch nicht im Schatten dort gehen wie wir später. Aber vielleicht war es gerade kein heißer Tag, an dem unser Zeichner sie beobachtete! Nun aber kommt noch etwas Besonderes in dieses behagliche Biedermeieridyll: ein Reiter sprengt des Weges daher; schräg über die Straße! Ist das etwa ein Polizist, der hier zum Rechten sieht? Er reitet wohl gar auf die Damen zu! Aber es ist nicht so, o nein! Lübener Polizei war nie beritten. Es muß also ein Soldat sein. Ein Dragoner. Auch er trägt eine Pickelhaube. Zum Spazierenreiten? Na ja! Und er hat lange Hosen an, muß also ein Offizier sein. Den Säbel (im Volkston sagte man "die Plempe") hat er kurz genommen. Und zu seinem kleinen Galopp zieht er die Kandare an, - das wissen wir noch aus jener Zeit, da wir an der "Kleinen Kaserne" vorbei zur Schule gingen und abends im Dämmern blasen hörten: "Soldaten, ihr sollt schlafen gehn und nicht mehr vor der Türe stehn. - Gut Nacht - gut Nacht - gut Nacht." Den Schulterstücken nach muß der Reiter ein Major sein. Und trotz Säbel und zwei Pickelhauben ist das ganze Bild ein Stück harmlosen Biedermeiers, - damals, als noch Ruhe eines Bürgers Pflicht (ja: Tugend) war. Ja, ja, das waren noch Zeiten, - einst im stillen, kleinen Lüben! Es muß noch hinzugefügt werden, daß Lüben von diesem "Piasten"-Schloß wenig Kenntnis nahm. Dazu lag es zu sehr versteckt - da draußen im Grünen. Bis noch in der Zeit der Inflation, als all unser Geld verfiel und wir alle arm wurden, es ein Kaufmann erwarb, der das dichte grüne Gehölz mit allem Baumreichtum abholzen ließ, - man behauptete: um vom Ertrag des verkauften Holzes das ganze Gelände mit den Gebäuden zu bezahlen. Wer weiß aber, ob das stimmte? Aber Lüben erwachte damals aus einem Biedermeiertraum, und es war betrübt über dieses Geschehen. Noch mehr aber war es das, als in diesen alten, doch immerhin ehrwürdigen Räumen - beinahe hätte ich "Hallen" gesagt oder geschrieben, - als in ihnen eine Fabrikation von Leichenwäsche (in Papier) aufgenommen wurde. Nun war es mit dem "Schloß" aus! Und nun erkannte man den historischen Wert und Sinn dieses Ortes! Und heute, da alles Ruine ist und nur noch die Kapelle erhalten geblieben ist? Ja, erst heute wissen wir so recht, was wir - außer der ganzen lieben Stadt - auch dort zwischen Schloßgraben und Kastanien-Promenade verloren haben. Theo Dames, LHB 4/1967 P.S. In den letzten Jahren waren hier der Kindergarten und ein HJ-Heim untergebracht worden. Siehe dazu den Beitrag von Rudolf Kleindienst. |