Hans-Werner Jänsch: "80 Jahre Lübener Gymnasium"
Vorwort von Hans Werner Jänsch














Am 1. April 1988 jährte sich die Gründung des Lübener Gymnasiums zum 80. Mal. Aus diesem Anlass trug Hans Werner Jänsch - damals noch ohne Internet und unter den Bedingungen des Kalten Krieges, die kaum Kontakte zwischen Bundesrepublik, DDR und Polen zuließen - alles Auffindbare über Entstehung und Entwicklung der Schule zusammen und konnte viele ehemalige Gymnasiasten dazu bewegen, ihre Erinnerungen schriftlich festzuhalten. Das kleine Büchlein ist eine Fundgrube von Informationen. Damit es auch weiter zugänglich bleibt, hat Hans Werner Jänsch mir seine Wiedergabe auf lueben-damals gestattet. Ein herzliches Dankeschön dafür! Ich habe nur wenig gekürzt oder ganz weggelassen. Die meisten Klassenfotos und die Schulberichte finden Sie auf anderen Seiten meiner Website. Heidi


Das Städtische Gymnasium in Lüben/Schles.



Ist die Zeit auch hingeflogen,
Die Erinnerung weicht nie.
Wie ein lichter Regenbogen
Steht auf trüben Wolken sie.

(Leitwort der Abiturzeitung 1924)



- Realprogymnasium von 1908 bis 1914
- Realgymnasium von 1914 bis 1922
- Realgymnasium i. U. von 1922 bis 1930
- Reform-Realgymnasium von 1930 bis 1937
- Oberschule für Jungen von 1937 bis 1945



Bearbeitet und gestaltet von H.-W. Jänsch,
herausgegeben im Selbstverlag im Jahr 1988



WIR GEDENKEN
in heimatlicher Verbundenheit
aller Verstorbenen,
die unserer Schule
und dem Schülerheim
als Lehrer, sonstige Dienstkräfte
und Schüler angehört haben
oder als Förderer verbunden waren

Vorwort

Auch Schulen haben ihr Schicksal, ihre Höhen und Tiefen, Anfang und Ende. Doch anders als der Mensch sind sie nicht subjektiv erlebnisfähig, empfinden weder Freud noch Leid. Das bleibt stellvertretend uns überlassen, die wir ihnen verbunden sind oder waren, gleichgültig ob nur emotionell, ob vertraglich oder im hoheitlichen Unterwerfungsverhältnis.

Wenn wir am 1. April 1988 den 80. Jahrestag der Gründung des Städt. Realgymnasiums zu Lüben/Schles. begehen, so mögen den Zweifler vielleicht folgende Fragen beschäftigen: Gibt es überhaupt einen verbürgten Gründungstag und setzt - zweitens - der Akt des Begehens nicht voraus, daß die Schule heute noch unter dem gleichen Namen, unter den gleichen Bedingungen und in der gleichen Organisationsform fortbesteht?

Zu Fragen eins: Niemand wird oder will behaupten, das Städt. Gymnasium sei an diesem denkwürdigen 1. April 1908 unvermittelt aus dem Nichts und gleich in seiner vollen Größe entstanden. Dazu ist zu bekannt, daß das höhere Schulwesen in Lüben auf eine lange, freilich nicht immer ruhmreiche Vergangenheit zurückblicken kann (vgl. Klose, Beiträge zur Geschichte der Stadt Lüben, S.316 ff). Höhe- und Krönungspunkt der mehrhundertjährigen Entwicklung, deren Anfänge sich im Dunkel verlieren (urkundlich erwähnt wird eine Lateinschule erstmalig 1358) und entscheidender Neubeginn in höherer Qualität war aber jedenfalls die Umwandlung der vormaligen höheren Knabenschule, auch Bürgerschule genannt, am 1. April 1908 zunächst in ein Realprogymnasium, das dann ab 1914 als neunklassige Vollanstalt geführt wurde. Ob es erst von diesem Zeitpunkt an die Bezeichnung Realgymnasium trug, ist nicht mehr eindeutig feststellbar, für unser Gedenken auch unerheblich. Vom 1. April 1908 an hatte die Schule jedenfalls nach dem damals geltendem Recht den typischen Charakter einer deutschen höheren Lehranstalt. Daß das unsere Väter ebenso gesehen haben, erhellt die Tatsache, daß am 1. April 1933 der 25. Jahrestag der Schulgründung in einer denkwürdigen Veranstaltung in der Aula gefeiert wurde. Dr. Erich John erinnert sich als Teilnehmer daran, daß an dieser Feier auch ein ehemaliger Schüler teilnahm, der es inzwischen zum Hauptmann im Generalstab gebracht hatte und mit seinen roten Biesen an den Hosen bleibenden Eindruck bei den Schülern hinterließ. Der an sich volksbräuchliche 50. Jahrestag ist meines Wissens sang- und klanglos vorübergegangen. Den in alle Winde zerstreuten Ehemaligen war damals wohl noch nicht nach Feiern zumute.

