1916 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. Bei den Kämpfen in Rumänien wurde er am 5. Januar 1917 an der rechten Hand schwer verwundet. Er mußte sich mehreren komplizierten Operationen unterziehen. Danach wurde er ins Kriegslazarett nach Bromberg überwiesen, von dort schließlich als kriegsdienstuntauglich entlassen.
Ostern 1918 wurde Erich Tscharntke zum Oberstudiendirektor und Alumnatsleiter des Lübener Gymnasiums berufen.
Hier in seiner Geburtsstadt verlebte er mit seiner Frau und den fünf Kindern 16 glückliche und arbeitsreiche Jahre.
Das Realgymnasium wurde ab Ostern 1921 klassenweise ab Sexta in ein Real-Reformgymnasium umgewandelt, bis es Ostern 1930 bis Oberprima Reformgymnasium war, in dem Englisch als erste Fremdsprache ab Anfangsklassen unterrichtet wurde. Unter Leitung von Erich Tscharntke wurden auch Mädchen ins Gymnasium aufgenommen. Die Lübener Höhere Töchterschule wurde aufgelöst. Diese Umstellung und die ständigen Neuerungen der Lehrmethoden und Lehrpläne waren eine starke Belastung für Erich Tscharntke und seine Lehrerkollegen. Einige zusätzliche Informationen sind den Jahresberichten der Schuljahre 1924/25 und 1927/28, die unter seiner Leitung standen, zu entnehmen.
Kurz vor der Silberhochzeit wurde Erich Tscharntke ab 1. Juni 1934 als Ober-studiendirektor an die Oberrealschule am Nikolaitor Breslau versetzt, die er bis zum Ende des Krieges 1945 leitete. Seit Hitlers Machtergreifung 1933 trug die Schule den Namen des Diktators. Die Namensgebung war nicht erst auf Initiative Tscharntkes erfolgt, wurde ihm jedoch später zur Last gelegt, da seine Parteimitgliedschaft die Vermutung zu stützen schien. |
Adressbuch Breslau 1935 S. 738 |
Einer seiner ehemaligen Schüler, Leo Beyl aus Raudten, erzählte im Lübener Heimatblatt 9/1982 über Erich Tscharntke: "Die Lübener Schule leitete er mit starker Hand, was besonders in den schweren Nachkriegs- und Inflationsjahren erforderlich war. Es gelang ihm mit den anderen Lehrern, trotz der dauernd verordneten neuen Lehrmethoden, das Gymnasium als einen Hort des gediegenen Schulwissens zu erhalten.
Während seines strengen Unterrichts gab es aber auch öfter etwas zu lachen. Im Chemie-Unterricht z.B. sagte er, als er Glaubersalz behandelte: "Glaubersalz ist ein Abführmittel für Schweine, aber nicht für Sie, meine Damen und Herren." Einmal brachen wir in schallendes Gelächter aus, als er beim Betreten des Klassenraumes feststellte: "Ich sehe einige, die nicht da sind."
Als Chef der Schule bestand sein Ehrgeiz darin, die Abiturienten mit einem umfassenden Allgemeinwissen zu entlassen. Wir sollten in den einzelnen Fächern grundlegende Kenntnisse erwerben. Ein Greuel war ihm der Gedanke, daß wir nur das lernen könnten, was uns augenblicklich nützlich erschien, um eine tragbare Note herauszuschinden. Vor dem Abitur warnte er uns deshalb ständig "Tippen Sie nicht, meine Damen und Herren." Tippen hieß im Schülerjargon zu berechnen, welches Thema in der schriftlichen oder mündlichen Prüfung gestellt werden könnte. Trotzdem beschränkte sich unser Lerneifer überwiegend auf das Thema, auf welches wir in jedem Prüfungsfach tippten. Wir gingen davon aus, daß jeder Lehrer im eigenen Interesse wollte, daß die Prüflinge bei ihm gut abschnitten. Das hob seinen Ruf als guter Pädagoge.
Außerhalb der Schule spürten wir ebenfalls seine strenge Hand. Lokale durften von uns nicht besucht werden. Nur die Schüler der oberen Klasse hatten das Vorrecht, an bestimmten Tagen zu einer bestimmten Zeit die Konditoreien von Neumann und Hilbig aufzusuchen. Wehe dem, der in einem anderen Lokal gesehen wurde!
Seinem Einfluß war es auch zuzuschreiben, daß in der Badeanstalt das Familienbad nicht gestattet war. Und Schusters Kintopp durften Schüler nur besuchen, wenn der betreffende Film von der Schulleitung freigegeben war. Diese und andere Einschränkungen entsprachen dem generellen Zeitgeist. Das Wesentlich war jedoch, daß uns Schülern ein gediegenes Wissen vermittelt wurde, was wir erst später richtig begriffen. Das haben wir auf unserer Penne erhalten. Zum großen Teil verdanken wir das Erich Tscharntke, der in den schwierigen Zeiten nach dem 1. Weltkrieg die Schule sicher durch alle Gefahren steuerte." (Leo Beyl in Lübener Heimatblatt 9/1982)
Wie unterschiedlich die Urteile ehemaliger Schüler ausfallen und wie unterschiedlich die Erinnerungen an einen Menschen sind, soll nicht verschwiegen werden. Konrad Feige, Sohn des von den Nazis abgesetzten gewählten Bürgermeisters Hugo Feige, hat eine ganz andere Meinung über die Rolle seines Direktors in dieser Zeit. Damit sollen seine Verdienste nicht geschmälert werden. Es soll jedoch der Versuch einer Betrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln unternommen werden. In diesem Zusammenhang ist auch ein Brief des ehemaligen Studienassessors Dr. Hans W. L. Freudenthal an Erich Tscharntke von Bedeutung.
Die Flucht führte die Familie zur in Wunstorf lebenden Tochter Mechthild. Als das größte Geschenk bezeichnete Erich Tscharntke, dass alle fünf Kinder den Krieg überlebt haben. Die letzten Lebensjahre verbrachte er mit seiner Frau in Bad Eilsen, wo er am 28.12.1967 starb. Seine Frau folgte ihm am 24.3.1970. Dort fanden beide nach einem arbeitsreichen und turbulenten Leben ihre letzte Ruhestätte.