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Das evangelisches Gemeindehaus war seit 1898 die Zentrale des Lübener Vereinslebens. In ihm befand sich anfangs die Diakonissenstation, von der Klose in seiner Chronik schreibt: "Bedeutungsvoller wurde der 1887 gebildete Diakonissenverein, der die Mittel für die in diesem Jahre begründete Diakonissenstation aufbrachte, durch welche der Gemeinde der Segen geordneter Armen- und Krankenpflege zuteil wurde." Im Gemeindehaus befand sich auch eine Kleinkinderschule. "Die seit 1843 bestehende Klein-Kinderschule nimmt Kinder beider Konfessionen auf", schrieb Klose an gleicher Stelle. Ausführlicher erzählt Luise Winter davon in ihren Erinnerungen. Ebenfalls im Gemeindehaus befanden sich der Männer- und Jünglingsverein und der Jungfrauenverein. Später nahm die Stadt das Gebäude für verschiedene Schulformen in Anspruch, darunter die Höhere Töchter- oder Mädchenschule, die Höhere Knabenschule und schließlich das Realprogymnasium.
Das Diaconissenhaus an der Ecke, wo die Kullmannstraße in die Schulpromenade mündete.
Aufnahme um 1900, als die Bepflanzung der Anlagen eben vorgenommen worden war. Mit Dank an Wolfgang Wersich!
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Seit 1746 war für die Lübener Knaben die Schulpflicht vom sechsten Lebensjahr ab angeordnet. Über hundert Jahre später, am 1. April 1859, trat in Lüben eine neue Schulordnung in Kraft, die die bisherige Allgemeinschule in drei Gruppen unterteilte: eine höhere Knabenschule mit den drei unteren Gymnasialklassen; eine gemischte Volksschule mit zehn Klassen; eine höhere Mädchen- bzw. Töchterschule mit zwei Klassen. Der Unterricht für die Mädchen fand eine Zeitlang im sogenannten Habsburger Haus, im Mädchenschulhaus und bis zur Schließung der Höheren Töchterschule im Jahre 1932 im früheren Gemeindehaus statt.
Im Jahre 1906 erkannten die Lübener Stadtväter endlich, daß für die Sprößlinge ihrer Mitbürger eine Lehranstalt eingerichtet werden musste, an der sie das Reifezeugnis erwerben konnten. Deshalb baute man die höhere Knabenschule zum Realprogymnasium aus, das im gleichen Jahr seine erste Untertertia erhielt. Realprogymnasien waren nicht vollausgebaute Gymnasien mit sechs Klassenstufen, in denen anstelle von Latein eine moderne Fremdsprache gelehrt wurde. Mit dem Schuljahr 1908/09 wurde das Progymnasium zum vollausgebauten neunklassigen Realgymnasium. Untergebracht war es seit dem 1. Oktober 1907 im evangelischen Gemeindehaus.
Bald wurde der Bau eines Gymnasiums und zweier Schülerheime geplant, die 1908, 1910 und 1911 ihrer Bestimmung übergeben wurden. Mehr über die Entwicklung des Lübener Schulwesens in der Chronik von Konrad Klose |
"Höhere" bezog sich sowohl auf die gesellschaftliche Schicht, aus der die Schüler kamen, als auch auf die höhere Bildung, die hier - gemessen an der Volksschule - vermittelt wurde. Höhere Mädchen oder höhere Töchter... Die Bezeichnungen wechseln wie die Nutzung des Gebäudes.
Der Gymnasiast zeigt, dass hier wohl keine Diakonissen mehr untergebracht waren. Auf der folgenden Karte wurde der Fehler korrigiert.
Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie kunstvoll "die Lübener Anlagen" von Stadtgärtner Hermann Marx gestaltet worden sind.
Auf der Rückseite dieser Karte vom 5.7.1912, die wir Tomasz Mastalski aus Lubin verdanken:
Liebes Fräulein Bartel!
Aus Polkwitz sind wir schon ausgekniffen. Hier ist es sehr schön. Meine Adresse ist: Lüben i. Schl. Hotel Reichsadler
Herzliche Grüße Ihre Else Seiffert, Gertrud Siegmund, Helene Seiffert
Partie in den Schulanlagen - Schulpromenade, rechts das vielfältig genutzte Schulhaus, links der Teich mit Brunnengrotte
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