Auch zu Frage zwei liegt die Antwort auf der Hand. Wissen wir doch begrifflich sehr wohl zu unterscheiden zwischen dem Bestehen einer Einrichtung und ihrem Entstehen. Niemand übersieht, daß die Schule von den 80 Jahren ihrer faktischen Existenz schon mehr als die Hälfte eine polnische ist. Uns geht es bei unserem Gedenken allein oder doch hauptsächlich um das Gründungsdatum. Und da haben wir durchaus das Recht, wenn nicht die moralische Pflicht, diese Großtat unserer Väter gebührend zu würdigen. Sie ist mit keiner noch so hartnäckigen Gegenargumentation aus der Welt zu schaffen.

Wir können den Gründungstag unseres Gymnasium also nicht begehen, ohne uns vor allem der Stadtväter dankbar zu erinnern, die durch die Übernahme der Kosten auf die Stadt den Gründungsakt erst ermöglicht haben. Bedenkt man die damals mißlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des ärmlichen Gemeinwesens im rein bäuerlichen Umland, dann sind sie wahrlich über ihren Schatten gesprungen. Aber die Zeit war einfach reif für eine solche Entscheidung. Das aufgeschlossene Bürgertum der sich stürmisch entfaltenden Industriegesellschaft im jungen Kaiserreich und nicht zuletzt auch das Offizierskorps der Garnison verlangten unüberhörbar nach einer dem Standesbewußtsein angemessenen Bildungsstätte für ihre Kinder.

Und von diesem Gründergeist wird die Schule in ihren Anfangsjahren zweifellos geprägt gewesen sein. Zucht und Ordnung waren sicher das oberste Gebot, hinter das humanitäre oder gar demokratische Empfindungen zurückzutreten hatten. Diese Prinzipien haben ja bis in ihre letzten Tage hinein gegolten und das nicht nur in positiver Hinsicht. Der Ungeist, der sich schon bald nach Hitlers Machtantritt auch an unserer Schule breitmachte, soll und darf nicht unterschlagen werden. Und deshalb verdienen an dieser Stelle die Damen und Herren des Lehrerkollegiums, aber auch die Schüler besonderer, achtungsvoller Erwähnung, die sich ungeachtet der daraus für sie erwachsenden Nachteile diesem Ungeist nicht gebeugt haben. Ich freue mich, daß mir mit dieser Feststellung, die Selbstkritik beinhaltet, Gelegenheit zu später Wiedergutmachung gegeben ist; habe doch auch ich damals Auffassung und Haltung der mutigen Minderheit verkannt und mißbilligt.

Neben ihr gedenken wir - dankbar, achtungsvoll, aber auch ein wenig schlesisch-sentimental und nicht selten mit vergnüglichem Schmunzeln - ebenso all derer, die den guten Geist und Ruf, das positive Bild und den liebenswerten Charakter unserer Schule geprägt haben, gleichviel ob sie ihr als Lehrer, sonstige Bediente oder Lernende angehört oder sie als wohlmeinende Gönner gefördert haben. Ich hoffe, daß ich das auch namens derjenigen sagen darf, die unsere Schule nicht in bester Erinnerung haben. Auch wenn unsere Schule als deutsche Lehranstalt heut nicht mehr besteht, so behält sie in unserer Erinnerung und in unseren Herzen - durch den langen Abstand verständlicherweise etwas verklärt - doch ihren Platz.

