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XI. Kapitel
Die Entwicklung der Stadt seit Einführung
der Städteordnung
Die Geschichte der Stadt im letzten Jahrhundert kann natur-
gemäß nur in großen Zügen dargestellt werden. Bei der Fülle
und Mannigfaltigkeit des Stoffes war eine Beschränkung auf die
wesentlichen Momente der Stadtgeschichte geboten.
Die neuere Entwicklung der Stadt datiert seit der Einführung
der Städteordnung, die am 19. November 1808 für die Städte der
Monarchie erlassen worden war und im Sommer 1809 in Kraft
treten sollte. Damit erhielt die Bürgerschaft das Recht der
Selbstverwaltung zurück, nachdem es ihr seit 100 Jahren entzogen
gewesen war. Sie lernte auch verhältnismäßig schnell die neuen
Ordnungen verständnisvoll handhaben. Nur der Übergang von
der steten polizeilichen Bevormundung der friderizianischen Zeit
zur Selbstverwaltung vollzog sich bei der geringen geschäftlichen
Schulung der städtischen Behörden unter großen Schwierigkeiten.
Immer wieder mußte der Dezernent der Regierung, Steuerrat
Wachler, ratend, helfend, korrigierend eingreifen670).
Als Wachler Anfang Februar 1809 in Lüben weilte, war man
mit den Vorarbeiten noch sehr im Rückstande, obwohl die Wahl
am 20. Februar stattfinden sollte. Die Wählerlisten lagen noch
nicht vollständig vor, die Personen, welche nachträglich das Bürger-
recht erwerben konnten, waren eben dazu aufgefordert, für die
Bezirkseinteilung war ein Plan in großen Umrissen entworfen,
die Zahl der künftigen Stadtverordneten war auf 24 festgesetzt.
670 Zur Einführung der Städteordnung: a) Acta spec. des Kriegs-
und Steuerrats des III. Glogauer Depart. zu Wohlau (Chr. Aug. Wachler)
betr. Einführung der Städteordnung in der Stadt Lüben 21.2.1809 bis
6.11.1812; Staatsarchiv Rep. 28 O. A. Lüben III. - b) Stadtarchiv
Acta betr. die Wahl der Bürger zu Stadtverordneten und Beschlüsse der
Stadtverordneten-Versammlung. - c) Journal der Stadtverordneten-
Versammlung zu Lüben vom Mai 1812 bis ult. Dezember 1812. - Die
ältesten Stadtverordneten-Sitzungsprotokolle fehlen; die vorhandenen
beginnen erst 1835. |
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Zunächst wurde unter Mitwirkung des Steuerrats die Stadt in
4 Bezirke geteilt: I. Bezirk: Rathaus, Kuratialgebäude, Schloß,
Nord- und Westseite des Ringes, Oberglogauer Straße, Steinauer
Straße (soweit sie nicht zur Amtsvorstadt gehörte), Judengasse,
Liegnitzer Straße, mit 633 Seelen; II. Bezirk: Evangelische Kirche,
Pfarre, Schule, Ost- und Südseite des Ringes, Niederglogauer
Straße, Kleine und Große Kirchstraße, Stockgasse, Mälzer- und
Tiefestraße, mit 479 Seelen; III. Bezirk: Glogauer Vorstadt,
Städt. Hospital, Bauhof, Schießhaus, Ziegelei, Kreuzhof, Kuhring
Töpferdamm, Liegnitzer Vorstadt (ausschließlich Amtsanteil) mit
503 Seelen; IV. Bezirk: Domänenamtsdistrikt, Amtshospital,
Steinauer-, Stangen-, Mühlstraße, Totengasse, Rahmhof, Bleicher-
damm, Grabendamm, mit 818 Seelen. Im Ganzen betrug die
Seelenzahl ausschließlich Militär 2433. Davon waren angesessene
Bürger: 267 (stimmfähig 228), nicht angesessene Gewerbetreibende
119 (stimmfähig 78). Den Forensen wurde das Stimmrecht nicht
gewährt; nicht wahlberechtigt waren ferner die aktiven Magistrats-
mitglieder, die unter Kuratel stehenden oder im Konkurs befind-
lichen Bürger, auch solche, welche sich nicht im Besitze der bürger-
lichen Ehrenrechte befanden oder notorisch einen unsittlichen
Lebenswandel führten. Von den Grundstücksbesitzern waren weib-
liche oder unmündige Personen, von den Gewerbetreibenden solche,
die nicht ein reines Einkommen von 150 rtl. nachweisen konnten,
von der Wahl ausgeschlossen. Im ganzen waren nur 14 Prozent
der Gesamtbevölkerung stimmfähig. Entsprechend der Zahl der
stimmfähigen Bürger wählte:
I. Bezirk 7 Stadtverordnete 2 Stellvertreter
II. Bezirk 5 Stadtverordnete 2 Stellvertreter
III. Bezirk 4 Stadtverordnete 1 Stellvertreter
IV. Bezirk 8 Stadtverordnete 3 Stellvertreter
24 Stadtverordnete 8 Stellvertreter
Vor der Wahl wurde der Entwurf eines Regulativs für die
künftige städtische Verwaltung festgestellt, der aber später noch
manche Abänderungen erfuhr, da es in entscheidenden Punkten
von dem "Allgemeinen Geschäftsreglement für mittlere und kleine
Städte" abwich, welches von der Behörde als Muster aufgestellt
worden war. Man wollte in Lüben den künftigen Magistrat aus
Bürgermeister, Kämmerer und 6 unbesoldeten Ratmännern be-
stehen lassen und auf einen Stadtsekretär verzichten. Indes setzte
die Behörde durch, daß die Zahl der unbesoldeten Ratmänner
auf 5 festgesetzt wurde, und daß der zweite besoldete Ratmann
das Sekretariat übernahm, während der erste gleichzeitig Käm-
merer wurde.
Dem Wahlakt am 20. Februar ging eine kirchliche Feier
voraus, dann schritt man zur Wahl, nicht ohne Umständlichkeit
vollzogen wurde. Erst wurden von den Wahlberechtigten der |