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1909 übernahm Richard Kassner mit 27 Jahren die von seinem Vater 1869 gegründete Bäckerei. Was Richard Kassner und durch ihn Lüben bekannt gemacht hat, waren seine originellen Ideen der Vermarktung seiner Produkte. Er sandte seine Kuchen an die Prominenten seiner Zeit, Politiker, Künstler, Schriftsteller und veröffentlichte dann deren Dankschreiben. Bäckermeister Richard Kassners Warenzeichen war Rübezahl, der dem Betrachter einen Mohnstollen entgegenträgt.
Darunter prangte ein Kuchenstern mit dem von einer Brezelkette umschlungenen Globus.
Die Lübener Dichterin Zoe Droysen schrieb nach Richard Kassners Tod am 17. Januar 1960: "Wir pflegten stets Pfingsten in unserem alten Lübener Haus und Garten in der Liegnitzer Straße zu verleben. Kamen wir am Pfingstsonnabend im Städtel an, war einer der ersten Gänge über die Liegnitzer Straße hinüber in die Kassnersche Bäckerei. Dort wartete neben herzlicher Begrüßung schon der bestellte Streuselkuchen auf uns. Ihn dann heimzutragen, durch den von den überreich blühenden Fliederhecken und Gebüschen durchdufteten Garten, war der Auftakt für die Feiertage! Und wie großartig schmeckte dieser Festkuchen! Denn Richard Kassner war, es braucht eigentlich hier nicht betont zu werden, ein Künstler in seinem Fach, der viel Anerkennung auch außerhalb unseres Städtels gefunden hat.
Der Mohn in meines Vaters Haus Fritz Engel (Redakteur, Berliner Tageblatt) reimte für den "Kuchen-Kassner" : Sei's im Norden, Westen, Osten, Paul Lincke nannte ihn den "Kuchenimperator für Schlesien" und erklärte: Die Makronen möchte ich vertonen. Es wären noch viele berühmte Künstler anzuführen, wie Richard Strauß, den eine Makronentorte "freudig überraschte", Franz Lehár, Paul Keller, Hans-Christoph Kaergel, Paul Barsch, Christoph Rößler. Zu seinem 70. Geburtstag gratulierten ihm u. a. die Witwe von Gerhart Hauptmann und der ehemalige Reichstagspräsident Paul Löbe. Unser Heimatfreund hat eine umfangreiche Autographensammlung zusammenstellen und diese von daheim mitnehmen und retten können. Und wie kam er dazu, einen seiner Kuchen Cecilien-Kuchen zu nennen? Er hatte der Kronprinzessin zum Geburtstag einen nach einem neuen Rezept gebackenen Kuchen geschickt - und sie fand ihn würdig, diesem ihren Namen zu geben. Selbst nach 1945 bedankte sie sich für eine Weihnachtsüberraschung von Richard Kassner: "Ich bin so erfreut über das Warmbrunner Teegebäck, das mich an den schönen Bienenkorb erinnert. Mit wärmsten Grüßen Cecilie." Meine letzte Erinnerung an ihn führt in die Tage der Flucht, 1945. Die Russen waren schon auf der Steinauer Seite im Städtel. Wir wußten, was bevorstand. Da ging ich eines Abends in die Bäckerei hinüber, dort traf ich Herrn Kassner in der Backstube an, seine Frau war nicht daheim. Wie behaglich war's doch hier: Hell, gut durchheizt, was damals besonders schätzenswert war. Auf dem Tisch stand eine Flasche Wein, aus der Herr Kassner sich hin und wieder stärkte, während er eifrig Brotlaibe formte, die zum nächsten Morgen gebacken werden sollten. Um unsere Füße schnurrte die Katze. Lange hielt ich mich nicht auf, sondern wanderte bald ins alte Haus zurück, ermutigt durch die Zuversicht meines Nachbarn.
Andere Kassner aus Lüben: Chemiker und Pharmazeut Georg Max Julius Kassner (1858-1929), Untersuchungsrichter und Gefängnisvorsteher Amtsgerichtsrat Kaßner, als Mitbegründer des MTV Lüben Minna Maiwald geb. Kaßner mit Sohn Siegfried |