Unsere Schule dient heute wieder dem gleichen Zweck. Möge ihr als polnisches Kopernikus-Gymnasium ein gutes Schicksal beschieden sein. Für uns hat der neue Name etwas Tröstliches. Wird doch damit ein bekannter mittelalterlicher Wissenschaftler geehrt, den wir ob seiner Deutschsprachigkeit ebenfalls als einen der unseren, zumindest aber als einen ganz großen Europäer ansehen, vergleichbar der Schutzpatronin Schlesiens, die als hl. Hedwig von Deutschen und Polen gleichermaßen verehrt wird. Was wir unserer Schule nicht mehr wünschen können, das wollen wir getrost und ohne Ressentiments ihrer Nachfolgerin wünschen: Glückliches Gedeihen, einen humanen Geist und einen guten Ruf bei denen, für die sich Erinnerungen mit ihr verknüpfen. Wir erwarten aber ebenso Verständnis für unsere Empfindungen und Aufgeschlossenheit dafür, daß auch wir die Erinnerung an unsere liebe, alte deutsche Penne pflegen und wachhalten wollen. Sie aus dem Bewußtsein zu verlieren, käme einer zweiten Vertreibung gleich. Noch klingen mir Mutters gern wiederholte Worte in den Ohren, wenn Unmut über lästige Hausaufgaben mich zu wenig schmeichelhaften Äußerungen hinriß: "Du wirst Dich noch oft im Leben nach der Schule zurücksehnen." Liebe Mutter, es tut mir leid, aber ich habe noch nie damit hinter dem Berg gehalten: Zurückerinnern - ja, zurücksehnen nein.

Meine Absicht, ehemalige Schüler unseres Gymnasiums besonders hervorzuheben, die sich in Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, Verwaltung oder bei den Streitkräften einen Namen gemacht haben, war zum Scheitern verurteilt. Sie mußte es sein. Die Vermessenheit zu entscheiden, wo die Grenzen zur Unsterblichkeit liegen und wer sie überschritten hat, habe ich einfach nicht aufgebracht. Als besonders informativ, ja als wahre Fundgrube für den, der sich gern der Nostalgie hingibt, haben sich die von unserem Mitschüler Rudolf Behnisch zur Verfügung gestellten Schulberichte für die Jahre 1924/25 und 1927/28 erwiesen. Ich hielt es deshalb für unverzichtbar, sie der Jubiläumsschrift als Anlage beizufügen.

Ein Wort des Dankes gebührt noch all denen, die zur Erstellung dieser Jubiläumsschrift Ideen, Erinnerungen, Bilder und Erinnerungsstücke kameradschaftlich beigesteuert haben. Sie haben einer guten Sache gedient in der richtigen Einsicht, daß einer auf sich allein gestellt überfordert gewesen wäre.

Besonders hervorzuheben ist die Mitarbeit von Harry Grundmann, der das Titelblatt gestaltet hat, und von Heinz Birk, ohne dessen tatkräftige Mitwirkung diese Publikation überhaupt nicht zu verwirklichen gewesen wäre. Er hat diesen Beistand geleistet, ohne selbst Mitschüler gewesen zu sein. Aber als ehemaliger Bürger unseres Lindenstädtchens fühlt auch er sich unserer alten Schule eng verbunden.

Ich würde mich freuen, wenn der Dank gegenüber den vielen selbstlosen Helfern darin zum Ausdruck käme, daß dieses kleine anspruchslose Werk von seinen Lesern wohlwollend aufgenommen wird. Das gilt ebenso für die von unserem inzwischen verstorbenen Mitschüler Hans Philippsberg überlassene Einjährigenzeitung des Jahres 1929, die ebenfalls als Anlage beigefügt ist.

Hans-Werner Jänsch

  Abschnitt 2: Die Chronik Abschnitt 3: Aus dem Schulalltag Abschnitt 4: Die Lehrkräfte Abschnitt 5: Die Schüler Abschnitt 6: Schülererinnerungen von Eva Munderloh Abschnitt 7: Fahrschülererinnerungen von Gustav Fechner, Raudten Abschnitt 8: Erinnerungen von Hans-Joachim Rudolph, Ossig Abschnitt 9: Erinnerungen von Erich Archner und Rudolf Behnisch Abschnitt 10: Erinnerungen des Fahrschülers Leo Beyl, Raudten