Michael "Unterwegs zu meinen Vorfahren - Teil 6"
Unterwegs zu meinen Vorfahren - Teil 7














6. Das Leben während der Überfahrt

Auf der ersten Seite der Passagierliste befand sich ein Stempelabdruck des Baltischen Lloyds. Diese Reederei mit Hauptsitz in Stettin diente zur Auswanderung nach Nordamerika. Ihre historischen Unterlagen lagern im Landesarchiv Greifswald und sind über Ancestry einsehbar.

Dort befinden sich der Firmenschriftverkehr sowie die Passagierlisten zu den ersten zwei in Dienst gestellten Schiffen (die "Humboldt" und die "Franklin"), leider aber nicht zur "Thorwaldsen", auf der August und Heinrich gereist waren. Um sich ein Bild über deren Seereise zu machen, kann man sich diese Unterlagen heranziehen, und dann an die "Thorwaldsen" anpassen. Hier die Deckgrundrisse dieser beiden Schiffe.

Die hintere Hälfte des Hauptdecks enthielt die Kajüten für die 1. Klasse Reisenden sowie für das Schiffspersonal. Hier befanden sich auch Räumlichkeiten, die zum Schlachten, zum Backen, und zur Anrichtung der Mahlzeiten für die Zwischendeck-Reisenden dienten.

Davon deutlich abgetrennt war die vordere Hälfte des Hauptdecks, wo sich die Kojen der Zwischendeck-Reisenden befanden. Auf diesem Deck waren die Kojen meistens in Etagen zu fünft ausgelegt, doppelstöckig gebaut, und zwei solcher nebeneinander stehenden Gruppierungen wurde als eine Kammer bezeichnet. Die einzelnen Kojen in einer Kammer waren durch kleine Seitengänge erreichbar. Vermutlich gab es aus Kostengründen nicht einmal Trennwände. Somit lagen in einer Kammer 20 Personen. Alle Zwischendeck-Passagiere mußten ihr eigenes Bettzeug mitbringen.

Im unteren Deck befanden sich nur Zwischen-Deck Reisende. Bedingt durch die Krümmung des Schiffsrumpfes enthielten diese Kammern ebenfalls doppelstöckig gebaute Kojen, aber für "nur" 16, 12 oder acht Personen.

Die Kombüse für die Zwischendeck-Reisenden (C) befand sich auf dem Hauptdeck. Direkt daneben waren Ausschankkammer (D) und Ausgabekammer (E). Die Warteschlange bei jeder Mahlzeit kann man sich vorstellen. Zwischendeck-Passagiere mussten ihr eigenes Ess- und Trinkgeschirr mitbringen.

Die Beköstigung der Fahrgäste war im Passagegeld inbegriffen. Auf welche Gerichte konnten sich die Reisenden freuen? Die Archivunterlagen enthalten keine Menus, jedoch wurden Listen zur Verproviantierung angefertigt. Ein Beispiel für die "Humboldt":

Das Fleischsortiment war entweder geräuchert, getrocknet oder gesalzen, denn Kühlschränke gab es nicht, und Eisblöcke wären ein Luxus gewesen. Dazu berechnete man für die 600 Zwischendeck-Passagiere weitere 12 Tonnen Heringe. Verschiedene Mehlsorten zum täglichen Brotbacken gab es, auch diverse getrocknete Hülsenfrüchte, Kartoffeln und Sauerkraut. Obst war vorhanden, allerdings getrocknet. Zur Würzung diente Essig und Salz.

Aus einem Wikipedia-Eintrag über den Baltischen Lloyd wurden einige Kennzahlen zu den drei Schiffen entnommen und hier zusammengestellt:

Schiffsname Länge(m) Breite(m) Passagiere
I./II./ZwD
Besatzung
Humboldt 89,60 9,47 NN/ca. 600 56
Franklin 89,60 9,47 NN/ca. 600 66
Thorwaldsen 94,48 11,58 (150)/700 70

Anhand der Maße sieht man, dass die "Humboldt" und die "Franklin" identisch dimensionerte Schwesternschiffe waren. Dagegen war die "Thorwaldsen" etwa 5 m länger und 2 m breiter, um die 700 Zwischendeck-Reisenden unterzubringen.

Beim Entwurf der "Thorwaldsen" benutzte der Schiffsarchitekt wahrscheinlich so weit, wie nur möglich, die schon vorhandenen Baupläne der ersten beiden Schiffe. Die "Thorwaldsen" wäre somit etwa eine "gestreckte" Version der ersten beiden Schiffe gewesen, aber im Inneren ähnlich ausgelegt. Etwas überraschend: nur 4 zusätzliche Besatzungsmitglieder waren notwendig. Die obengeschilderten Bedingungen der Überfahrt wären für August und Heinrich an Bord der "Thorwaldsen" sehr ähnlich gewesen, nur bei einer erheblich höheren Menschenanzahl.


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